An(ge)dacht zum 4. Sonntag nach Trinitatis am 27.6.2021

Eine Symbol, das in meinem Karovolk große Bedeutung hat, ist der Büffel. Deshalb hat jedes traditionelle Haus auf seinem Dach zwei Büffelköpfe, die aus Holz angefertigt sind. Ebenso werden auf Kirchtürmen häufig neben dem Kreuz auch Büffelköpfe als Dekoration verwendet. Wir nennen Büffel auf Karonesisch “Kerbau”, aber in der Umgangssprache nennen wir ihn “Ungek”. Warum? Wenn eine Büffel von seiner Herde getrennt ist, wird er weinen und schreien. Die Stimme klingt “Eeeee…k. Eeee…k”. Büffel sind keine solitären Tiere. Sie müssen mit ihrer Herde zusammen sein. Genauso wie Menschen.

            Wir existieren, weil andere Menschen existieren. Wir sind keine unabhängigen Wesen. Ohne unsere Mitmenschen sind wir nichts. Diese Erkenntnis habe ich früh bekommen, als ich noch ein junger Jugendlicher war. Damals sind fünf Büffel meines Großvaters in einer Nacht geklaut worden. Als Nachbarn, Freunde und Verwandte dieses Ereignis mitbekommen haben, war das Haus meines Großvaters voll von mitfühlenden Menschen.

            Nicht weniger als zehn Tage lang haben wir nach den Büffeln gesucht. Wir betraten verschiedene Orte, Städte, Dörfer und Wälder, und teilten uns in mehrere Teams oder Gruppen auf. Wir fuhren frühmorgens mit unserem Proviant ab und kehrten am Nachmittag vergeblich zurück. Ich weiß nicht, woher das Essen kam, aber während der Suche war das Essen immer da. Freunde und Nachbarn, die Autos hatten, ließen uns ihre Autos benutzen, auch wenn sie den Kraftstoff selbst bezahlt hatten. Tag und Nacht war das Haus meines Großvaters immer voll von mitfühlenden Freunden und Verwandten. Einige nahmen sich sogar eine Auszeit von der Arbeit, um sich der Suche anzuschließen.

Obwohl wir einerseits wertvolle Besitztümer verloren hatten, konnte ich aber wahrnehmen, dass wir andererseits etwas nicht weniger Wertvolles bekommen haben, nämlich Mitgefühl, Zuneigung, Fürsorge und die reiche Liebe von Freunden, Nachbarn und Verwandten.

Paulus hat in seinem Brief geschrieben: ,Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen’ (Galater 6,2). Er wies an, Gemeindemitglieder gegenseitig zu unterstützen. Man kann und darf nicht nur die eigenen Bedürfnisse, sondern auch die Bedürfnisse von den anderen erfüllen. Dadurch, dass diese Anweisung in die Tat umgesetzt wird, ist das Gesetz Christi erfüllt.

Dies Gesetz Christi ist nichts als ein Akt der Liebe. Und jede und jeder, der die Liebe in der Tat praktiziert, und jede und jeder, der die Liebe bekommt und erlebt, wird Gottes Reich sehen und betreten. Man braucht nicht ein Supermann zu werden, um andere Menschen zu retten. Aber man kann das Himmelreich auf der Welt sehen und erleben, wenn man großzügig und barmherzig zu seinem Nächsten ist.

Ihr Pfarrer

Albert Purba