von Herbert Busch-Prüßing, Presbyter in unserer Ev.-Luth. Kirchengemeinde Herford-Mitte
Geduld – Ansichten eines Faultiers
Herrlich! Diese Ruhe auf der Arche-Noah. Wir dümpeln jetzt seit einigen Wochen auf dem Wasser herum. Ruhige See und weit und breit kein Land in Sicht. Alles an Bord scheint in einen Tiefschlaf zu versinken. Das gefällt mir.
Nur kürzlich gab es etwas Unruhe. Da rannte mein Freund der Hamster aufgeregt hin und her. Er hatte sich wohl in Rage geredet. Mich bringt ja so schnell nichts aus der Ruhe, aber dann war ich doch neugierig, worum es ging. Über die Menschen hat er sich aufgeregt. Ach ja, diese komischen Wesen, pflichtete ich ihm bei. Das kenne ich auch. Mich, zum Beispiel, nennen sie „Faultier“. Finde ich ziemlich unverschämt. Ich bin doch nur maximal tiefenentspannt und gelassen. In der Ruhe liegt die Kraft, sage ich mir. Ich weiß nicht, wer auf diese blödsinnige Idee, ich sei faul, eigentlich gekommen ist. Aber sie sind schon merkwürdig, diese Menschen. Muße und Geduld kennen sie gar nicht mehr. Nicht nur das, sie geraten sogar in Panik, wenn sie mal innehalten sollen und von außen zur Ruhe verdonnert werden. Ist mir auch hier auf dem Schiff aufgefallen. Sem, Ham und Jafet, Noahs Söhne, murren und grummeln seit einiger Zeit. Sie scheinen sehr unzufrieden zu sein mit dem Kurs vom Alten, von Käpt’n Noah. Wollen wieder an Land und endlich ihr altes Leben wiederhaben. Unglaublich, das neue Leben ist doch viel schöner, ruhig und beschaulich. Mir gefällt das jetzt. Aber die Menschen habe ich noch nie so richtig verstanden. Sie hetzen sich das ganze Leben lang ab, um dann in den Ruhestand zugehen. So ein Quatsch. Viele von ihnen haben damit dann Probleme, denn sie wissen gar nicht mehr, was Ruhe ist. Da leb‘ ich doch lieber mein ganzes Leben im Ruhemodus.
Ach übrigens, damit hier wieder Ruhe an Bord einkehrt, hat der Käpt’n vor sieben Tagen eine Taube zur Erkundung der Lage losgeschickt. Die kam aber unverrichteter Dinge wieder zurück. Er blieb gelassen. Der Herr wird’s schon richten, sagt er immer. In einer Woche will er sie nochmal losschicken.
Da kann ich natürlich die Gelegenheit nutzen, und ihr meine Arche-Noah-Post mitgeben. Als Noahs Söhne das hören, lästern sie wieder und fragen mich vorwurfsvoll, warum ich das denn nicht als elektronische Post verschicke, das gehe doch viel schneller.
Ach ja, sie haben immer noch nichts begriffen.
Viele Grüße
Herbert Busch-Prüßing