An(ge)dacht zum 5. Sonntag nach Trinitatis, 4. Juli 2021

Johannes der Täufer stand am Jordan und zwei seiner Jünger; und als er Jesus vorübergehen sah, sprach er: „Siehe, das ist Gottes Lamm!“ Und die zwei Jünger hörten ihn reden und folgten Jesus nach. Jesus aber wandte sich um und sah sie nachfolgen und sprach zu ihnen: „Was sucht ihr?“ Sie aber sprachen zu ihm: „Rabbi“ -das heißt übersetzt: „Meister“ -, „wo wirst du bleiben?“ Er sprach zu ihnen: „Kommt und seht!“ Sie kamen und sahen’s und blieben diesen Tag bei ihm. Es war aber um die zehnte Stunde. (Johannes 15,35-39)

Wie findet ein Mensch zum Glauben?

Glaube ist ein Geschenk Gottes, das angenommen und ausgepackt werden muss. Dabei ist Glaube meistens nicht auf einmal da, sondern er entwickelt sich. Es gibt ja viele Wege zum Glauben und jeder und jede hat seine oder ihre eigene individuelle Geschichte dazu. Bei vielen von uns war das sehr unspektakulär. So war es bei mir. Meine Eltern ließen mich als Baby taufen und ich wuchs in einem christlichen Haushalt auf. Es gab also schon von klein an eine Beziehung zu Jesus.

Höhen und Tiefen bestimmen mein Glaubensleben. Der Glaube ist nicht immer gleich stark, manchmal kann ihn nichts erschüttern und ich bin voller Vertrauen und Liebe und manchmal ist er angefochten, schwach und fern. Doch immer wieder spüre ich, wie wichtig Gott für mein Leben ist, und dass ich im Glauben bleiben will. Glaube ist also ein Prozess, und ich merke, wie er sich immer weiter verändert und entwickelt durch alle Höhen und Tiefen meines Lebens.

Im Johannesevangelium wird davon erzählt, wie sich Menschen in Jesu Nachfolge rufen lassen: „Siehe, das ist Gottes Lamm“. Dieser kurze, überraschende Satz berührt zwei Männer in besonderer Weise und löst etwas in ihnen aus. Sie gehen Jesus nach und schließlich werden sie Jesu Jünger.

Die beiden sind vorher Jünger von Johannes dem Täufer, dem Vorläufer und Wegbereiter Jesu. Sie haben Johannes den Täufer predigen hören, sie haben erlebt, wie er taufte und sie glauben sich dem Messias schon ganz nah. Sie haben aber auch begriffen, dass Johannes nicht der Messias ist, sondern dass er genau wie sie auf ihn wartet. Nun geschieht eines Tages etwas, was das Leben dieser Menschen vollständig umkrempelt.

Johannes ist mit den beiden Jüngern am Jordan unterwegs. Da kommt Jesus vorbei und Johannes sagt zu den beiden: „Siehe, das ist Gottes Lamm.“ Dieser Satz alarmiert die beiden Männer so, dass sie sich sofort aufmachen, um Jesus nachzugehen und Näheres über ihn erfahren wollen.

„Siehe, das ist Gottes Lamm“, was bedeutet den beiden dieser Satz? „Gottes Lamm“ das ist ein Begriff, den sie natürlich kennen. Er weist hin auf das Lamm, das zum Passahfest geschlachtet wurde, kurz bevor die Israeliten Ägypten verließen. Durch das Blut dieses Lammes wurden die Israeliten gerettet. Alle Häuser, deren Türpfosten mit dem Blut gekennzeichnet waren, verschonte Gott. Die Menschen, die dort wohnten, konnten fliehen, doch viele Ägypter mussten sterben. Gottes Lamm steht für Rettung, für Heil. Jesus ist „Gottes Lamm“. Jesus opferte sich für uns Menschen, durch sein Blut sind wir für immer gerettet.

Die beiden Männer, die mit Johannes dem Täufer gehen, hören nun diese Worte und spüren: Dem müssen wir nachgehen, dieser Mann bedeutet Rettung und Heil. So folgen sie Jesus, sie wollen wissen, was er für ein Mensch ist. Jesus bemerkt die beiden und spricht sie an: „Was sucht ihr?“ Ist das die Frage, die wir vermutet hätten? „Was wollt ihr? Warum geht ihr mir nach?“ ja, das sind Fragen, die sich uns aufdrängen, aber die Frage „Was sucht ihr?“ deckt auf, was die beiden wirklich bewegt und sie fühlen sich erkannt. Ja, sie sind auf der Suche, auf der Suche nach dem Messias, den sie nicht kennen und doch so gerne kennen lernen wollen. Sie sind auf der Suche nach dem, der ihnen Heil schenken kann und inneren Frieden. Sie sind auf der Suche nach dem Ziel ihres Lebens. Jesus hat mit seiner Frage genau den Punkt getroffen.

Doch verwirrt antworten sie mit einer Gegenfrage: „Rabbi, wo wirst du bleiben?“ Sie nennen Jesus „Rabbi“ und sehen in ihm damit einen Lehrer Israels, der ihnen raten kann, der sie unterrichten wird. Sie wollen wissen, wo Jesus herkommt, wohin er geht, wo seine Bleibe ist. Sie wollen ihn genau kennen lernen. Wie er lebt, was er tut, wo er Zuhause ist, das bewegt die beiden, denn, wenn ich weiß, wo jemand zu Hause ist, dann erfahre ich, was diesem Menschen wichtig ist, wie er sein Leben gestaltet, womit er sich umgibt und wie er sich benimmt. Der Mensch wird mir vertrauter. Darum fragen die beiden nach Jesu Bleibe.

Und Jesus lädt die beiden ein: „Kommt und seht!“ Er erklärt ihnen nichts, er hält ihnen keinen Vortrag, er führt sie nicht zu seiner Wohnung, nein, er fordert sie schlicht auf, ihn zu begleiten. Sie sollen sehen, was Jesus tut, was er sagt, wie er sich verhält, wie und wo er wohnt. Einen ganzen Tag gehen sie mit Jesus und dann: – gehen sie ihr ganzes Leben mit ihm. Denn Jesus eröffnet den beiden Suchenden, wer er ist. Er macht ihnen klar: So lebe ich, so bin ich. Die beiden Jünger des Johannes hören Jesus predigen, sie sehen, wie er Menschen begegnet. Und sie begreifen und erkennen in Jesus den, den sie suchen. Aus den Johannesjüngern werden Jesusjünger. Dieses entscheidende Ereignis ist so wichtig, dass sogar die Uhrzeit genannt wird, in der es geschieht: Es war aber um die zehnte Stunde, heißt es im Evangelium. Ganz genau können die beiden sagen, wann sie zu Jüngern Jesu geworden sind. Dieser Zeitpunkt wird ihnen immer im Gedächtnis bleiben, denn von diesem Zeitpunkt an, beginnt für die beiden ein neues Leben.

Die beiden Männer haben gefunden, was sie gesucht haben. In kleinen Schritten haben sie sich herangetastet. Und dann haben sie sich auf das Große eingelassen. Sie folgen Jesus nach. Menschen sind auf der Suche nach dem Messias. Sie fragen, sie wollen mehr wissen, mehr kennen lernen, mehr begreifen. Sie hören etwas von Jesus, sie begegnen ihm und sehen wie Jesus ist, denn Jesus lädt großzügig ein: Kommt und seht! Und dann geschieht das Wunderbare: Diese Menschen erkennen in Jesus den Messias. Sie erfahren, dass er ihnen Heil und inneren Frieden schenkt. So finden Menschen zum Glauben.

Alle haben ihre eigene individuelle Geschichte, wie ihnen Jesus wichtig wurde. Aber ich glaube, dass alle vorher einen ähnlichen Weg gegangen sind wie die ersten Jesusjünger, von denen das Johannesevangelium erzählt. Jede und jeder war bereit, sich von Jesus finden zu lassen. Sie haben sich darauf eingelassen, Jesus zu suchen, von ihm zu hören, ihn zu erleben und ihm dann nachzufolgen. Amen.

Bleiben Sie fest im Glauben und behütet!
Ihre Pastorin Annette Beer