An(ge)dacht zum 21. Sonntag nach Trinitatis am 24.10.2021

So spricht der Herr Zebaoth, der Gott Israels, zu den Weggeführten, die ich von Jerusalem nach Babel habe wegführen lassen: „Baut Häuser und wohnt darin; pflanzt Gärten und esst ihre Früchte; nehmt euch Frauen und zeugt Söhne und Töchter, nehmt für eure Söhne Frauen und gebt eure Töchter Männern, dass sie Söhne und Töchter gebären; mehrt euch dort, dass ihr nicht weniger werdet. Suchet der Stadt Bestes, dahin ich euch habe wegführen lassen, und betet für sie zum Herrn; denn wenn’s ihr wohlgeht, so geht’s auch euch wohl.“ (Jeremia 29,4-7)

Wenn man die Probleme der Politik und die großen Schwierigkeiten sieht, hat man manchmal keine Lust mehr, sich als Christin oder Christ zu engagieren. Nehmen wir nur die aktuelle Debatte um die Begrenzungsversuche des Flüchtlingsstroms. Alle klar denkenden Politikerinnen und Politiker wissen zum Beispiel, dass an den Außengrenzen Europas nicht mit brutaler Gewalt, die allen Menschenrechten widerspricht, der Zugang verhindert werden kann und darf. Und genauso gut wissen wir doch, dass die lebensbedrohende Not, die die Menschen zur Flucht treibt, nicht durch Stacheldraht und Grenzbefestigungen bekämpft werden.
Und wir wissen, dass vor allem den Menschen, die uns als Nächste aufgegeben sind, so nicht geholfen wird, sondern sie in die Verzweiflung und zum Teil in den Tod gestürzt werden. Ich weiß auch, dass es Menschen gibt, die das Asylrecht ausnutzen, aber viele die jetzt auf dem Weg sind, treibt die blanke Not.

Ich weiß auch, dass die Aufnahme vieler Asylsuchender bei uns eine schwere und kaum zu lösende Aufgabe ist, aber Abschottung und den Kopf in den Sand stecken, ist doch erst recht keine Lösung.

Und in dieser Welt steht unsere Gemeinde. Eine kleine Gruppe ist es nur verglichen mit allen Menschen und mit allen Problemen. Aber diese Ängste und Probleme machen nicht vor der Gemeinde halt.

Ist das eine christliche Welt für die wir als Christinnen und Christen uns engagieren wollen?

In dieser Situation erreicht uns Gottes Wort. Trotz allen Belastungen hat Gott die Welt nicht verlassen. Er ist da und ruft uns zu, uns ebenfalls auf die Welt einzulassen.

Wir sind in der Welt und bleiben in der Welt, wie sie auch ist, aber wir sollen und können in der Welt leben. Wir sollen uns in der Welt einrichten und wohl fühlen.

Aber dabei kann es niemandem besser gehen als es der Welt geht. Wenn es ihr gut geht, geht es auch uns gut. Wir leben in der Welt, die unser Lebensraum ist. Daraus können und sollen wir uns nicht zurückziehen. Wer Häuser baut und Gärten anlegt, bekommt es mit der Welt zu tun. Er untersteht den Gesetzen und Regeln des täglichen Lebens. Er wird verwaltet und regiert. Daraus kann sich keiner von uns, auch kein Christ zurückziehen.

In dieser Situation erreicht uns Gottes Wort. Er ruft uns zu: Suchet der Stadt Bestes! Eine klare Aufforderung, die kein „Wenn“ und „Aber“, keinen Widerspruch zulässt. „Suchet“ gibt dabei den hebräischen Begriff eigentlich zu schwach wieder. „Strebet“ oder „trachtet“ umfassen heute schon eher dieses rastlose aufgeregte Suchen. Unaufhörlich sollen wir nach dem Besten Ausschau halten und das Beste herbeischaffen. Für das Beste gibt es keine Einschränkung. Der hebräische Begriff „Schalom“, der an dieser Stelle steht, umfasst einfach alles Gute: Friede und Wohlergehen, Überfluss an allen Gütern und das Fernsein jeden Mangels.

Wir sollen uns für diese schlechte und feindliche Welt einsetzen. Die Aufgaben und Probleme dieser Welt, in der wir leben, sind unsere Probleme. Gott hat sie zu unseren Problemen gemacht. Die Trennung in eine christliche Gemeinschaft und in die feindliche Stadt, das feindliche Land, die feindliche Welt wird von Gott aufgehoben.

Wenn wir dann in der Welt und für die Welt leben, schafft das Perspektiven? Können Menschen die Zukunft garantieren? Jeder hat nur wenig Macht, etwas zu ändern. Viele haben schon mehr Macht, aber auch sie sind oft hilflos. Menschen, mit all ihren Fehlern, versagen oft genug in der Welt und bringen so Leid.

In dieser Situation erreicht uns Gottes Wort. Er ruft uns zu: Betet! Betet für die Stadt zum Herrn! Wiederum ist dies eine Aufforderung, die kein „Wenn“ und „Aber“ und keinen Widerspruch zulässt. Die Fürbitte ist ein Gebet im Auftrage Gottes. Fürbitte sollen wir für alle leisten, für Freunde und Verwandte, für Mitchristen, aber auch für Außenstehende, für Feinde und Unterdrücker. Wir sollen nicht gegen sie beten, sondern für sie. So wie wir uns für ihr Bestes einzusetzen haben, sind wir aufgefordert für sie zu beten – zum Besten.

Neben der Aufforderung zum Gebet, steht bei Jeremia im weiteren Text eine Zusage, eine Zusage wie sie ganz ähnlich auch das Neue Testament enthält. Gott wird hören. Wenn wir beten, erreichen wir ihn. Er lässt sich finden. Wir dürfen uns an ihn wenden, da er sich uns zugewandt hat. Natürlich ist das nichts, was man nebenbei machen kann, sondern nur von ganzem Herzen. Nur dann finden wir Gott wirklich. Aber mehr noch sagt Gott zu: Ich will euch erhören! Nicht nur hören, anhören, sondern erhören. Unser Gebet bewirkt etwas. Gott nimmt es an und erfüllt es: Gott fordert uns auf zu beten und sagt uns gleichzeitig die Erhörung zu. Natürlich ist die Gebetserfüllung keine prompte Tat Gottes nach unseren Vorstellungen. Das Gebet ist kein Mittel, Gott zu bestimmten Handlungen zu zwingen. Dann wäre Beten Zauberei. Beten ist aber Bitten, das unter die dritte Bitte des Vaterunsers gestellt ist: Dein Wille geschehe! Zwar erfüllt Gott unsere Bitten aber manchmal ganz anders, als wir es erwarten. Manchmal erkennen wir erst viel später Gottes Reaktion auf eine Fürbitte. Manchmal erkennen wir sie gar nicht. Dennoch bleibt Gottes feste Zusage: Ich will euch erhören. Also lasst uns beten für Freiheit, Frieden und gerechte Nahrungsmittelverteilung. Lasst uns alle Probleme dieser Welt, die kleinen und die großen vor Gott bringen. Lasst uns einzeln und in Gruppen und in der Gemeinschaft der Gemeinde beten, denn Gott will es. Gott ist für uns da. Gott erhört uns.

Erfüllen wir also Gottes Auftrag in der Gewissheit seiner Heilszusage. Leben wir in der Welt! Leben wir für die Welt! Beten wir für die Welt!

Ich wünsche Ihnen viel Kraft und Gottes Segen dafür!
Ihr Pfarrer Johannes Beer