An(ge)dacht am 3. Sonntag nach Trinitatis, den 20. Juni 2021

Der Wochenspruch für die neue Woche heißt an diesem Sonntag:

„Der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist. (Lukas 19,10)

Dazu passend handelt auch der für heute vorgeschlagene Predigttext vom Suchen und Finden von etwas Verlorenem. Hier überliefert der Evangelist Lukas die folgenden beiden Jesusgleichnisse:

Es nahten sich Jesus aber alle Zöllner und Sünder, um ihn zu hören. Und die Pharisäer und die Schriftgelehrten murrten und sprachen: Dieser nimmt die Sünder an und isst mit ihnen.

Vom verlorenen Schaf

Er sagte aber zu ihnen dies Gleichnis und sprach: Welcher Mensch ist unter euch, der hundert Schafe hat und, wenn er eines von ihnen verliert, nicht die neunundneunzig in der Wüste lässt und geht dem verlorenen nach, bis er’s findet? Und wenn er’s gefunden hat, so legt er sich’s auf die Schultern voller Freude. Und wenn er heimkommt, ruft er seine Freunde und Nachbarn und spricht zu ihnen: Freut euch mit mir; denn ich habe mein Schaf gefunden, das verloren war. Ich sage euch: So wird auch Freude im Himmel sein über einen Sünder, der Buße tut, mehr als über neunundneun-zig Gerechte, die der Buße nicht bedürfen.

Vom verlorenen Groschen

Oder welche Frau, die zehn Silbergroschen hat und einen davon verliert, zündet nicht ein Licht an und kehrt das Haus und sucht mit Fleiß, bis sie ihn findet? Und wenn sie ihn gefunden hat, ruft sie ihre Freundinnen und Nachbarinnen und spricht: Freut euch mit mir; denn ich habe meinen Silbergroschen gefunden, den ich verloren hatte. 1So, sage ich euch, ist Freude vor den Engeln Gottes über einen Sünder, der Buße tut. (Lukas 15,1-10)

Liebe Gemeinde,

Gott sucht und findet die Verlorenen. Am Ende ist große Freude das Ergebnis. Auch Jesus Christus, der Menschensohn sucht das Verlorene, was ebenfalls mit großer Freude einhergeht.

Die Bilder sprechen für sich: Jemand macht sich auf, um sein verlorenes Schaf zu suchen und freut sich, es zu finden. Eine Frau freut sich, ihr verlorenes Geldstück wiederzufinden. Ja, so groß ist die Freude, dass sie sogar ihre Freunde und Freundinnen herbeirufen, um sich zusammen zu freuen: Geteilte Freude ist doppelte Freude!

So freut sich Gott, wenn „verlorene Menschen“ gefunden werden. Das ist Jesu Botschaft. Darum erzählt er solche Geschichten aus dem Alltagsleben, die für jede*n unmittelbar nachvollziehbar und auf Menschen übertragbar sind.

Diese Botschaft verdeutlicht, was am Anfang steht: Zöllner und Sünder, verachtete Personen-gruppen kommen zu Jesus, um ihn zu hören. Das ärgert die Pharisäer und Schriftgelehrten. Sie sagen: „Der gibt sich mit Sündern ab und is(s)t mit ihnen.“ Indem Jesus mit seinem Doppelgleichnis das Handeln Gottes am Menschen bildlich erklärt, beschreibt er etwas von seinem eigenen Verhalten. Als will er damit sagen: „So ist Gott. Deshalb bin ich auch so. Und ich bitte euch: Seid doch auch ihr so! Gott sucht die Menschen. Ahmt es ihm nach!“

Aus der Sicht der Pharisäer und Schriftgelehrten stellt sich die Frage, ob es nicht umgekehrt ist: Menschen suchen Gott, suchen nach dem Sinn des Lebens, danach, was Bestand hat und trägt. Schließlich gehört das Suchen zum Wesen des Menschen. Jesus dreht diese Sichtweise um. Damit lehnt er ihre Suche nach Gott nicht ab. Denn schon der Prophet Jeremia überliefert das Gotteswort „Wenn ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet, so will ich mich von euch finden lassen“ (Jer 29,13-14) und macht das Suchen und Finden somit zu einer Beziehungssache, an der beide Seiten beteiligt sind: Gott und Mensch.

Aber – das ist vielleicht das Entscheidende, was Jesus veranschaulicht – Gott sucht zuerst. Er bleibt nicht in weiter Ferne und wartet, ob jemand ihn findet. Sondern er geht jedem Menschen nach. Er macht sich auf, um alle zu finden, die sich verirrt haben und keinen Ausweg, keine Perspektive mehr sehen. Ihnen sagt Jesus: „Gott sucht euch, auch wenn man euch schon als Verlorene abge-schrieben hat.“

Das Wort „verloren“ hat in unserer Sprache einen doppelten Sinn. Zunächst bedeutet es: Etwas ist nicht mehr da, wo es eigentlich sein sollte. Etwa der Autoschlüssel, den ich in meiner Tasche ver-misse. Und dann bezeichnet „verloren“ auch das, was keine Hoffnung auf Rettung oder auf eine Wende zum Guten hat. Unter diesem Aspekt sprechen wir von einer verlorenen Chance, von verlo-rener Zukunft oder auch von einem verlorenen Menschen. Gerade denen, die sich auf jeweilige Weise verloren fühlen, gilt das unermüdliche Suchen Gottes. Er lässt sie nicht allein, er geht ihnen nach und hört nicht auf sie zu suchen. So ist Gott.

Niemand wird von sich behaupten, dass er oder sie ständig in der Nähe Gottes lebt und ihn perma-nent sucht. Aber umgekehrt können wir sagen: Wir leben, weil Gott uns sucht. Weil er uns zuerst sucht. Immer wieder.

Sich vom suchenden Gott finden zu lassen ist der erste Schritt jeder Gottsuche. Wo ein Mensch auf ihn vertraut, da wird Gottes Suche nach ihm – so wie im Gleichnis vom verlorenen Schaf – zu einer Heimsuchung, zu einem Weg nach Hause.

Ich lobe meinen Gott, der aus der Tiefe mich holt, damit ich lebe.
Ich lobe meinen Gott, der mir die Fesseln löst, damit ich frei bin.
Ehre sei Gott auf der Erde in allen Straßen und Häusern,
die Menschen werden singen, bis das Lied zu Himmel steigt
Ehre sei Gott und den Menschen Frieden, Ehre sei Gott und den Menschen Frieden,
Ehre sei Gott und den Menschen Frieden, Frieden auf Erden.

EG 673, 1

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag und alles Gute für die neue Woche!

   Pfarrer Andreas Smidt-Schellong