An(ge)dacht zum Sonntag Palmarum am 24. März 2024

Ampeln sind bei uns Alltag, auch die rot leuchtenden. Wir verlassen uns auf die Sicherheit, die durch die Regelungen der Ampeln gefördert wird. Wir wissen eben, wann wir gehen oder fahren dürfen und wann eben nicht. Eigentlich ist das hilfreich und senkt die Gefahr von Zusammenstößen und Unfällen. Gerade als Fußgänger ist man ja immer wieder darauf angewiesen, da Autos nun mal sehr viel schneller und stärker sind. Und so kennen wir alle das Ampelmännchen, wie es bei Grün geht und bei Rot steht.

Aber Ampeln gibt es ja nicht nur im Straßenverkehr, sondern auch im übertragenen Sinne. So gibt es eine Vielzahl von Ernährungsampeln. Fürs Handy gibt es zum Beispiel die Food-check-Nährwertampel. Und manche Kranken müssen sich streng nach der Diabetesampel oder ähnlichem richten. Beim Einkaufen kann die Nachhaltigkeits- oder Umweltampel helfen, die es inzwischen für fast alle Lebensmittel, Holz- und technischen Produkte gibt. Immer wieder wird uns ein „Stopp“, ein „Hier nicht gehen“ entgegengehalten. Ampeln regeln in vielerlei Hinsicht unser Leben.

Haben Sie schon mal aus dieser Erfahrung heraus probiert eine Ampel für das christliche Leben aufzustellen? Haben Sie mal versucht, in Gedanken, die Zehn Gebote und dazu die Erklärungen von Martin Luther in Ampellichter umzusetzen? Es ist spannend.

Wir können also gut eine Ampel zu Gottes Weisungen erstellen, sie vielleicht sogar als App entwickeln, aber uns mindestens danach richten. Ampeln regeln nicht nur den Verkehr, sondern auch unser Leben, ja auch unser Leben als Christinnen und Christen.

Im Gegensatz zu seinem Westkollegen, der entspannt ruhig an der Ampel steht und dabei lässig die Arme hängen lässt, hat das ostdeutsche Ampelmännchen seine Arme weit ausgebreitet. Schon als ich als Jugendlicher dies zum ersten Mal sah, war mir aufgefallen, dass so kein Mensch an der Ampel stand. Warum sollte auch jemand, der auf Grün wartet, der wartet, dass er weitergehen kann, die Arme ausbreiten?

Aber zugleich hatte ich auch schon als Jugendlicher die Assoziation, dass diese leuchtende Silhouette des roten Ampelmännchens mich an den Gekreuzigten erinnerte. Vielleicht lag es daran, dass ich in einem christlichen Elternhaus aufgewachsen bin. Aber ich weiß noch, wie witzig es ich bei meinem ersten Besuch der Ostberliner Partnergemeinde fand, dass ausgerechnet in der Deutschen Demokratischen Republik, in der die Kirchen es wirklich schwer hatten, an jeder Ampel immer und immer wieder ein Gekreuzigter aufleuchtete. Das hatten sich der Designer und die Verantwortlichen der DDR damals sicherlich nicht träumen lassen.

Mich aber hat diese Bildassoziation nicht losgelassen. Und so habe ich 2017 es einmal umgesetzt und mit einem originalem Ampelglas dieses Kreuz bauen lassen.

Hier ist das Ampelglas nun eingelassen in ein Metallkreuz. Das Ampelmännchen wird so für viele so sehr zum Gekreuzigten, dass ich schon gefragt wurde, ob die Hutkrempe nun die Dornenkrone sei.

Aber das Ampelmännchen als Christus und Christus durch das Ampelmännchen dargestellt? Geht das oder ist das dann doch unwürdig oder gar Blasphemie?

Wir haben eben ja schon darüber nachgedacht, wie Ampeln unser Leben und im übertragenen Sinne auch unser christliches Leben regeln. Die Ampel in unserem Kopf wird durch die Zehn Gebote und Gottes Weisungen geschaltet.

Aber mit dieser Ampel ist es doch, seien wir ehrlich, wie mit den Verkehrsampeln. Wir empfinden sie als gut und hilfreich, legen großen Wert darauf, dass andere sie einhalten, und gehen selbst mit einer gewissen Freiheit daran. Ich sehe ja, wann ein Auto kommt, und kann dann beurteilen, ob ich stehenbleiben muss oder trotz Rot noch schnell über die Straße eilen kann.

Und bei den Geboten lässt sich, um mal beim fünften Gebot zu bleiben, ein Mord meist vermeiden. Dass wir aber immer weder mit Werken noch mit Worten oder gar in Gedanken „unserm Nächsten an seinem Leibe keinen Schaden noch Leid tun, sondern ihm helfen und beistehen in allen Nöten“ kann wohl kaum einer für sich in Anspruch nehmen. Wir gehen allzu oft im übertragenen Sinne bei Rot.

Nur steht dann da Jesus Christus mit ausgebreiteten Armen. Er will uns aufhalten. Er versperrt den Weg wie es ein Polizist oder Sicherheitsmann tut. Er fordert uns auf, auf den falschen Wegen zu stoppen, sie nicht weiterzugehen.

Aber vor allem stoppt Jesus die Konsequenz aus diesen falschen Wegen. Denn wie das leichtfertige Überqueren einer Straße zu einem Unfall, zum Überfahren und letztlich zum Tod führen kann, führt das Leben der Sünde zur Gottesferne, also letztlich zum Tod. Und genau diese Konsequenz durchlebt Jesus. Er geht den Weg bis zum Ende, zum Ende am Kreuz. Er durchleidet die Gottesferne als Folge unserer falschen Wege. Er stirbt am Kreuz, den Schrei der Gottesverlassenheit auf den Lippen.

Neben dem Gedanken an den Gekreuzigten, habe ich bei dem roten Ost-Ampelmännchen auch noch eine zweite Assoziation: So breitet ein Mensch die Arme nicht nur aus, wenn er jemanden aufhalten will, sondern auch, wenn er einen anderen Menschen in die Arme schließen will. So stellen sich Eltern und Großeltern von weitem ihren Kindern oder Enkeln entgegen. So breiten Liebende die Arme aus, wenn der Geliebte oder die Geliebte am Horizont auftaucht. So ist die Geste, wenn Menschen laut rufen: „Komm, komm in meine Arme!“ Und wir hören das oft ungesagte oder später hinzugefügte „Denn ich liebe Dich!“ gleich mit.

Die Figur auf diesem Kreuz erstrahlt in Rot. Sicher, das ist die Farbe des Blutes, die hier dann zum blutigen Geschehen am Kreuz passt. Aber es ist doch vor allem die Farbe der Liebe, die hier den ganzen Gekreuzigten erstrahlen lässt. Es ist die Liebe, die hier uns entgegenleuchtet.

Ruft also der Gekreuzigte zu uns „Komm, komm in meine Arme! Denn ich liebe Dich!“?

Jesus Christus ist aus Liebe den Weg dieser Woche in sein Leiden gegangen. Er ist aus Liebe zu uns an das Kreuz gegangen. Die Konsequenz der Sünde musste er für sich nicht tragen. Er war als Sohn Gottes schließlich der Einzige, der ohne Sünde leben konnte. Aber er hat die Konsequenz unserer Wege, unserer Sünde auf sich genommen.

Nur ist das eben nicht sein Ende gewesen. hinter dem Kreuz erstrahlt das Licht ganz neu. In der dunkelsten Stunde seines Lebens macht Jesus Christus für uns den Weg zum Licht Gottes frei.

Das Kreuz ohne die Auferstehung, Karfreitag ohne Ostern ist das Scheitern des Lebens an der Grenze des Todes. Aber wir gehen in dieser Woche auf beides zu. Wir feiern den Karfreitag und gedenken des Sterbens Jesu am Kreuz. Und am dritten Tag danach feiern wir Ostern und freuen uns über die Auferstehung. Am Kreuz sterbend hat Jesus den Tod überwunden und uns den Weg zum Licht geöffnet.

Ampel regeln unser Leben und im übertragenen Sinne unser christliches Leben. Wir wissen, wann die Ampel auf Rot steht und wo wir nicht sündigen sollen.

Jesus Christus durchleidet die Gottesferne als Folge unserer falschen Wege und gebietet uns am Kreuz sterbend Einhalt. Aber vor allem ruft der Gekreuzigte zu uns „Komm, komm in meine Arme! Denn ich liebe Dich! Ich öffne Dir hier den Weg zum Ewigen Leben, zum Leben in der Liebe Gottes.“

Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Karwoche mit einem stillen Karfreitag, die auf ein fröhliches Osterfest zuläuft!
Ihr Pfarrer Johannes Beer

(Abbildung: Johannes Beer: Ampelkreuz, 2017, 57,5 x 38,5 cm, (Hergestellt von Frank Stranghöner, Lumenar))