„Arche-Noah-Post“ am 3.6.2020

Es kommt nicht darauf an,
dass Freunde zusammenkommen,
sondern darauf, dass sie übereinstimmen.
(Goethe)

Mein Geburtstag war in diesem Jahr so ganz anders, als sonst. Es kam weniger Post, dafür kamen mehr Anrufe und die meisten  dauerten auch noch viel länger als sonst. So wurde mein Geburtstag in diesem Jahr zu einem wirklich „merkwürdigen“ Tag.
Ein etwas dickerer Brief kam von meiner ältesten Schulfreundin – wir kennen uns seit unserem ersten Schultag in Ostpreußen – mit einem Büchlein „Feine Pflänzchen“ von Mascha Kaléko und der schönen Geburtstagskarte mit dem o.g. Spruch.
Beim nochmaligen durchsehen der Geburtstagspost  berührte mich gerade dieser Spruch noch einmal ganz besonders. Meine Freundin und ich hatten nur vier gemeinsame Jahre, bis die Flucht im Februar 1945 unsere Wege trennte. Erst nach acht Jahren gab es den ersten Kontakt. Viele Jahre bestand unsere Freundschaft nur aus kurzen Begegnungen und vielen Briefen. Das änderte sich erst kurz vor Beginn des Rentenalters. Unsere Interessen sind immer noch fast die Gleichen, wie zu  unserer Kindheit. In unseren Gesprächen, sei es am Telefon, gemeinsamen Reisen oder Besuchen, erinnern wir uns gerne daran. Da ist unser langer Schulweg, im Winter durch tiefen Schnee, oder das Trödeln im Sommer am Wegrand. Und immer hatten wir hatten uns viel zu erzählen. Viele lustige, aber auch traurige Erinnerungen werden dann wieder lebendig.
Überhaupt war mein Geburtstag in diesem Jahr von vielen Erinnerungen geprägt. Da waren die Anrufe meiner  Schulkameraden und Bekannten aus der alten Heimat und meiner Freundinnen aus der Schulzeit in Niedersachsen und all der lieben Menschen,  mit denen ich mich jetzt und hier verbunden fühle. Ganz zu schweigen von den Gesprächen mit meinen Kindern und Verwandten.
Wenn auch das gemeinsame Kaffeetrinken, oder Frühstücken fehlte, so fühlte ich mich gerade an diesem Tag ganz besonders gut aufgehoben. Wirklich ein „merkwürdiger“ Tag, an den ich dankbar zurückdenke.
Beim nochmaligen durchblättern des Büchleins von Mascha Kaléko gefiel mir das das Gedicht vom bescheidenen Veilchen besonders gut und so schreibe ich es noch dazu:

Das Veilchen, zart und violett,
war Ehrengast auf dem Bankett,
und jeder rühmte seine Tugend,
und seine Schönheit, seine Jugend.
Das Veilchen drauf, mit scheuer Miene,
„ihr lobt mich mehr als ich verdiene.
Doch eine Tugend, die mich ziert,
die habt ihr alle ignoriert“.
– Verbeugte sich nach edlem Brauch
und sprach: „Bescheiden – bin ich auch.“

Gisela König