An(ge)dacht am Sonntag Palmarum am 28.3.2021

„Siehe, alle Welt läuft ihm nach!“

Als die große Menge, die aufs Fest gekommen war, hörte, dass Jesus nach Jerusalem kommen werde, nahmen sie Palmzweige und gingen hinaus ihm entgegen und schrien: Hosianna! Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn, der König von Israel! Jesus aber fand einen jungen Esel und setzte sich darauf, wie geschrieben steht: »Fürchte dich nicht, du Tochter Zion! Siehe, dein König kommt und reitet auf einem Eselsfüllen.« Das verstanden seine Jünger zuerst nicht; doch als Jesus verherrlicht war, da dachten sie daran, dass dies von ihm geschrieben stand und man so an ihm getan hatte. Die Menge aber, die bei ihm war, als er Lazarus aus dem Grabe rief und von den Toten auferweckte, bezeugte die Tat. Darum ging ihm auch die Menge entgegen, weil sie hörte, er habe dieses Zeichen getan. Die Pharisäer aber sprachen untereinander: Ihr seht, dass ihr nichts ausrichtet; siehe, alle Welt läuft ihm nach. (Johannes 12,12-19)

„Siehe, alle Welt läuft ihm nach!“ ist das nicht wunderbar? Kann es da denn anders als gut werden? Muss sich dann nicht Triumph an Triumph reihen, für Jesus aber eben auch für seine Kirche? Getragen von den Massen? Ein Held des Volkes? Der Beginn einer Massenbewegung, die alle ergreift?

Es ist schon eine großartige Szene, wie Jesus in Jerusalem einzieht. Eine riesige Menschenmenge säumt seinen Weg. Hunderte von Menschen aus Jerusalems und Hunderte von Pilgern stehen an der Straße und jubeln. Sie haben ihre Mäntel auf die Straße gelegt. Sie haben Zweige von den Bäumen und Blätter von den Palmen gerissen, um den Weg damit auszulegen. Ein herrlicher Einzug! „Siehe, alle Welt läuft ihm nach!“

Das Volk rennt Jesus entgegen, denn sie wissen was er getan hat. Das Volk jubelt ihm zu, denn sie haben gehört von der Auferweckung des Lazarus. Und nun loben sie, was er getan hat und posaunen es in alle Welt. Sie preisen ihn und begrüßen ihn mit dem alten Ruf: „Hosianna! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn, der König von Israel!“

„Jesus aber fand einen jungen Esel und ritt darauf.“ Jesus sitzt bei diesem triumphalen Einzug auf einem Esel. Die Jünger haben vielleicht ihre Mäntel als Reitdecken zur Verfügung gestellt. So wird das Lasttier wenigstens etwas ansehnlicher. Aber trotzdem ist ein Esel kein Pferd. Von ihm geht nichts majestätisches aus. Er hat nichts ehrenvolles. Kein Betrachter kommt ins Schwärmen über einen Esel. Bei einen Pferd ist das anders. Aber ein Esel? Das ist doch bloß das dumme, störrische Lasttier. Das ist doch bloß der VW-Pritschenwagen der Antike. Und genau darauf sitzt Jesus. Er ritt auf diesem Esel, umgeben von seinen Jüngern, die zu seinen Seiten liefen.

Und er ritt durch eine jubelnde Gasse von Menschen über einen Teppich aus Zweigen und Mänteln. Und alle riefen ihm ihr „Hosianna“ entgegen. „Hosianna! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn, der König von Israel!“

Ist das nicht ein Gegensatz? Jesus kommt auf einem Lasttier und die Menge jubelt ihm zu wie einem König. Hier wird als „König von Israel“, als neuer mächtiger Herrscher über Israel begrüßt, der auf einem Lasttier sitzt. Hier wird von dem, der Frieden und Gewaltlosigkeit verkörpert, gewünscht, dass er die Römer aus dem Land treibt. Hier wird ein Kriegsherr erwartet, und es kam ein Mann ohne Waffen auf einem Esel. Eine Karikatur eines Kriegshelden.

Nun, die Menge hat gejubelt und ihr „Hosianna“ gerufen. Aber sie ist nicht dabei geblieben. Wenige Tage später hat dieselbe Menge ihre Fehleinschätzung erkannt. Statt sie aus dem Lande zu jagen, ließ sich dieser König von den Römern gefangen nehmen. Ihre Enttäuschung brüllt dieselbe Menge dann demselben Jesus entgegen mit den Worten „Weg mit dem! Kreuzige ihn!“ Siehe, keiner läuft ihm nach

Das Volk in Jerusalem war enttäuscht über Jesu Verhalten. Jesus entsprach nicht ihren Vorstellungen von einem starken Helden, der ihnen helfen könnte. Jesus war in ihren Augen schwach.

Und nun freuen wir uns, dass alle Welt ihm nachgelaufen ist und hoffen daraus für uns, für seine Kirche. Wir sehnen uns danach, dass die Kirchen voll, am besten überfüllt sind. Wir erhoffen auch an normalen Sonntagen, Gründonnerstag, Karfreitag und Ostern den Andrang wie wir ihn sonst nur am Heiligen Abend haben.

Verfallen wir demselben Irrtum wie die Menge in Jerusalem? Jubeln wir heute und jetzt mit ihr unser „Hosianna! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn, der König von Israel!“, um uns dann abzuwenden? Oder haben wir andere Gründe für unsere Freude, unsere Freude über den Herrn, so dass wir diesen Jubelruf ernst meinen und Jesus wirklich als König, als mächtigen Herrscher begrüßen?

Gottes Stärke wird gerade in der Schwäche sichtbar. Gottes Stärke liegt nicht in den Reichen dieser Welt, wie es die Jerusalemer Menge erwartete, sondern sie liegt in der Hingabe von Gottes Sohn.

Gottes Sohn kam als Mensch in unsere Welt. Er lebte als Mensch unter Menschen. Er lebte unser Leben. Aber er lebte es ohne Aggression und ohne machtpolitischen Ehrgeiz. Er lebte es im Dienst für andere Menschen. Er hat diesen anderen geholfen. Er hat Kranke geheilt und Hungernde gespeist. Er hat allen das Evangelium verkündet. Er hat Gottes Liebe zu den Menschen gebracht, indem er die Höhen und Tiefen des menschlichen Lebens selbst durchlebte.

Schließlich ging Gott in seinem Sohn sogar ins Leiden und Sterben. Jesus starb am Kreuz wenige Tage nach diesem triumphalen Einzug. Die Menge hatte ihre Meinung geändert. Vor dem Palast des Pilatus wollten sie nun Barabas und nicht Jesus. Der hatte sie enttäuscht und sollte gekreuzigt werde. „Weg, weg mit dem!“ schrien sie „Weg, weg mit dem! Kreuzige ihn!“ war ihre Reaktion als Jesus, den sie als „König von Israel“ begrüßt hatten, mit Dornen gekrönt ihnen als erbarmungswürdiger König vorgeführt wurde.

Und als Jesus am Kreuz unter dem Schild „Jesus von Nazareth, der König der Juden“ starb, hatte sich das ganze Volk längst abgewandt und jedes Interesse verloren. Für die damaligen Menschen bedeutete das, das endgültige Scheitern diese Jesus. Der Tod am Kreuz war der schändlichste Tod, den ein frommer Jude sich vorstellen konnte. Jesus ging diesen Weg der Niedrigkeit bis zum bitteren Ende. Und in ihm ging Gott diesen Weg. Er starb unseren Tod.

Aber Jesus blieb eben nicht im Tod. Das Kreuz war nicht das Ende, sondern es kam die Auferstehung. Der Tod war nicht endgültig. Jesus hat sterbend den Tod überwunden. Jesus lebt, obwohl er am Kreuz stirbt. Er hat den Tod überwunden und ihm so seine Macht genommen. Das ist die Stärke Jesu. Sie wurde deutlich, indem er die Schwachheit bis zum bitteren Ende durchlebt hat. Er hat die Fesseln der Menschheit durchbrochen, indem er die Schwächen des menschlichen Lebens durchlebte.

Er ist der erste, aber wir werden ihm alle folgen. Er hat das ewige Leben erworben, er hat es für uns erworben. In der Taufe sterben wir mit Jesus und stehen mit ihm auf. In der Taufe bekommen wir Anteil an Kreuz und Auferstehung Jesu. In der Taufe bekommen wir Anteil am ewigen Leben.

Deshalb ist dieser schwache König unsere Stärke in aller Niedrigkeit dieser Welt. So können wir in das Hosianna einstimmen, denn wir wissen wer da auf dem Esel kommt. Uns wird er nicht enttäuschen, denn er hat uns das ewige Leben erworben, indem er ans Kreuz ging.

„Siehe, alle Welt läuft ihm nach!“ Ist das nicht wunderbar? Kann es da denn anders als gut werden? Wir laufen ihm nach und hängen an Jesus. Wir hängen an ihm im Leben, im Sterben und selbst im Tod. Jeder, der sich von Jesus ansprechen lässt darf ihm nachfolgen, nachfolgen bis in sein Reich.

Ich wünsche ihnen eine gesegnete Karwoche!
Ihr Pfarrer Johannes Beer