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Liebe Leserin und lieber Leser!
Das Evangelium für diesen Sonntag handelt vom Hungerhaben und Sattwerden. Diese bekannte Geschichte von den fünf Broten und zwei Fischen steht im Johannesevangelium, Kapitel 6:
3 Jesus ging auf einen Berg und setzte sich dort mit seinen Jüngern. (…) 5 Er hob seine Augen auf und sieht, dass viel Volk zu ihm kommt, und spricht zu Philippus: Wo kaufen wir Brot, damit diese zu essen haben? 6 Das sagte er aber, um ihn zu prüfen; denn er wusste wohl, was er tun wollte. 7 Philippus antwortete ihm: Für zweihundert Silbergroschen Brot ist nicht genug für sie, dass jeder ein wenig bekomme. 8 Spricht zu ihm einer seiner Jünger, Andreas, der Bruder des Simon Petrus: 9 Es ist ein Kind hier, das hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische; aber was ist das für so viele? 10 Jesus aber sprach: Lasst die Leute sich lagern. Es war aber viel Gras an dem Ort. Da lagerten sich etwa fünftausend Menschen. 11 Jesus aber nahm die Brote, dankte und gab sie denen, die sich gelagert hatten; desgleichen auch von den Fischen, soviel sie wollten. 12 Als sie aber satt waren, sprach er zu seinen Jüngern: Sammelt die übrigen Brocken, damit nichts umkommt. 13 Da sammelten sie und füllten von den fünf Gerstenbroten zwölf Körbe mit Brocken, die denen übrig blieben, die gespeist worden waren.
Die Geschichte fängt damit an, dass Jesus etwas sieht. Er sieht den Hunger der Menschen. Er sieht mit dem Herzen und hat Mitleid mit ihnen. Wir müssen davon ausgehen, dass die, die ihm nachfolgten, zu den sozial Schwachen gehören, zu den 90% (!) der Bevölkerung, die zur Zeit Jesu an der Armutsgrenze leben und nun etwas von Jesus erwarten. Doch die Hilfsmittel, die Jesus zur Verfügung stehen, sind verschwindend gering: fünf Brote und zwei Fische. Gerade mal so viel, wie dieses Kind auf seinen Armen tragen kann und was es Jesus gibt, Vers 9. In Jesu Händen wird das Wenige dann auf wunderbare Weise viel.
Auch heute mögen die Hilfsmittel der Kirche verschwindend gering sein, um den vielfältigen Hunger in der Welt zu stillen. Und trotzdem gilt: Das, was wir geben – mag es auf’s Ganze gesehen auch wenig sein – es verändert dennoch die Welt. Weil es vom Herzen kommt. Unsere Kollekten z.B., die ideelle Verbundenheit und die Solidarität mit den Betroffenen, für die wir sammeln. Das verändert das Gesicht der Welt. Überall ein bisschen.
Jesus erwartet von den Leuten nichts anderes als einen Akt des Vertrauens. Er fordert sie auf, sich zu setzen. Sich hinsetzen ist ein Zeichen für Gemeinschaft, für Gastlichkeit und Geselligkeit. Daraus entsteht Nähe. Das gehört zu den alltäglichen Konventionen.
Die 5.000 setzen sich und sind Jesu Gäste. Sie vertrauen und überlassen sich ihm.
Als man dann beginnt, die Brote und Fische untereinander herumzureichen, als jede*r seinen und ihren Anteil bekommt und sogar noch eine Menge übrig bleibt, da ist möglicherweise niemand mehr erstaunt. Denn das eigentliche Wunder findet bereits vorher statt. Das Wunder des Vertrauens und des Glaubens.
Indem die Leute sich darauf einlassen, was Jesus an ihnen tut; indem sie sich setzen und still werden, da ist die Voraussetzung geschaffen, dass das nachfolgende Wunder überhaupt wirksam wird.
Das griechische Wort heißt an dieser Stelle: Die Menschen sollen sich lagern, sich zu Tische legen. Sie sollen sich zum Essen bereit machen! So sicher ist sich Jesus, dass am Ende alle satt werden.
Fünf Brote und zwei Fische – viele Bibelausleger haben gerätselt, ob überirdische magische Kräfte das Wunder bewirkt haben. Aber davon steht nichts in unserer Geschichte. Vielmehr geht es hier ganz irdisch zu: „Jesus nahm die Brote, dankte und gab sie denen, die sich gelagert hatten; desgleichen auch von den Fischen, soviel sie wollten“ erzählt Johannes (V 11). Mehr nicht. So macht er es uns vor. Beides gehört zusammen: Das Brot nehmen und dafür danken, es brechen und teilen – das macht die Menschen satt! Das Wunder scheint etwas Alltägliches zu sein. Dass das Brot ein Mittel zum Leben ist – ein Lebensmittel. Und dann kommt es auf die Haltung an, die wir dem täglichen Brot gegenüber einnehmen. Menschen aus der älteren Generation, die den Krieg und die Nachkriegszeit erlebt und die selber einmal Hunger gelitten haben, die können das am besten nachvollziehen: Es ist etwas Besonderes, sein tägliches Brot zu haben. Das tägliche Brot, von Gott gegeben.
Gut, wenn wir nicht einfach darüber hinweggehen! Gut, wenn wir dieses Besondere wertschätzen und dankbar sind für alles, was uns satt macht. Denn wir sind und bleiben Bedürftige.
So wie wir mit dem Brot sorgfältig umgehen, so sollen wir auch unsere Mitmenschen behandeln, hier und überall in der Welt: Indem wir sie mit Respekt und Achtung behandeln. Indem wir die vorhandenen Güter teilen. Solange es mit dem Brotbrechen und mit einer gerechten Lebensmittelverteilung weltweit nicht gelingt, solange werden immer Menschen am Rande stehen. Solange wird es immer Armut geben und eine Spaltung zwischen sog. Dritter Welt und Erster Welt.
Fünf Brote und zwei Fische. Und alle werden satt! Es klingt so einfach, was Jesus hier macht. Er lässt die Menschen sich lagern und dadurch entsteht Gemeinschaft. Die 5.000 rücken zusammen, kommen sich näher und dadurch entsteht der Blick für die Bedürfnisse des anderen.
Wenn die Menschen sich so wie in dieser Geschichte verhalten, dann passieren erstaunliche Dinge in der Welt!
Niemand muss befürchten zu kurz zu kommen. Denn bei Jesus gibt es keinen Mangel, sondern Überfluss. Zwölf Körbe voller Brotreste werden am Schluss eingesammelt. Die 12 ist in der Bibel die symbolische Zahl für Fülle.
Dennoch gibt es die traurige Wirklichkeit: Auch heute, auch morgen, auch übermorgen werden irgendwo in der Welt Menschen verhungern. Dabei ist es im Prinzip so einfach, was Jesus uns vormacht, um Abhilfe zu schaffen. Lasst uns deshalb an dieser Vision festhalten: Die Speisung der 5.000 ist und bleibt Evangelium für die Armen und für die Reichen!
Möge dieser Geist der Gemeinschaft uns als Gemeinde begleiten. Auf dass der Wunsch in Erfüllung geht, der in dem folgenden Gesangbuch-Liedvers so ausgedrückt wird:
„Wenn wir in Frieden beieinander wohnten,
Gebeugte stärkten und die Schwachen schonten,
dann würden wir den letzten heilgen Willen des Herrn erfüllen.“ EG 221, 2
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten, sonnigen Sonntag
Andreas Smidt-Schellong