An(ge)dacht zum Sonntag Judika 17.März 2024

Das Wagnis des Glaubens

“Du hast mich angelogen!” sagte die Mutter weinend, als sie den steifen Körper ihres Sohnes vor ihr liegend sah. Der Sohn hatte mehrmals zu ihr gesagt, dass er bald heiraten wird. Er hatte schon eine Geliebte gefunden, die zugesagt hatte, seine Frau zu werden. Die Mutter war überglücklich, weil ihre Traum und ihre Erwartungen wahr werden, dass das jüngste Kind ihrer Familie wie seine älteren Brüder und Schwestern eine Familie haben wird. Aber in einer Abendämmerung schlug das unerwartete Unglück diese Familie zu. Ihr Sohn wurde von einem Motorad angefahren. Er bekam eine Gehirnerschütterung, und nach einer Woche ist er im Krankenhaus gestorben. Als ein junger Pfarrer, der diese Familie kennt, konnte ich kein passendes Wort finden, um sie zu trösten.  Ich konnte verstehen, wie das Gefühl dieser alten Frau war. Die Anwesenden weinten auch und sie blieben – wie ich – auch schweigsam.

            Ein Kind ist der Schatz seiner Eltern, insbesondere wenn das Kind ein lang ersehntes Kind war.  So auch in der Familie von Abraham und Sara, sie waren schon alt, steinalt sogar, als Isaak zur Welt kam. Wie die Bedeutung seines Namens brachte Isaak seinen Eltern viel Glück, deswegen konnten sie nach langem Warten lachen und lächeln. Aber eines Tages kam der Befehl von Gott, dass der Vater seinen Sohn opfern muss. Gott wollte diesen Junge als Brandopfer haben. Das klingt grausam und unfair; das Versprechen und der Befehl bilden zusammen ein Widerspruch. Warum hat er Ihnen diesen Schatz gegeben, um seinen Anbeter unter Druck zu setzen? Was hat Sara gesagt, als Abraham ihr diese Nachricht bekannt gegeben hat? Die erste Reaktion war, dass sie weinte, das ist aber normal.

            Im 1 Buchmose 22,1-14, der als Predigttext des Sonntages Judika gilt, lesen wir diese Erzählung:

1 Nach diesen Geschichten versuchte Gott Abraham und sprach zu ihm: Abraham! Und er antwortete: Hier bin ich. 2 Und er sprach: Nimm Isaak, deinen einzigen Sohn, den du lieb hast, und geh hin in das Land Morija und opfere ihn dort zum Brandopfer auf einem Berge, den ich dir sagen werde. 3 Da stand Abraham früh am Morgen auf und gürtete seinen Esel und nahm mit sich zwei Knechte und seinen Sohn Isaak und spaltete Holz zum Brandopfer, machte sich auf und ging hin an den Ort, von dem ihm Gott gesagt hatte. 4 Am dritten Tage hob Abraham seine Augen auf und sah die Stätte von ferne. 5 Und Abraham sprach zu seinen Knechten: Bleibt ihr hier mit dem Esel. Ich und der Knabe wollen dorthin gehen, und wenn wir angebetet haben, wollen wir wieder zu euch kommen. 6 Und Abraham nahm das Holz zum Brandopfer und legte es auf seinen Sohn Isaak. Er aber nahm das Feuer und das Messer in seine Hand; und gingen die beiden miteinander. 7 Da sprach Isaak zu seinem Vater Abraham: Mein Vater! Abraham antwortete: Hier bin ich, mein Sohn. Und er sprach: Siehe, hier ist Feuer und Holz; wo ist aber das Schaf zum Brandopfer? 8 Abraham antwortete: Mein Sohn, Gott wird sich ersehen ein Schaf zum Brandopfer. Und gingen die beiden miteinander. 9 Und als sie an die Stätte kamen, die ihm Gott gesagt hatte, baute Abraham dort einen Altar und legte das Holz darauf und band seinen Sohn Isaak, legte ihn auf den Altar oben auf das Holz 10 und reckte seine Hand aus und fasste das Messer, dass er seinen Sohn schlachtete. 11 Da rief ihn der Engel des HERRN vom Himmel und sprach: Abraham! Abraham! Er antwortete: Hier bin ich. 12 Er sprach: Lege deine Hand nicht an den Knaben und tu ihm nichts; denn nun weiß ich, dass du Gott fürchtest und hast deines einzigen Sohnes nicht verschont um meinetwillen. 13 Da hob Abraham seine Augen auf und sah einen Widder hinter sich im Gestrüpp mit seinen Hörnern hängen und ging hin und nahm den Widder und opferte ihn zum Brandopfer an seines Sohnes statt. 14 Und Abraham nannte die Stätte »Der HERR sieht«. Daher man noch heute sagt: Auf dem Berge, da der HERR sich sehen lässt. 15 Und der Engel des HERRN rief Abraham abermals vom Himmel her 16 und sprach: Ich habe bei mir selbst geschworen, spricht der HERR: Weil du solches getan hast und hast deines einzigen Sohnes nicht verschont, 17 will ich dich segnen und deine Nachkommen mehren wie die Sterne am Himmel und wie den Sand am Ufer des Meeres, und deine Nachkommen sollen die Tore ihrer Feinde besitzen; 18 und durch deine Nachkommen sollen alle Völker auf Erden gesegnet werden, weil du meiner Stimme gehorcht hast. 19 So kehrte Abraham zurück zu seinen Knechten. Und sie machten sich auf und zogen miteinander nach Beerscheba und Abraham blieb daselbst.

            Anstatt zu Widersprechen oder eine Auseinandersetzung mit Gott zu  haben, hat Abraham auf Gottes Anfrage geantwortet, „hier bin ich!“ Er war ein gehorsamer Anbeter, weil er wusste, dass Gott sein Versprechen halten wird. Er hat ihm versprochen, dass seine Nahkommen wie Sterne am Himmel mehren werden. Aber was soll das bedeuten, wenn der versprechende Gott, sein einzelnes Kind als Brandopfer haben will. Laut unserer modernen Perspektive hat Gott die Grenze überschritten, oder vielleicht  sagt man, dass Abraham eine Wahn oder Besessenheit hatte. Aber für  die Menschen zur Zeit von Abraham und Sara war das ein normaler Gebrauch, deswegen konnten sie den Befehl gehorchen. In dieser Geschichte ist Ethik, in Sinne unserer modernen Perspektive nicht die Rede. Als normale Menschen waren sie bestimmt traurig, dass sie mit ihrem Kind durch so eine unnormale Weise Abschied nehmen müssen. Aber ihr Glaube gab ihnen Kraft und obwohl es schwierig war, waren sie bereit, Hingabe des Liebsten auszuführen .

            Der dänische Philospoh Sören Kierkegaard hat eine Interpretation über Abrahams Glauben und Aktion geschrieben, er sagte:

Abraham bestieg den Esel, er ritt langsam den Weg dahin. Während der ganzen Zeit glaubte er; er glaubte, dass Gott nicht Isaak von ihm fordern wollte, während er doch willig war, ihn zu opfern, wenn es verlangt würde. Er glaubte kraft des Absurden; denn von menschlicher Berechnung konnte da nicht die Rede sein, und das war ja das Absurde, dass Gott, als er das von forderte, im nächsten Augenblick die Forderung widerrufen sollte. Er bestieg den Berg, und noch in dem Augenblick, als das Messer blitzte, glaubte er – dass Gott Isaak nicht fordern werde.“  (https://www.deutschlandfunk.de/soren-kierkegaard-der-glaube-beginnt-gerade-da-wo-das-100.html)

Wer an Gott Glauben hat, muss aber Risiko eingehen, weil Gott nicht berechenbar ist. Er ist anders als man denkt, und wenn man ihn versucht, zu definieren oder in einer Formell zusammen zufassen, auf Anhieb scheitert man, weil das Versuchen, Gott richtig und genau zu beschreiben, immer ein Versagen ist. Er entzieht sich allen unseren Vorstellungen, und Mann kann nur hoffen und beten. Ist Gott ungerecht? Doch, er ist gerecht und barmherzig, deswegen sandte er Jesus zu dieser Welt und er musste einen harten Leidensweg einschlagen. Passionszeit und Ostern sind auch absurd und sie fordern den Verstand heraus, aber Gottes Plan bringt unsere Vernunft und Vorstelungskraft zum Schweigen, denoch können wir dadurch zu ihm rufen:

Judica me, Deus, et discerne causam meam de gente non sancta” (Psalm 43,1) die Übersetzung im Deutsch lautet: Schaffe mir Recht, Gott, und führe meine Sache wider das treulose Volk und errette mich von den falschen und bösen Leuten!

In der Graumsamkeit, Ungerechtigkeit oder Absurdität des Lebens und Todes, oder der Katastrophen und der Krisen und des Krieges wirkt Gott und er ist anwesend, deswegen können wir an ihn glauben, und wie Dietrich Bonhoeffer bekennen wir: Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will.

Das ist die Botschaft des heutigen Sonntages, der sogenannte: Judika!

Ihr Pfarrer Albert Purba

Abbildung : https://pixabay.com/de/vectors/abraham-opfern-isaac-ishmael-sohn-5575498/