An(ge)dacht zum Taufgedächtnissonntag am 11.7.2021

HERR, du erforschest mich und kennest mich. Ich sitze oder stehe auf, so weißt du es; du verstehst meine Gedanken von ferne. Ich gehe oder liege, so bist du um mich und siehst alle meine Wege. Denn siehe, es ist kein Wort auf meiner Zunge, das du, HERR, nicht alles wüsstest. Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir. Diese Erkenntnis ist mir zu wunderbar und zu hoch, ich kann sie nicht begreifen. Wohin soll ich gehen vor deinem Geist, und wohin soll ich fliehen vor deinem Angesicht? Führe ich gen Himmel, so bist du da; bettete ich mich bei den Toten, siehe, so bist du auch da. Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer, so würde auch dort deine Hand mich führen und deine Rechte mich halten. Spräche ich: Finsternis möge mich decken und Nacht statt Licht um mich sein –, so wäre auch Finsternis nicht finster bei dir, und die Nacht leuchtete wie der Tag. Finsternis ist wie das Licht. (Psalm 139,1-12)

Was bedeutet Ihnen eigentlich Ihre Taufe?

Martin Luther hat in den Zeiten seiner größten Schwierigkeiten, in den Stunden seiner Anfechtung und in seinen Zweifeln auf den Tisch geschrieben:

„ICH BIN GETAUFT!“

Gerade in diesen Zeiten hat er sich an seine Taufe erinnert. Aber warum? Was bedeutete die Taufe für ihn?

Was bedeutet die Taufe eigentlich für uns? In welchem Verhältnis zu Gott stehen wir eigentlich als Getaufte?

Ich meine, man kann dies Verhältnis zu Gott, in das wir durch die Taufe aufgenommen sind, nicht besser beschreiben, als es der Betende des 139. Psalms getan hat.

Gott ist gegenwärtig! Das ist die erste Erfahrung des Betenden. In langer Kette zählt er die entlegensten Orte auf. Aber Gott ist immer da. Vor Menschen können wir fliehen und menschliche Hilfe kann uns verfehlen. Wir können mit dem Flugzeug in fremde Länder und entlegene Landstriche reisen. Aber Gott ist da. Wir können mit Raketen ins All brausen oder uns wie die Maulwürfe in die Erde vergraben. Aber Gott ist da. Wir können auf den einsamsten Meeresgrund hinab tauchen oder alle Fenster und Türen verrammeln. Aber Gott ist da. Nirgends können wir Gott entfliehen. Das hat auch schon Jona erfahren, der vor Gottes Auftrag davonlief und schließlich im Meer landete. Aber Gott war da und hat ihn gerettet.

Aber mehr noch hat der Betende erfahren: Es gibt nicht nur keinen Ort, an dem Gott nicht ist, es kann offenbar den Menschen auch nichts von Gott trennen. Gott wusste von ihm, bevor es diesen Betenden überhaupt gab. Gott hat sich schon um den Menschen gekümmert, bevor dieser existierte. Selbst die Finsternis kann nicht von Gott trennen. Vor Gott gibt es keine Finsternis. Gottes Licht durchdringt alles. Finsternis ist wie das Licht. Alles, was wir Menschen in unserem Leben als Finsternis empfinden, kann uns nicht von Gott trennen. Alles Leiden, alle Schmerzen und selbst das Sterben und der Tod führt in keine Gottesferne. Dies alles sind unbestreitbar schwere Zeiten für uns Menschen, die uns wahrhaft nicht leicht fallen. Aber Gott ist immer da. Gott ist immer bei uns.

Ein Gott der Gedanken lesen, jedes Wort wahrnehmen und jede Handlung wissen kann, ist uns auf den ersten Blick unheimlich. So fühlt sich ein Mensch, den nichts von Gott trennen kann und der nicht vor Gott fliehen kann, von diesem Gott vielleicht erforscht und kontrolliert. Schrecklich wäre es, wenn dies ein zürnender Gott wäre. Unerträglich wäre es, wenn dies nur oder in erster Linie ein richtender Gott wäre.

Aber der Betende hat diesen Gott als einen liebenden und schützenden Gott erlebt. Er ist ausgesprochen dankbar für diese Unentrinnbarkeit: „Von allen Seiten umgibst du mich und hälst deine Hand über mir. Diese Erkenntnis ist mir zu wunderbar und zu hoch.“ Welche Fehler der Mensch auch macht, welche Sünden der Mensch auch begeht, Gott verlässt ihn nicht. Das ist wunderbar und unbegreiflich. Gottes Handeln, Gottes Heil gilt. Wo wir auch sind, in welcher Situation wir auch stecken, dessen dürfen wir immer sicher sein: Gottes Heilshandeln gilt uns. Gottes schützende Hand gilt uns.

Und mehr noch als der Betende des alten Bundes wissen wir um Gottes barmherzige übergroße Gnade und Barmherzigkeit. Gott hat seinen Sohn in die Welt gesandt, damit er als Mensch unter Menschen an unserer Seite lebt. Gott hat sich damit ganz und gar auf die Bedingungen unseres Lebens eingelassen bis hin zum Sterben und dem Tod. Gott ist in seinem Sohn an das Kreuz in den Tod gegangen, um alles wegzunehmen, was uns von Gott trennen könnte. Jesus Christus ist für uns gestorben. In der Taufe ist unser sündiges Leben mit Christus gestorben. Aber Christus ist auch von Gott wieder auferweckt worden. In der Taufe erhalten wir von Gott Anteil an dieser seiner Gnade geschenkt. In der Taufe bekommen wir das ewige Leben zugesagt.

Die Taufe ist also ein Geschenk Gottes, das für uns uneingeschränkt gilt. Wenn sich Martin Luther in seiner Anfechtung, in seinen Zweifeln an seine Taufe erinnerte, hat er daran gedacht. Er wusste dann, dass er von Gott geliebt wurde – egal wo er war und in welcher Situation er steckte. Er wusste dann, dass er sich Gottes Fürsorge und Gottes gnädige Begleitung nicht verdienen und nicht verscherzen konnte. Gott hatte sich in der Taufe zu diesem einen Menschen bekannt. Gott hatte diesen Menschen vorbehaltlos angenommen. Deshalb war für Luther die Tauferinnerung ein echter Trost in den schwersten Stunden.

Natürlich hat der Getaufte die Möglichkeit sich gegen das Geschenk Gottes aufzulehnen. Bei vielen Menschen merkt man von ihrer Taufe nichts. Wenn wir aber in all unserer Unvollkommenheit uns an unsere Taufe erinnern und so das Geschenk Gottes annehmen, dann können wir unser Leben nur unter Gottes Schutz stellen. Dann können wir nur mit den Betenden des alten Bundes sprechen: „Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz; prüfe mich und erkenne wie ich`s meine. Und sieh, ob ich auf bösem Wege bin, und leite mich auf ewigem Wege.“

Die Taufe ist das unwiderrufliche Geschenk Gottes, das seine Gnade uns persönlich, jeder und jedem Getauften ganz persönlich gilt. Darauf dürfen wir uns verlassen. Durch die Taufe sind wir Gottes geliebte Kinder geworden.

Ich wünsche Ihnen als seinen Kindern den Segen Gottes!

Ihr Pfarrer Johannes Beer