An(ge)dacht zum Sonntag Jubilate am 21.4.2024

„Und die Bibel hat doch recht!“

So lautete der provozierende Titel eines Buches, das bereits 1955 erschien und bis heute etliche Auflagen erlebt hat. Es war die Kampfansage an die fortschreitenden naturwissenschaftlichen und auch archäologischen Forschungen. So hatte der Titel immer auch einen gewissen trotzigen Klang. Nach dem Motto „Ihr könnt rauskriegen, was ihr wollt, und die Bibel hat doch recht!“ Inzwischen gibt es auch eine ganze Reihe von Filmen unter dieser Überschrift. Und wenn man diese Worte googelt, dann erhält man eine unübersichtliche Flut von Ergebnissen, die die Evolutionstheorie, den Darwinismus oder auch die Urknalltheorie zurückweisen wollen.

Und nun behaupte ich angesichts des sehr bekannten Schöpfungsberichtes der Bibel, der die alttestamentliche Lesung dieses Sonntags ist: „Und die Bibel hat doch recht!“

Die einen von Ihnen sind vielleicht ganz beruhigt, da doch nun ein Pfarrer ganz offiziell erklären wird, wie das alles wirklich war und dass die Glaubensgrundlage Bestand hat. Kreationisten, von denen es ja auch bei uns immer mehr gibt, machen sich schon mal zum Applaus bereit.

Und die anderen runzeln bereits die Stirn und fragen sich, ob ich nun von allen guten Geistern verlassen bin, dass ich alle wissenschaftlichen Erkenntnisse unserer Zeit leugnen will.

Ich sag es noch einmal: „Und die Bibel hat doch recht!“

Aber schauen wir bitte einmal genau hin, was die Bibel eigentlich sagt, was sie will. Und wer mich etwas kennt, ahnt, dass ich nicht zu den Kreationisten übergelaufen bin.

Diese Auseinandersetzung flammt ja immer wieder auf: Auf der einen Seite die Skeptiker mit ihren Erkenntnissen vom Urknall und dem Erkalten der Masse, von der Evolution, die bei den Mikroben beginnt und – vielleicht – bei den Menschen endet, und von der natürlichen Auslese, die den Daseinskampf bestimmt. Gott hat bei ihnen und in ihrem System keinen Platz. Er ist allenfalls der Lückenbüßer für das (noch) nicht Erklärbare. Verstand und Erkenntnis verdrängen den Glauben als etwas altmodisch Überholtes.

Auf der anderen Seite stehen strenge Biblizisten. In sechs Tagen, so sind sie sicher, hat Gott alles aus dem Nichts geschaffen und am siebten Tag hat er geruht. Die Bibel berichtet es schließlich so. Und so und nicht anders sei’s dann auch gewesen. Denn unser Wissen ist doch nur Stückwerk und muss mit jeder neuen Forschung revidiert werden. Wie sollte dann unser Wissen genauer sein als Gottes Wort?

Mit solchen Fragen werde ich in der Gemeinde wie von Konfirmand*innen auf Glaubwürdigkeit getestet. Und die Fragenden lauern auf die Antwort, ob sie auch ja ihren Erwartungen entspricht.

Meist frage ich dann erst einmal zurück, welchen Schöpfungsbericht der Bibel die Fragenden denn eigentlich meinen: den ersten am Anfang der Bibel, den mit den sieben Tagen, oder den zweiten aber älteren im zweiten Kapitel der Bibel oder den aus den Psalmen oder gar den philosophischen aus dem Anfang des Johannesevangeliums? Und dann setzte ich gerne hinzu, wie denn die Unterschiede wohl zu verstehen seien?

Nun in diesem ersten Bericht geht es fast wie bei einem Zauberer zu: Immer wieder lesen wir: „Gott sprach und es ward.“ Eine Schöpfung also nur durch die Kraft des Wortes. Und dann macht Gott den Menschen. Auch hier nichts Anschauliches. Nicht von der Erde und dem Gotteshauch ist die Rede, nicht von der Rippe und manchem Detail, das der andere Bericht erzählt, sondern vom Bilde Gottes, also nach seiner Vorstellung schuf Gott den Menschen. Und er schuf sie von Anfang an gleichberechtigt als Mann und Frau.

Hat Gott die Welt etwa auf diese Weise geschaffen?

Wohl kaum! Weder damals noch heute kann sich jemand vorstellen, dass dies ein den naturwissenschaftlichen Berichten entsprechendes Protokoll der Entstehung der Erde und der Erschaffung des Menschen sein soll. Darum geht es dem Erzähler nicht und das hieße den Text völlig falsch gelesen und missverstanden zu haben.

Der Erzähler will vielmehr etwas über die Beziehung zwischen den Menschen und Gott aussagen. Ihm ist es wichtig, anschaulich zu machen, was Gott für seine Menschen tut. Er will vor Augen führen, wie Gott für seine Menschen sorgt. Er will keinen naturwissenschaftlichen Bericht schreiben, aber er ist sich sicher, dass die gesamte Schöpfung auf Gottes Willen zurückgeht und dass der Mensch in dieser Schöpfung von Gott gewollt ist. Der Mensch ist Gottes Gegenüber in der Schöpfung.

Allerdings hat das dann auch seine Konsequenzen. Gott beauftragt den Menschen, über die Erde zu herrschen, was dieser aber allzu oft völlig falsch verstanden hat. „Herrschen“ lässt sich nicht als Freibrief zum Ausbeuten verstehen, sondern als Auftrag der Fürsorge. Eine gute und Gott gewollte Herrschaft über die Erde und ihre Bewohnenden hat den Umweltschutz, die Nachhaltigkeit und den Naturschutz als Selbstverständlichkeiten im Blick. Die Erde ist uns anvertraut, damit wir sie in einem guten Zustand an unsere Kinder und Enkel weitergeben.

Kehren wir aber zu unserem Eingangskonflikt zurück, so stellen wir jetzt fest, dass die aufgezeigte Alternative völlig falsch ist. Natürlich hat die Bibel recht und doch auch die Naturwissenschaften. Sie können uns verstehen lernen, wie es sich abgespielt hat. Die Erkenntnisse vom Urknall und dem Erkalten der Masse, von der Evolution, die bei den Einzellern, den Mikroben beginnt und – vielleicht – bei den Menschen endet, und die Lehre von der natürlichen Auslese, die den Daseinskampf bestimmt, sind nach dem jetzigen Stand der Wissenschaften richtig, aber Gott ist kein Lückenbüßer. Ist sein schöpferisches Handeln denn weniger oder gar weniger wert, wenn er sich langsamer Prozesse mit bestimmten Gesetzmäßigkeiten bedient, statt in sechs Tagen alles zu vollenden? Bleibt nicht bei allem Wissen das Staunen über die Schöpfung? Oder wird es gar größer, je mehr wir erkennen?

Die Bibel ist kein naturwissenschaftliches Buch, sondern ein Zeugnis glaubender Menschen über das Handeln Gottes. Die Schöpfungsberichte in der Bibel wollen jeder auf seine Art davon ein Danklied singen, in das wir doch wohl nur einstimmen können. Der Text ist nicht zufällig zum Sonntag Jubilate ausgesucht. Lassen sie uns also jubeln, obwohl wir nicht wirklich durchschauen, wie alles geschaffen wurde und sich entwickelt hat. Lassen sie uns jubeln über diese wunderbare Welt, die durch Gottes Handeln unser Lebensraum geworden ist. Denn die Bibel hat doch recht, dass Gott alles gut gemacht hat. „Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut.“

Ich wünsche Ihnen wunderbare Erlebnisse in unserem Lebensraum, der von Gott geschaffenen Natur!
Ich wünsche Ihnen, dass Sie dadurch erneut und immer wieder zum Jubeln kommen!
Ihr Pfr. Johannes Beer