An(ge)dacht für den 3. Sonntag nach Epiphanias (21.01.2024)

Herr, ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach gehst, sondern sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund. (Mt 8,8)

Liebe Gemeinde,

ich muss schon sagen, er imponiert mir, dieser Hauptmann von Kapernaum, von dessen Begegnung mit Jesus das Evangelium nach Matthäus im 8. Kapitel berichtet (Verse 5-13). Wir erfahren zwar nicht, wie er heißt, aber dennoch verrät uns die Erzählung einiges über seine Person.

Strebsam und äußerst diszipliniert muss er gewesen sein, sonst hätte er es in seiner militärischen Laufbahn nicht so weit gebracht. Als Hauptmann von Kapernaum steht er im Dienst der römischen Besatzungs-macht. Als Soldat hat er das Kriegshandwerk gelernt; er ist gewohnt Befehle zu empfangen und selbst Befehle zu erteilen. Er kennt sich aus in den Macht- und Herrschaftsstrukturen seiner Zeit und weiß um seinen eigenen Platz darin. Er ist eindeutig kein Jude, so viel stellt die Erzählung klar, sondern einer, von dem wir nicht wissen, nach welcher Religion er lebt.

Als Hauptmann hat er Leute unter sich, das bringt das Amt mit sich, und doch widerlegt er in der Erzählung alle Vorurteile, die ein befangener Leser ihm gegenüber hegen könnte. Oder hätten Sie erwartet, dass uns ausgerechnet in diesem Hauptmann von Kapernaum ein Mann entgegentritt, der sich als verantwortungsvoller Vorgesetzter um die Gesundheit seines Knechtes sorgt? „Herr, mein Knecht liegt zu Hause und ist gelähmt und leidet große Qualen.“ (V.6)

Wie viel Gewalt und Brutalität muss dieser Mann im Laufe seines Dienstes schon gesehen und erlebt haben, und doch ist er darüber nicht hart geworden. Nein, das Schicksal seines Untergebenen rührt ihn vielmehr derart an, dass er die Gunst der Stunde nutzt, als Jesus nach Kapernaum hineingeht und ihn einfach anspricht und gleichsam um „Amtshilfe“ bittet. Nicht nur als Römer ist er angesichts der Leiden seines Knechtes nämlich mit seinem Latein am Ende. Es zeugt von der menschlichen Größe dieses Hauptmannes, dass er nicht nur um die Reichweite seiner Macht weiß (vgl. V. 9), sondern auch um deren Grenzen. Fürbittend tritt er hier bei Jesus, einem Mann aus dem unterworfenen und feindlich besetzten Land, für seinen leidenden Knecht ein – eine große Geste für einen hochstehenden Mann.

Die Antwort Jesu erfolgt prompt: „Ich will kommen und ihn gesund machen“ (V.7). Eigentlich könnte die Geschichte damit hier schon zu Ende sein – ist sie aber nicht. Vielmehr setzt der Hauptmann zu einer erstaunlichen Erwiderung an:

„Der Hauptmann antwortete und sprach: Herr, ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach gehst, sondern sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund. Denn auch ich bin ein Mensch, der einer Obrigkeit untersteht, und habe Soldaten unter mir; und wenn ich zu einem sage: Geh hin!, so geht er; und zu einem andern: Komm her!, so kommt er; und zu meinem Knecht: Tu das!, so tut er’s.“ (V.8-9)

„Sprich nur ein Wort.“ Der Hauptmann erwartet von Jesus etwas ganz Konkretes. Und er traut Jesus alles zu, selbst eine Fernheilung auf dem „kurzen Dienstweg“. Bittet, so wird euch gegeben… In geradezu dreister Erwartung nimmt der Hauptmann dieses Angebot Jesu für sich und seinen Knecht in Anspruch. Das Schicksal des Knechtes legt er damit ganz in Jesu Hände; als Vorgesetzter gibt er seine Verantwortung für den Kranken an Jesus ab. Und auch wenn seine Bitte hier scheinbar im gewohnten Befehlston daherkommt, so ereignet sich in dieser Szene doch das genaue Gegenteil. In radikaler Umkehrung der vorfindlichen irdischen Machtverhältnisse unterwirft sich der römische Hauptmann der von ihm mit seinen Worten anerkannten Vollmacht Jesu, eines Mannes aus dem von den Römern unterworfenen Volk. „Sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund.“

Und seine Worte bleiben nicht ohne Wirkung, denn es heißt weiter: „Als das Jesus hörte, wunderte er sich und sprach zu denen, die ihm nachfolgten: Wahrlich, ich sage euch: Solchen Glauben habe ich in Israel bei keinem gefunden!“ (V.10) Eine Wundergeschichte also – dieses Mal jedoch zunächst für Jesus. „Und Jesus sprach zu dem Hauptmann: Geh hin; dir geschehe, wie du geglaubt hast. Und sein Knecht wurde gesund zu derselben Stunde.“ (V.13)

Wenn der Glaube spricht, dann fallen Grenzen: zwischen Oben und Unten, zwischen Macht und Ohnmacht, zwischen Freund und Feind. Dann zählt – wie zu Anbeginn der Schöpfung – nur noch der Mensch vor Gott. Und aus dem Fremden wird ein Mensch wie ich – ein Mitmensch, mein Bruder, meine Schwester. Dann werden auch viele „kommen von Osten und von Westen und mit Abraham und Isaak und Jakob im Himmelreich zu Tisch sitzen“ (V.11). Ein Glaube, der Jesu Angebot beim Wort nimmt, der alles in seine Hände legt und alles von ihm erwartet: Sprich nur ein Wort … – grenzenloses Vertrauen!

In Jesus Christus begegnet uns das fleischgewordene Wort Gottes in Person. Ein Wort, das noch immer durch die Welt zieht, und Menschen aus allen Völkern und Nationen sucht, anspricht und in seine Nachfolge ruft. Tun wir es doch dem Hauptmann von Kapernaum gleich und bitten Gott, dass dieses alle Grenzen überschreitende Wort auch zu uns spreche und uns gebe, was ein jeder von uns am dringendsten braucht.

Amen.

Ihre Pfarrerin Dr. Gabi Kern