„Arche-Noah-Post“ am 15.4.2020

Von Hamstern und Menschen – Ansichten eines Hamsters

RRRRummsss!

Plötzlich und vollkommen unvermittelt steht es abrupt still. Das Hamsterrad. Einen kurzen Moment lang bin ich irritiert und kann es kaum glauben. So etwas hat es seit Hamstergedenken noch nicht gegeben. Eigentlich unvorstellbar, ich kann es kaum glauben. Und in der Hamsterschule hat uns auch niemand auf diese Situation vorbereitet. Irgendwie war das immer – im wahrsten Sinne des Wortes – ein Selbstläufer mit diesem Hamsterrad. Und nun das. Ich verlasse das Hamsterrad und setze mich –etwas benommen vom plötzlichen Geschwindigkeitsverlust- erst einmal an die Seite. Was tun? Vielleicht ist das ja nur ein schlechter Traum? Oder ich muss einfach nur ganz schnell das Hamsterrad wechseln. Ich sehe mich um und erstarre: überall um mich herum stehen die Hamsterräder still. Panik macht sich langsam breit. Tief durchatmen, Ruhe bewahren. Nachdem ich so einige Zeit in aller Stille dagesessen habe, reibe ich mir verwundert die Augen. Die Welt ist noch nicht untergegangen, und ich fange an, den Moment zu genießen. Auf einmal ist Zeit zum Nachdenken.

Hatte ich mir eigentlich schon einmal Gedanken darüber gemacht, wo diese Hamsterräder denn herkommen? Was um Alles in der Welt bringt uns dazu, ununterbrochen im Kreis zu rennen. Wo wir doch die frische Luft und die weiten Felder in der Natur so lieben. Wie immer, wenn man Fragen von so tiefschürfender Bedeutung hat, wendet man sich am besten an seinen weisen, alten Hamstergroßvater. Die können sich noch an Zeiten erinnern, wo vieles ganz anders war. Und tatsächlich. Großvater erzählt, dass die Hamsterräder eigentlich eine Erfindung der Menschen sind. Und warum haben sie die erfunden, wollte ich wissen. Na ja, meinte mein Hamstergroßvater, sie verhalten sich selber manchmal sehr komisch und unvernünftig. Aber sie wollen es sich nicht eingestehen, deshalb schieben sie es uns in die Schuhe. Gibt es dafür denn noch mehr Beispiele? Jetzt war ich neugierig geworden. Großvater legte los – und begann sich in Rage zu reden. Unverschämt ist das! Wenn sie gierig sind und Dinge in Mengen an sich raffen, die sie selber gar nicht brauchen, nennen sie das „hamstern“. Dinge, die sie gar nicht brauchen oder in Mengen, die weit über den nächsten Winter hinaus reichen. Es gibt Hamsterkäufe und Hamsterfahrten, unglaublich! Dabei müssten sie das durch eher „menscheln“ nennen, denn nur die Menschen verhalten sich so. Oder hat schon mal jemand gesehen, dass wir hunderte Rollen  Klopapier in unseren Bau schleppen?

Als ich anfing, mir Sorgen um den Bluthochdruck meines Großvaters zu machen, beruhigte er sich langsam wieder. Weißt du, sagte er, sie haben es einfach nicht begriffen, dass wir zwar manchmal mit unseren prall gefüllten Hamsterbacken durch die Gegend laufen, dass darin dann aber nur die überlebensnotwendigen Vorräte für den nächsten Winter sind. Nicht mehr, und nicht weniger. Schließlich haben wir keinen SUV, um damit beim Bäcker unsere Brötchen zu holen. Wenn  sie schon Vergleiche zum Tierreich bemühen, dann sollten sie wenigstens genauer hinschauen. Bevor er sich nun wieder erneut in Rage reden konnte, dankte ich ihm für diese Auskunft.

Endlich konnte ich  mich wieder dieser wunderbaren Ruhe hingeben. Welche Ruhe? Ach ja, ich vergaß Euch zu sagen, dass ich bei dieser Aktion „Sieben Wochen ohne“ mitmache. Diesmal „sieben Wochen ohne Landgang“. Ich habe nämlich auf diesem kirchlichen Kreuzfahrtschiff „Aida Noah“ gebucht. Wirklich hart. Aber zum Glück gibt es ja diese Arche-Noah-Post, so dass ich Euch wenigsten schreiben kann.

Liebe Grüße, und wenn Ihr schon unbedingt „menscheln“ müsst, dann tut es, aber hört auf, es „hamstern“ zu nennen!

Herbert Busch-Prüßing