An(ge)dacht zum Sonntag 14.April 2024

Du Bist Der Gott, Der Mich Sieht  (1 Mose 16,13)

Als er noch jung war, ist mein Opa ein Viehhändler gewesen, deshalb hatte er lebenslang immer zu Kühen und Büffel eine gute Beziehung. Manchmal an einem Freitag, wenn ich früher von der Schule gekommen bin, gingen wir zum Viehmarkt, um zuerst Mittagessen zu genießen und danach herumzugehen, damit wir Kühe und Büffel sehen konnten. Als ich 10 Jahre alt war, kaufte er 5 Büffel, und er lud mich ein, diese Tiere mitzupflegen. Da Büffel die Hitze nicht vertragen können, mussten wir sie ins Wasser bringen, damit sie nicht sterben. Mein Opa lehrte mich, Grass mit einer Sichel zu mähen. Als ich ihn gefragt habe, warum müssen wir unsere Büffel aufmerksam und fürsorglich pflegen, antwortete er, ,,Diese Tiere haben auch einen Magen. Sie können sich nicht selbst versorgen, deswegen müssen wir ihnen helfen.“

               Das Wort meines Opas hat mir geholfen, die Aussage der Bibel zu verstehen, dass Gott der gute Hirte ist. Der 23.Psalm ist das bekannteste Beispiel dazu, wie Gott mit väterlich- königlicher Fürsorge seine Liebe und Barmherzigkeit zeigt. In der kirchlichen Tradition werden viele Lieder zu diesem Psalm von Komponisten komponiert. Große Namen wie Händel, Schubert und Dvorak brachten ihren Glauben und ihre Fantasie in wunderschönen Melodien und Gedichten zum Ausdruck, dass Gott ein fürsorglicher Hirte ist. G.F Händel drückt den Glauben in einer schönen Lyric in seinem Messias Oratorium aus, er verfasste das Gedicht:

               Er weidet seine Herde wie ein Hirte, und sammelt die Lämmer gar sanft in seinem Arm. Er trägt sie liebend an dem Herzen und leitet die Schwachen mit milder Hand.

               Im Kirchenkalender ist der zweite Sonntag nach Ostern „Misericordias Domini“ genannt, der Satz ist vom Psalm 33, 5 abgeleitet, deswegen erklingen im Wochenspruch Jesu Worte, als er sagte: „Ich bin der gute Hirte. Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben.“ Mit diesem Spruch ist die Botschaft klar, dass wir Gott wert sind und er hat eine persönliche Beziehung mit jedem von uns. Aber wer sind Gottes Schafe? Um eine Antwort zu haben, lass uns die Aussage von Hagar im 1 Mose 16, 6-13, lesen,  damit wir erkennen, dass Gott seine Liebe nicht nur guten Menschen anbietet sondern auch den anderen, die wir nicht dazu gerechnet haben. Gott machte Hagar zu einer Glaubenszeugin, mit der Gott den herrschenden Abram und Sarai lehrte.

               …Da demütigte Sarai sie, sodass sie vor ihr floh. 7 Aber der Engel des HERRN fand sie bei einer Wasserquelle in der Wüste, nämlich bei der Quelle am Wege nach Schur. 8 Der sprach zu ihr: Hagar, Sarais Magd, wo kommst du her und wo willst du hin? Sie sprach: Ich bin von Sarai, meiner Herrin, geflohen. 9 Und der Engel des HERRN sprach zu ihr: Kehre wieder um zu deiner Herrin und demütige dich unter ihre Hand. 10 Und der Engel des HERRN sprach zu ihr: Ich will deine Nachkommen so mehren, dass sie der großen Menge wegen nicht gezählt werden können. 11 Weiter sprach der Engel des HERRN zu ihr: Siehe, du bist schwanger geworden und wirst einen Sohn gebären, dessen Namen sollst du Ismael nennen; denn der HERR hat dein Elend erhört. 12 Er wird ein Mann wie ein Wildesel sein; seine Hand wider jedermann und jedermanns Hand wider ihn, und er wird sich all seinen Brüdern vor die Nase setzen. 13 Und sie nannte den Namen des HERRN, der mit ihr redete: Du bist ein Gott, der mich sieht

               Dieser Text war der Text für die Jahreslosung vom 2023, und das Motto war: Du bist der Gott, der mich sieht. Dieser Spruch stammt aus dem Munde von Hagar, Sarais Sklavin, die wegen ihrer Herrin in die Wüste wandern musste. Zuerst war sie als eine gute Lösung für das kinderlose Paar Abram-Sarai gesehen worden. Aber danach wurde sie ein großes Problem für die Herrin; für Sarai war Hagars Überheblichkeit unerträglich, so, als hätte Hagar sie aus dem Hause des Abram vertreiben wollen, weil sie einen Erben für Abram gebären wird.

               Als Sklavin und Ausländerin hatte Hagar keine andere Wahl, als aus dem Hause zu fliehen, geschweige denn ein Recht sich zu verteidigen. Sie hatte keine andere Perspektive gesehen außer dem Entfliehen. Vielleicht hatte sie vor, zu ihrem Land und Stammvolk zurück zu kehren. Sie hatte vielleicht das Gefühl, dass sie nicht mehr wert ist als ein Gegenstand, sogar vor Abram, der sie schwanger gemacht hatte. Hagar ging von dem Hause ihres Besitzers voller Enttäuschungen, Wut und Angst. Wir wissen nicht, wie sie ins Haus von Abram und Sarai gekommen ist. Vielleicht wurde sie wegen der Armut von ihren Eltern verkauft, oder sie war eine Beute, als ihr Dorf von Räubern überfallen und ausgeplündert worden war.

               Durch Hagar kann ich verstehen, wie schwer das Leben der vielen indonesischen Frauen ist, die in Malaysia, Hongkong, Taiwan, oder in  Saudi Arabien als Migranten arbeiten. Nicht selten bekamen sie schlechte Behandlung von ihren Arbeitsgebern, oder sie wurden vergewaltigt oder sogar getötet, während ihre Familien in der Heimat erwarteten, dass sie Geld überweisen können, damit sie die Medikamente der kranken Eltern oder die Schulgebühren ihrer Kinder bezahlen können. Viele dieser Frauen müssen erleben, dass die Gelder, die sie überwiesen haben, von ihrem Mann ausgegeben werden, um eine Nebenfrau zu haben. Wenn sie zu ihrem eigenen Land kommen, werden sie von den korrupten Beamten erpresst, falls sie ihnen kein Bestechungsgeld geben können. Die Geschichte von Hagar wiederholt sich noch immer in unserer Zeit, und viele Frauen müssen das gleiche Schicksal erleben, weil sie nicht in der Lage sind, ihr eigenes Leben zu beschützen.

               Zurück zu Hagar, deren Leben sich zwischen Tod und Leben befindet. Gott trat ein, um seine Liebe und seinen Plan der schutzlosen und schwachen Frau zu zeigen. Die Ägypterin, die den Gott Abrams nicht kannte, erlebte die Barmherzigkeit dieses Gottes, weil seine Liebe keine Grenzen hat. Gott ließ Hagar wissen, dass er eine gute Zukunft für sie und ihre Nachkommen hat, deshalb ermutigte Gott sie, das Risiko nochmal einzugehen, und zwar zurück zu Sarai. Hagar war gehorsam, und machte die Rückkehr, weil sie wusste, dass Gott sie nicht anlog oder betrug.

               ,,Du bist der Gott der mich sieht“ das ist das Glaubensbekenntnis eines Menschen, der am Rande seiner Grenze steht. Diese Aussage ist eine Behauptung, dass Gott wie ein Hirte wirkt, der das Wohlergehen seiner Herde sichert. Mit Hagar und allen Gläubigen können wir immer darauf hoffen, dass Gott auch aus dem schlimmsten Zustand, Gutes entstehen lassen kann und will.

               Jesus sagte, ,,Ich bin der gute Hirte“ und kurz vor seiner Himmelfahrt fügte er hinzu, „Ich bin bei dir bis zum Ende der Welt“, diese beiden Erklärungen ergänzen sich gegenseitig. Sie tragen die Bedeutung, dass wir in der schlimsten Zeit unseres Lebens nicht alleine sind, er bietet die Rettung an, weil er uns immer sieht. Gott hat keine Überwachungskamera, die uns 24 Stunden ohne Unterlass kontroliert und bewacht, er hat aber Augen, die uns sehen, mit großer Liebe und väterlicher Barmherzigkeit.

Ihr Pfarrer: Albert Purba

Abbildung : https://pixabay.com/de/photos/mann-b%C3%BCffel-strand-herde-5647507/