An(ge)dacht zum 14.Sonntag nach Trinitatis am 05.09.2021

von Pfr.Albert Purba.

Lobe den HERRN, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat (Psalm 103,2)

Als ich als Gemeindepastor in Jakarta arbeitete, habe ich jeden Morgen zuerst im Mitgliederbuch der Gemeinde nachgesehen, wer an diesem Tag Geburtstag hat, dazu gehörten auch Geburtstage der Kinder, oder die, die ihren Hochzeitstag feierten. Dann habe ich ihnen meine Glückwünsche gesandt. Ich konnte sie zu Hause nicht besuchen, da es wegen der Entfernungsprobleme nicht möglich war und weil die Straßen sehr verstopft waren. An einem Tag können zwei oder drei Personen Geburtstag haben und mehr, die ihren Hochzeitstag feiern. Sie freuen sich sehr über die Grüße, auch in Form von SMS in Whatsapp-Gruppen oder Telefonanrufen. Und wenn ich es (meist wegen der hohen Arbeitsbelastung) vergesse, ist die Gemeinde traurig, weil sie denkt, dass sie mir egal jst.

            Ich vergaß unabsichtlich, damals war ich auf Dienstreise, den Geburtstag eines Kindes. Es hat geweint, weil ich nicht daran gedacht habe. Seine Mutter rief mich an, und bat mich, ihr Kind anzurufen und mit ihm zu sprechen und zu begrüßen. Ich rief es an und begrüßte das Kind, und als wir uns in der Kirche getroffen haben, umarmte ich es. Ich war froh, nachdem ich das Kind lächeln gesehen hatte. Zum Glück ist unsere Beziehung wegen dieses Ereignisses nicht zerstört, sondern sogar noch vertieft.

            Im Hebräischen hat das Wort „vergessen“ eine viel tiefere Bedeutung. Es hat die Bedeutung von „etwas aus seinem Besitz verlieren, – als hätte man es nie besessen.“[1] Das Erinnern ist ein Zeichen, dass uns ein Ding, Datum oder Erreignis wichtig ist. Wir möchten, dass wir etwas wichtiges nicht verlieren. Wenn der Psalm uns daran erinnert, Gottes Güte nicht zu vergessen, bedeutet dass, dass wir mit ihm eine lebendige Beziehung haben. Wie können wir diese lebendige Beziehung mit Gott haben und aufbauen? Der Psalm hat uns eine Antwort gegeben, und zwar durch loben und preisen seinens heiligen Namens. Gott zu loben und anzubeten ist ein Merkmal der Sehnsucht nach ihm.

            Der Psalmist warnt die Gläubigen davor, an historischer Amnesie zu leiden. Die Erinnerung an die Geschichte, insbesondere an die Ereignisse, als wir geistliche Erfahrungen machten, ist wichtig, um Glauben aufzubauen und unsere Beziehung zu Gott zu stärken. Die Kritik der Propheten im Alten Testament gegen die Israeliten und ihre Führer war, weil sie die Liebe und Güte Gottes vergessen hatten, der sie aus der Sklaverei befreite und ihnen Freiheit gab. Als die Israeliten Gottes Güte vergaßen, übernahmen sie die Lebensweise und religiösen Praktiken der umliegenden Nationen, die oft unanständige Rituale durchführten. Das Erinnern an Gottes Güte ist ein spirituelles Instrument, um den Glauben gesund und stark zu halten.

            Was bedeutet Gottes Güte inmitten dieser Zeiten, insbesondere zu denen, die von Covid-19, oder von dem Hochwasser in unserem Land betroffen sind? Ich habe nicht die richtige Antwort gefunden. Ich bin aber auch fest davon überzeugt, dass Gottes Güte nicht nur zum Nachdenken und zur Selbsterfahrung dient. Gottes Güte muss eine gemeinsame Erfahrung sein. Gottes Güte wird für andere offensichtlich sein, wenn wir anwesend sind, um für sie gute Menschen zu sein. Gutes ist an sich nicht gut, wenn man es für sich allein genießt. Aber indem wir das Gute teilen, vertiefen wir gleichzeitig seine Bedeutung und verstärken damit seine Wirksamkeit. Gottes Güte allein zu genießen ist, wie Narziss in der griechischen Mythologie, der in sich selbst verliebt ist und sein eigenes Gesicht bewundert, damit isoliert er sich von anderen, die ihn lieben.

               Gott ist gut und er ist unser Schöpfer, Vater oder Mutter sogar Freund, der im Sommer wie die Fülle und Wärme des Sonnenlichts, so wie im Herbst wo die Dunkelheit früher kommt, immer mit uns ist. Gibt es einen Grund, Gott nicht zu preisen? Eigentlich nein! Wir wissen nicht, was später und morgen, übermorgen oder nächste Woche passieren wird. Aber lasst uns glauben, dass Gott gut ist, dann rufen wir in unserer Seele aus: „Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.“ Amen.


[1] https://www.predigtpreis.de/predigtdatenbank/predigt/article/predigt-ueber-psalm-1032.html

Bild: @Pixabay chor singen