An(ge)dacht zum 9. Sonntag nach Trinitatis, 1.8.21

Jesus sprach zu ihnen: »Das Himmelreich gleicht einem Schatz, der im Acker vergraben ist: Ein Mann entdeckte ihn und vergrub ihn wieder. Voller Freude ging er los und verkaufte alles, was er hatte. Dann kaufte er diesen Acker.

Ebenso gleicht das Himmelreich einem Kaufmann: Der war auf der Suche nach schönen Perlen. Er entdeckte eine besonders wertvolle Perle. Da ging er los und verkaufte alles, was er hatte. Dann kaufte er diese Perle.«

            – Mt 13,44–46, BasisBibel

Eigentlich wollte Jesus nur einen ruhigen Tag am Wasser haben – das zumindest berichten die ersten Verse des 13. Kapitels aus dem Matthäusevangelium. Ein wenig die Füße ins Wasser halten, die Sonne genießen – sowas halt. Doch dann versammelte sich eine große Menge um ihn, wollte etwas hören, von der neuen Welt, die er immer wieder predigt. Und Jesus begab sich aufs Wasser – und erzählte Märchen.

Kann man jedenfalls im ersten Moment denken, wenn man die blumigen Worte ließt, die er den Leuten erzählte: Es geht um einen Schatz im Acker, um die perfekte Perle – um makellose Happy Ends und glückliche Zufälle, an deren Ende alle glückselig bis an ihr Ende leben.

Wenn Jesus in Gleichnissen spricht, wie hier, dann sagte er niemals: „Das ist genau so passiert!“ – vielmehr sind es Worte, Bilder und Geschichten, die schwierig zu erklärende und noch schwieriger zu verstehende Dinge greifbar machen sollen – wie das Himmelreich, um das es hier geht. Oder zumindest zu gehen scheint, denn interessanterweise sagt Jesus hier nicht, was das Himmelreich eigentlich ist, sondern nur, wie es sich mit dem Menschen und ihm verhält.

Allgemein wird dieser Text immer als Hinweis darauf verstanden, wie unglaublich kostbar das Himmelreich ist; wie ein vergrabener Schatz, wie eine perfekte Perle – auf jeden Fall viel kostbarer als aller weltlicher Besitz. Und auch wenn ich das nicht bestreiten würde, glaube ich doch irgendwie nicht, dass Jesus den Menschen, die sich an diesem Tag am See um ihn versammelten, diese Gleichnisse erzählte, weil er sagen wollte: „So kostbar ist das Himmelreich!“ Sondern vielmehr ging es ihm um Entscheidungen – und Verzicht.

Wir alle sind die Summe unserer Entscheidungen. Das, was wir jeden Tag entscheiden zu tun oder zu lassen – und all das, was wir in den vielen zurückliegenden Tagen unseres Lebens entschieden haben – definiert, wer jede und jeder von uns als Mensch ist. Eine Binsenweisheit, zugegeben – aber doch auch eine, über die viele selten nachdenken. Und dann gibt es noch die andere Seite an jeder Enstcheidung: Den Verzicht. Denn jede Entscheidung für eine Sache, ist auch gleichzeitig eine Entscheidung gegen die Alternativen.

Wenn ich mich entscheide, Maschinenbau zu studieren, kann ich nicht gleichzeitg Medizin studieren. Entscheide ich mich, Jurist zu werden, kann ich nicht gleichzeitig als Förster arbeiten, entscheide ich mich, diese Frau zu heiraten, kann ich mit keiner anderen verheiratet sein (jedenfalls nach unserem Recht und Eheverständnis), nenne ich mein Kind Felix, kann ich es nicht Max nennen – und so weiter und so fort. Vor allem die wichtigen Entscheidungen unseres Lebens sind Entweder-Oder-Entscheidungen, bei denen es um das Einschlagen eines bestimmten Weges geht – mit gewaltiger Konsequenz, und ohne die Möglichkeit eines Mittelweges. Wie in den Gleichnissen: Beide, der Mensch mit dem Acker wie auch der Kaufmann, trennten sich von allem, was sie hatten – nur um den Acker mit dem Schatz und die Perle erwerben zu können. Sie mussten sich entscheiden, was wichtiger ist – ihr Besitz, oder der Acker/die Perle – sie entschieden sich, auf ihren Besitz zu verzichten, zugunsten ihrer Schätze. Beides gleichzeitig ging nicht.

Ich glaube, Jesus erzählte diese Gleichnisse, weil es schon damals Menschen gab, die genau darin nicht besonders gut waren: Entweder-Oder-Entscheidungen treffen. Sondern die stets vor den Konsequenzen einer solchen Entscheidung reißaus nehmen, und sich lieber in Kompromissen ergehen – die versuchen, es allen recht zu machen, und dabei meist niemanden glücklich machen, sich selbst eingeschlossen.

Dabei ist an Kompromissen erstmal nichts verkehrtes, im Gegenteil; Kompromisslosigkeit ist häufig ein Zeichen fehlender Barmherzigkeit. Aber es gibt Grenzen.

Wenn es um die wirklich wichtigen Sachen im Leben geht – wie das Himmelreich etwa – dann gibt es keine halben Sachen, keine Kompromisse. Sondern weil es wertvoller als alles andere ist, muss es das auch für uns sein. Schwierig, ich weiß – es gibt schließlich so viele andere Sachen, die an uns zerren.

Aber: Bei den Sachen, die wirklich wichtig sind, muss man sich entscheiden – mit seiner Entscheidung leben, und dafür andere Dinge aufgeben. Das ist das, wovon die Geschichte handelt: Der Kaufmann und der Mensch gaben alles auf, für den Acker mit dem Schatz und die eine Perle. Sie folgten einem Traum, und opferten, was sie daran hinderte, ihn zu erreichen.

Für die Menschen in den Gleichnissen war das ein großes Wagnis. Viel hätte schief gehen können – aber so ist es manchmal, und alles was es dann braucht, ist der Mut. Mut, etwas zu riskieren, für das, was man selbst als wertvoll erachtet. Mut, etwas zu riskieren, für das, was wir aus tiefstem Herzen für richtig und wahr betrachten. Mut, etwas zu riskieren, für das, ohne das wir nicht leben können.

Wenn wir das tun, was könnten wir dann alles erreichen?

Das Himmelreich. Und nichts weniger als das.

Eine gesegnete Sommerzeit!

          Ihr Pfarrer Simon Hillebrecht