An(ge)dacht am Sonntag des guten Hirten (26.4.2020)

von und mit Pfr. Dr. Olaf Reinmuth, Ev.-Luth. Kirchengemeinde Herford-Mitte

Liebe Schwestern und Brüder,

ich grüße Sie ganz herzlich an diesem Sonntag des Guten Hirten, geprägt durch den Psalm 23, den viele von uns auswendig können.

Der Herr ist mein Hirte,
mir wird nichts mangeln.
Er weidet mich auf einer grünen Aue
und führet mich zum frischen Wasser.
Er erquicket meine Seele.
Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen.
Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück.
Denn du bist bei mir.
Dein Stecken und Stab trösten mich.
Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde.
Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein.
Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang
und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.

Wir treffen uns wieder hier, immer noch digital, in Wort und vielleicht auch im Bild, wenn Sie über die entsprechenden Medien verfügen. Es ist eine schmerzliche Entfernung, immer noch. Ich hoffe, dass bald wieder Gottesdienste möglich sind, dass wir einander wieder näher kommen können. Aber der Abstand wird uns noch eine Weile begleiten, zu groß ist die Sorge um die Gesundheit aller.

Ich habe selber gerade den Eindruck, dass wir auf die Langstrecke gegangen sind. Lockerungen ja, aber doch über Monate hinweg mit großen Einschränkungen. Es wird immer deutlicher, dass die Pandemie nicht so bald vorbei sein wird und schon gar nicht von alleine weggeht. Die Masken, die wir ab morgen tragen müssen, sind deutlicher Ausdruck davon.

Die Langstrecke aber macht eine andere Krafteinteilung nötig. Es ist ein Unterschied, ob ich zum Sprint ansetze oder einen 10-Kilometer-Lauf vor mir habe.

Kraft tanken, Zuspruch bekommen, das ist wichtig in dieser anspruchsvollen Zeit. Psalm 23 kommt da gerade recht. Ein ganzes Leben passt hinein. Glück, Liebe, Nähe, gute Versorgung sind dabei. Wenn es gut läuft, steht Gott dahinter. Das kann man in der Leichtigkeit schon mal vergessen, aber es ist trotzdem so. Die Natur in ihrer doch sehr großen Freundlichkeit. Dass sie auch anders kann, sehen wir gerade jetzt. Das Virus gehört zur Natur und sogar zur Schöpfung.

Aber dann eben auch das „tiefe Tal“, wo es finster ist, durch das ich durch muss, weil es auf dem Weg liegt. Ich bin nicht allein. Gott ist bei mir. Einer, der nach mir sieht, der mich im Blick hat, auf mich aufpasst.

Er katapultiert mich nicht über das Tal hinweg. Er sorgt nicht dafür, dass ich ein Leben ohne tiefes Tal habe. So etwas zu erwarten, wäre verkehrt. Viele tun das immer wieder. Da ist Psalm 23 realistisch wie die Bibel überhaupt.

Die Konfirmanden lernen Psalm 23 auswendig. Er gehört zum Kernprogramm. Auf Englisch heißt Auswendiglernen: „learning by heart“, „mit dem Herzen lernen“. Und so ist das gemeint. Ins Herz hineinlassen – sowohl die Angst als auch die Behütung.

Die Sprache des Psalms ist alt. Wer weiß schon, was erquicken heißt? Wer redet noch so? Aber die Bilder sind klar und schnell zu verstehen.

Gott ist bei mir, wenn es mir schlecht geht“, hat ein Konfirmand das „tiefe Tal“ für sich übersetzt. Oder: „Gott ist da, wenn nicht alles gut ist.“ Und ich höre: Da hat jemand Erfahrungen gemacht mit Trauer, mit Sehnsucht, mit Einschränkung und Abschied, dass das Leben anders läuft als gedacht – und bringt das vor Gott. In seinem Herzen.

Im Unterricht rührt mich das immer. Gott soll weiterhelfen. Er soll Energie und Hoffnung geben, damit ich leben kann. Ganz direkt, ganz zutraulich kommt das oft rüber. Und am Ende kommt was Gutes heraus oder auch nur was Passables, mit dem man leben kann.

Dass die Feinde da auch ihr Teil abbekommen, fällt vielen schwer zu verstehen. Aber: Wer anderen keinen Respekt zollt, wird auf der Strecke bleiben. Es geht um Gerechtigkeit, und nicht einfach darum, dass ich mich abfinde.

Da ist ganz schön viel Schwung drin.

Nehmt davon etwas mit und bleibt widerstandsfähig!

Gott befohlen.

Dr. Olaf Reinmuth