An(ge)dacht zum Sonntag Jubilate, 25. April 2021

Jesus sprach zu seinen Jüngern: Ich bin der wahre Weinstock, und mein Vater der Weingärtner. Eine jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, wird er wegnehmen; und eine jede, die Frucht bringt, wird er reinigen, dass sie mehr Frucht bringe. Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe.
Bleibt in mir und ich in euch. Wie die Rebe keine Frucht bringen kann aus sich selbst, wenn sie nicht am Weinstock bleibt, so auch ihr nicht, wenn ihr nicht in mir bleibt.
Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun. Wer nicht in mir bleibt, der wird weggeworfen wie eine Rebe und verdorrt, und man sammelt sie und wirft sie ins Feuer, und sie müssen brennen. Wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch bleiben, werdet ihr bitten, was ihr wollt, und es wird euch widerfahren. Darin wird mein Vater verherrlicht, dass ihr viel Frucht bringt und werdet meine Jünger. (Johannes 15,1-8)

Woraus schöpfe ich meine Kraft? Wir alle brauchen täglich neue Energien, um das Leben zu meistern. Das geschieht einmal ganz weltlich, in dem wir uns gesund ernähren oder Sport treiben, das heißt, durch unsere Lebensweise versuchen wir, gesund und munter zu bleiben. Aber auch mein Innerstes, meine Seele, braucht Kraft. Gerade jetzt in diesen Zeiten, in denen wir so besonders herausgefordert werden, spüre ich deutlich, dass sich meine Seele nach Ruhe und Frieden sehnt. Wir müssen aushalten und durchhalten, uns mit verschiedenstes Problemen auseinandersetzen und das zehrt. Also brauchen wir eine Kraft, die wir nicht durch Nahrung oder besonderes Verhalten bekommen. Diese Kraft kann uns durch Begegnungen mit Menschen zufließen, denen wir uns verbunden fühlen, die uns begleiten und das Leben mit uns teilen. Auch das ist im Augenblick ziemlich eingeschränkt und doch spüre ich ja deutlich, dass jeder Kontakt, den ich pflege, zwar Kraft nimmt, aber eben auch viel Kraft geben kann. Eine weitere Kraftquelle ist mein Glauben. Mein Glaube an Jesus Christus, den Gekreuzigten und Auferstandenen, lässt mich aushalten und durchhalten, er lässt mich Dinge gelassener sehen und gibt immer wieder den Seelenfrieden, den ich brauche.

In einem eindrücklichen Bild spricht Jesus davon, wie er Kraft zufließen lässt. Jesus sagt: Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Jesus vergleicht sich mit einem Weinstock, an dem wir, die Menschen, die Reben sind. Der Weinstock versorgt die einzelnen Reben mit Nahrung. Durch die Wurzeln und den Stock wird die Nahrung zu den einzelnen Reben transportiert. Gierig saugen die Reben diese Nahrung, sie wachsen und gedeihen und schließlich bilden sie Früchte. Eine Rebe kann aus sich selbst heraus keine Frucht tragen. Die Verbindung mit dem Weinstock hält sie am Leben und ermöglicht, dass sie Früchte produzieren kann.

Wir können uns gut vorstellen, wie wir als einzelne Menschen an Jesus hängen wie die Rebe an einem Weinstock. Wir schöpfen unsere Kraft aus dem Weinstock Jesus. Wir sind von ihm abhängig, die Verbindung zu ihm darf nicht unterbrochen werden. So wie ein Weinstock das Leben der einzelnen Rebe erst ermöglicht, so versorgt uns Christus mit dem, was wir brauchen. Dabei können wir uns ganz und gar auf Jesus verlassen und uns von ihm beschenkt wissen. Wir können uns so viel nehmen wie wir brauchen, die Quelle versiegt nicht. Überreichlich bekommen wir von Christus das, was wir zum Leben nötig haben.

Das erinnert mich an ein weiteres Bild, das Jesus benutzt, um deutlich zu machen, wie er zu mir steht: Jesus sagt: Ich bin das Brot des Lebens. Jesus ist das lebensnotwendige Brot für mich und: er sorgt für mein tägliches Brot. Zum täglichen Brot gehört das, was wir essen und trinken, was uns also Energie gibt. Dazu gehört auch, wie wir uns kleiden oder wo wir wohnen. Zum täglichen Brot gehören auch Frieden und Gelassenheit und Gesundheit. Dazu gehören Hoffnung und Zuversicht, die wir nicht verlieren dürfen. Wir brauchen Liebe und Vertrauen und Menschen, die für uns da sind. All das, was wir durch Christus geschenkt bekommen, macht uns seelisch und körperlich stark, es lässt uns zuversichtlich leben. Wenn Jesus dann sagt, er selber sei das Brot des Lebens, dann meint er doch, er gibt nicht nur, was ich für das tägliche Leben brauche, sondern er selbst ist lebensnotwendig für mich. Jesus ist Hauptbestandteil meiner seelischen Nahrung. Er macht mein Innerstes satt und zufrieden.

Am deutlichsten wird es vielleicht im Abendmahl: Wenn ich bei der Abendmahlsfeier Brot und Wein zu mir nehme, dann spüre ich deutlich, dass Jesus meine Kraftquelle ist, ich fühle mich von ihm versorgt und wie er meine Seele stärkt. Im Abendmahl habe ich Anteil an Christus und bekomme Kraft und Lebensnotwendiges, genauso wie die Reben am Weinstock, die nur leben können, wenn sie am Weinstock bleiben, wenn sie dort wachsen und gedeihen können, um eines Tages Früchte zu bilden.

Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht, sagt Jesus und spricht weiter in einem Bild. Jesus hat die enge Verbundenheit geschaffen, die ich auf keinen Fall verlieren möchte. Wenn ich nun an ihm festhalte und aus Christus meine Kraft ziehe, dann bringe ich Früchte, dann merken andere etwas davon, dass ich zu Christus gehöre. Und natürlich möchte ich, dass andere etwas davon sehen und erfahren, woher meine Kraft kommt. Wenn mein Herz froh ist und meine Seele gestärkt ist, dann kann ich gar nicht anders, als das zu zeigen. Ich zeige etwas von meinem Glauben, ich zeige, auf welchem Fundament ich stehe. Und gleichzeitig zeige ich etwas davon, wie Christus ist. Das, was er getan und gesagt hat, seine Predigten, aber auch seine Wunder und Heilungen, seine Zuwendung, seine Liebe und seine Macht, Schuld zu vergeben, haben Menschen verändert, gestärkt, glücklich gemacht. Jesus wurde ihnen zum Vorbild, und sie haben sein Leiden, Sterben und Auferstehen als ihr größtes Geschenk gesehen, weil sie wussten, dass sie erlöst und angenommen sind. Diese Hoffnung und diese Freude tragen sich durch die Jahrtausende und zu diesen Menschen gehöre doch auch ich. Auch ich bin mit den vielen anderen eine Rebe am Weinstock Jesu und ziehe meine Kraft und meine Hoffnungen aus dem, der mich liebt und erlöst hat.

Wenn ich mich umsehe, entdecke ich all die anderen Reben an dem Weinstock Jesus. Sie alle bekommen das, was sie brauchen, Lebensnotwendiges, aus dem wahren Weinstock Jesus. Auch sie tragen Früchte und entwickeln täglich neue. Ich spüre, ich bin also nicht allein. Viele hängen an Jesus, viele ziehen ihre Kraft aus ihm. Das ermutigt mich, und ich merke, wie wichtig diese Gemeinschaft ist, wie sie trägt.

Wer in mir bleibt, der bringt viel Frucht, sagt Jesus. Und ein Sprichwort sagt: An den Früchten soll man sie erkennen! Die Früchte, die wir bringen, ist das, was wir aus unserem Glauben heraus tun. Jesus spricht uns zu, dass der, der an ihn glaubt und an ihm bleibt, gute Früchte hervorbringt. Es geht also gar nicht anders, als das, was wir von Christus bekommen, fruchtbar zu machen. Dabei sind diese Früchte nicht das Besondere und Ungewöhnliche. Diese Früchte sind nichts, was wir nicht im täglichen Leben finden könnten. Es sind die kleinen, immer wieder kehrenden alltäglichen Dinge, an denen wir erkannt werden: Wenn wir jemandem ein gutes Wort sagen und ihn damit trösten, so ist das eine Frucht, mit der wir einen anderen Menschen erfreuen. Wenn wir füreinander beten und einander begleiten, wenn wir helfen, wo es jemand nicht alleine schafft, dann haben wir bereits Frucht gebracht. Wenn wir uns füreinander einsetzen, uns gegenseitig schützen, wenn uns Gottes Schöpfung nicht gleichgültig ist, dann sind auch das Früchte, die geerntet werden. Jeder Kontakt, den wir pflegen, ist in diesen Corona-Zeiten eine Frucht, die anderen gut tut.

Überall dort, wo wir uns aus unserem Glauben heraus engagieren und damit Früchte in diese Welt tragen, erfreuen sich Menschen und können ein Stück von Gottes Herrlichkeit sehen. Darin wird mein Vater verherrlicht, dass ihr viel Frucht bringt, sagt Jesus. Gott ist der Weingärtner, der hegt und pflegt und sich letztlich kümmert, damit gute Früchte wachsen können. Wenn unsere Mitmenschen erkennen, dass Gott uns wichtig ist, wenn unsere Mitmenschen uns an unseren Früchten erkennen, dann freut sich Gott. Er freut sich wie ein Weingärtner über seine reiche Ernte.

Woraus schöpfen wir unsere Kraft? Wir schöpfen Stärke und Zuversicht aus unserem Weinstock Christus und wir lassen uns pflegen und umsorgen durch unseren Weingärtner Gott. So können wir getrost leben und uns ermutigen lassen und auf Jesu Worte vertrauen:

Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht. Amen.

Du bist der Weinstock, wir die Reben,
so lass uns immer in dir sein.
Durchströme uns mit deinem Leben:
Von dir getrennt, sind wir allein.
Wir blühen, wachsen, bringen Frucht,
die Gott an seinen Reben sucht.

Ich kann mir selbst kein Wachstum geben,
ich kann nicht reifen ohne dich,
an deinem Weinstock keimt das Leben,
des Lebens Fülle auch für mich.
Erfülle mich mit deinem Geist,
dass nichts die Rebe von dir reißt.

Nein, Herr, ich will von dir nicht scheiden,
ich bleibe dein, und du bist mein,
du bleibst mir treu in meinem Leiden,
dein Leben soll mein Leben sein.
Dein Licht scheint hell in meinem Haus,
dein Kraft‘ füllt meine Schwachheit aus.

So bleibe ich für dich gewonnen,
und meine Seele auf dich harrt,
denn was in Schwachheit ist begonnen,
in Herrlichkeit wird offenbart.
Was in der Knospe schlief bei mir,
das kommt ans Licht und reift in dir.

Jan Jacob Lodewijk ten Kate (1819-1899)

Fühlen Sie sich gestärkt!
Ihre Pastorin Annette Beer