An(ge)dacht am Gründonnerstag am 1. April 2021

zu Johannes 13,1-15.34-35

Vor einem Jahr hatte wir wegen der beginnenden Corona Pandemie alle Gottesdienste abgesagt. Auch die Feier des Tischabendmahls zum Gründonnerstag im Frühherrenhaus fand nicht statt. Karfreitag wurde auch nicht mit einem gemeinsamen Gottesdienst begangen und wir waren erschüttert und traurig, dass selbst Ostern keine Gottesdienste in den Kirchen möglich waren. Aber wir waren voller Zuversicht, dass es ja nur besser werden könne.

Das ist jetzt ein Jahr her und es ist keineswegs besser geworden, eher schlimmer. Aber wir sind einfallsreicher geworden, was die Feier der Gottesdienste betrifft. Aufgezeichnete Gottesdienste und Gottesdienste live per Zoom gehören inzwischen selbstverständlich zum Repertoire.

Im Sommer vergangenen Jahres als die Inzidenzwerte niedrig waren, haben wir uns sogar in den Kirchen wieder versammelt und vorsichtig Abendmahl gefeiert. Und dann kamen weitere Corona-Wellen, die uns nach wie vor im Griff haben und die leider wieder Gottesdienste verhindern. Das gilt auch für den Gründonnerstag 2021.

Ich möchte mich nicht von der Pandemie bestimmen lassen, auch wenn ich spüre, dass meine Nerven mehr und mehr blank liegen. In diesen Tagen vor Ostern möchte ich mich konzentrieren auf die biblischen Texte von Gründonnerstag, Karfreitag und schließlich Ostern und aus ihnen Kraft schöpfen, durchzuhalten und auszuhalten. Alle biblischen Texte wissen um die Liebe, ohne die nichts möglich ist. Sie erzählen von der Liebe Gottes und welche Konsequenzen sie für das tägliche Miteinander hat. So ist es auch in der Erzählung von der Fußwaschung aus dem Johannesevangelium. Die Geschichte von der Fußwaschung ist eine Liebesgeschichte, die darin gipfelt, dass Jesus sagt:

Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch geliebt habe, damit auch ihr einander lieb habt. Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt. (Joh 13,34-35)

So weit geht Jesus, dass er uns Menschen ein neues Gebot gibt, so als wären die vertrauten zehn Gebote nicht genug. Wenn ich dieses Liebesgebot ernst nehme, dann ist es tatsächlich so, dass die Gebote, die Gott Mose offenbart hat, in einem anderen, neuen Licht stehen. Jesu neues Gebot schließt alle anderen Gebote ein, denn, wenn ich meinen Mitmenschen in Liebe begegne, dann können alle erkennen, dass ich zu Jesus gehöre, dann wird deutlich, dass ich aus der Kraft der Liebe Christi lebe. Und das hat Konsequenzen für mein Leben und für meine Mitmenschen, denn aus der Kraft der Liebe Jesu zu leben, heißt, seinen Mitmenschen liebevoll zu begegnen.

Bevor Jesus sich verhaften lässt und sein Weg ans Kreuz unaufhaltsam voranschreitet, offenbart er seinen Jüngern mit diesem neuen Gebot seinen letzten Willen, sozusagen sein Testament. Klar ist dieses Testament und doch spüre ich auch die Herausforderung, denn ich weiß ja, dass ich niemals so lieben kann wie Christus liebt. Und doch möchte Jesus das, und er gibt hier ein ganz konkretes und besonderes Beispiel, wie das aussehen kann. Jesus tut seinen Jüngern einen besonderen Liebesdienst. Er wäscht ihnen die Füße.

Es geschah sozusagen am Gründonnerstagabend. An diesem letzten gemeinsamen Abend vor der Verhaftung Jesu, vor seinem Leiden und Sterben, sind Jesus und seine Jünger zum Essen zusammengekommen. Jesus will seinen treuesten Freunden etwas Besonderes mitgeben, er will ihnen ein Beispiel geben und ihnen damit gleichzeitig zeigen, wie sie miteinander leben sollen.

Während dieses letzten Mahles steht Jesus auf und beginnt jedem einzelnen die Füße zu waschen. Seine Jünger sind überrascht und irritiert. Wie kommt ihr Herr und Meister dazu, ihnen die Füße zu waschen? Eigentlich sind sie doch schon vor dem Essen gewaschen worden, was also tut Jesus hier?

Jesus erniedrigt sich vor seinen Jüngern. Er beugt sich tief zu ihnen hinab, er macht sich klein vor ihnen und er tut allen den gleichen Dienst, die gleiche Liebe. Er nimmt jeden einzelnen seiner Jünger wahr, er berührt jeden einzelnen, er tut jedem etwas Gutes. Damit schafft er eine besondere Verbindung. Er festigt das Band zwischen seinen Jüngern und sich, aber er verbindet sie auch untereinander in besonderer Weise. Sie erleben etwas, was nur sie erleben und bekommen. Sie spüren die Liebe, die ihnen Jesus gibt und sie spüren, wie sie beschenkt werden und dass sie zusammen gehören.

Mit diesem Dienst, den Jesus tut, weist er bereits auf einen anderen Dienst hin, einen Dienst, den er für alle Menschen tut, nämlich seinen Tod am Kreuz. Am Kreuz tut Jesus den niedrigsten Dienst, den man sich nur vorstellen kann und beschenkt die Menschen gleichzeitig mit dem Wunderbarsten. Er stirbt für uns, für unsere Schuld und unser Versagen, damit wir mit ihm Gemeinschaft haben können und uns nichts mehr von Gott trennt.

Wenn Jesus seinen Jüngern die Füße wäscht, zeigt er deutlich, wie sehr er die Menschen liebt, wie sehr sie zu ihm gehören. In diese enge Gemeinschaft sind wir doch mit hinein genommen, und sie soll sich dadurch auszeichnen, dass wir einander wahrnehmen und ernst nehmen, dass wir sein neues Gebot ernst nehmen, dass wir bereit sind, einander zu dienen, und dass wir uns nicht zu schade sind, auch einen geringen Dienst füreinander zu tun.

Daran wird man uns als Christinnen und Christen erkennen, dass wir Liebe untereinander haben. Das ist eine besondere Herausforderung und gleichzeitig eine Selbstverständlichkeit. Christus hat mich mit seiner übergroßen Liebe beschenkt, durch ihn habe ich erfahren, dass ich frei und entlastet bin und fröhlich leben darf. Das macht mich froh und ich will von diesem großen Geschenk der Liebe abgeben und Menschen, denen ich begegne, spüren lassen, dass sie geliebt sind.

Heute am Gründonnerstag vermisse ich es, gemeinsam Abendmahl zu feiern, sich daran zu erinnern, wie damals Jesus und seine Jünger zusammen waren und Jesus ihnen dieses Mahl für alle Zeiten mit auf den Weg gab. Ich vermisse die Gemeinschaft, die mit diesem Mahl verbunden ist und den Trost, der mir zugesprochen wird, dass mich nichts von Gott und seiner Liebe trennen kann. Ich sehe aber auch, dass Jesus an diesem Gründonnerstag mir noch etwas anderes mit auf den Weg gegeben hat, etwas, das jetzt in diesen schwierigen Zeiten besonders in den Fokus rückt. Jesus gab seine Liebe, die stark macht, einander zu sehen als bedürftige, angestrengte Menschen. Er gab seine Liebe, die mit trägt, was manchmal unerträglich ist. Er gab die Kraft, sichtbar werden zu lassen, dass Menschen sich in Liebe begegnen können. In diesen Zeiten, die uns so sehr herausfordern, möchte ich, dass alle etwas von dieser Liebe Christi spüren. Dann nehme ich sein neues Gebot ernst und alle werden erkennen, dass wir seine Jüngerinnen und Jünger sind, weil wir Liebe untereinander haben.

Einen gesegneten Gründonnerstag und ein Geborgensein in Chrisi Liebe!

Ihre Pastorin Annette Beer