An(ge)dacht zum vorletzten Sonntag des Kirchenjahres am 19.November 2023

Was Erwartet Gott von Uns?

Ist dann die Nacht vorbei, leuchtet die Sonn,
weih ich mich dir aufs Neu vor deinem Thron,
baue mein Bet-El dir und jauchz mit Freuden hier:
Näher, mein Gott, zu dir,
näher zu dir!

Das ist das Lied, das ich immer gesungen habe, neben dem Kranken- und Sterbebett meines Opas. Da damals in unserer Kultur nicht üblich war, die ältere Menschen ins Pflegeheim zu bringen, haben wir ihn zu Hause gepflegt. Ich habe gezählt, dass es nicht weniger als 2.555 Tage waren, in den wir ihm unsere Liebe durch Pflege zeigten. Es steht immer vor meinen Augen, wie ich seine Fingernägel geschitten habe oder ihm das Lied: “Näher mein Gott zu dir” vorgesungen habe. Die letzte Strophe ist meine Lieblingstrophe. Wie immer, wenn ich die Lyric sang, habe ich sein Gesicht strahlend gesehen.

Ich konnte mir vorstellen, wie er sich nach dem Ende seines Lebens sehnte, um den Tod zu erleben. Nicht selten klagte er sogar, dass es ihm schon genug sei und begehrte nichts mehr, deshalb war ihm eine Unterhaltung dieses Lied zu hören. Ich konnte verstehen, dass die Hoffnung auf das Leben und die Vorstellung über den großen Schar vor dem Thron Gottes ihm durch dieses Liedes klarer geworden ist, deshalb hatte er keine Angst diese Welt zu verlassen. Am Tag als sein Scharg geschlossen wurde, sah ich zum letzten Mal sein lächendes Gesicht. Er verließ uns lächelnd und wir trauerten weinend. Er ging zu seinem Schöpfer, wie wir alle auch, eines Tages stehen vor den Augen des Herrn.

In Wirkichkeit stehen wir doch immer vor den Augen des Herren, weil es keine Zeit  und keinen Ort gibt, wohin wir ihm entfliehen können. Wenn wir das wissen, wissen wir auch, dass Gott von uns etwas erwartet, dass wir sein Doppelgänger erkennen, weil er zu uns manchmal im Gestalt eines Menschen kommt. Was bedeutet das eigentlicht? Dieser Sonntag ist Vorletztersonntag des Kirchenjahres, und in der Regel wird es als Friedensonntag oder Volkstrauertag gefeiert. Wir sehnen uns Welt, darin kein Krieg und Konflikte mehr gibt. Wir trauern, weil wir jeden Tag noch schlechte Nachrichten und bertrübende Ereignisse lesen und sehen.

Nach kirchlicher Perikophen ist ein Text aus dem Matthäusevangelium 25,31-46 sehr beliebt. Das ist ein Gleichnis Jesu über den Jüngstentag oder das Weltsgericht, als ein großer Schar vor dem Thron Gottes steht. Im Gestalt eines Gleichnis ist diese Rede gehalten worden, in dem die Menschen sortiert werden, wie ein Hirte Schafe und Ziege ihren Platz bestimmt. Es wird ein Ausstausch geben, zwischen den Gerechten oder den Ungerechten und dem Herrn. Die Frage ist gleichermassen gestellt, aber die Antwort ist ein Urteil. Sie fragten:

Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und haben dir zu essen gegeben? Oder durstig und haben dir zu trinken gegeben? Wann haben wir dich als Fremden gesehen und haben dich aufgenommen? Oder nackt und haben dich gekleidet? Wann haben wir dich krank oder im Gefängnis gesehen und sind zu dir gekommen?

Der Herr netterweiße wird die Frage beantworten:

Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.

Laut dem Matthäusevanggelium ist dieses Gleichnis zu Jesu letzter Lehre und Worte gezählt, weil er kurz danach ins Gericht gestellt und gekreuzigt wurde.  Statt ein Vermögen und Eigentum zu vererben, gab er seinen Anhängern ein Vermächtnis, und zwar eine Vorstellung der Situation im Himmelsreich. Und uns ist dieses Vermächtnis wirklich eine Warnung, dass wir alle ins Gericht kommen werden. Jeder von uns muss eine Verpflichtung tragen und Antwort geben, was wir in unserer weltlichen Pilgerschaft den anderen getan haben.

Jesus hat seine Hörern gezeigt, und das ist klar, dass Gott von uns Barmherzigkeit erwartet. Wir werden gefragt, was wir den Geringsten schon getan haben? Aber wer sind sie eigentlicht? Sie sind bestimmt unsere Mitbürgern und Mitbürgerinnen, die vom schlechten Schicksal geschlagen worden sind. Sie sind die Geflüchtete, deren Haus und Heimat von Krieg und Verfolgung zertört worden sind. Wir sehen sie jeden Tag auf der Straße oder neben unserem Haus. Sie sind bestimmt auch Menschen in der Ukraine, Gaza und Israel, die wegen unendlichen Kriegen keine Ruhe haben; die tags und nachts immer weinen und Angst haben. Sie sind die Menschen, die auf dem Boden zerstört sind.

Jedes Mal wenn wir Nachrichten lesen, sind wir trauriger und vezweilfelter geworden, als wären wir im Weltuntergang. Gibt es noch etwas Gutes zu erwarten in dieser verfeindeten Welt? Werden wir allesamt von Gott in die Hölle schicken, weil wir nichts machen, um diese Welt zu bessern und zu retten? Diese Fragen machen die Angst größer. Es wäre bestimmt einfacher und angenehmer, an der Seite den Reichen und Macht- und Befehlinhaber zu stehen. Aber unsere Berüfung ist ganz anders, weil Gott von uns Liebe erwartet, und diese ist frustrierend, weil wir immer wieder versagen, und wir verzagen deswegen.

Aber liebe Gemeinde, wir müssen daran immer errinern, dass Gott das Gericht nicht nach menschlichen Maßtäben führen wird. Er ist kein böser Richter, der ungerechtes Gericht durchführt, aber er ist barmherzig und seine Barmherzigkeit ist ohne Ende, deshalb haben wir immer Hoffnung, dass die Errettung bald kommen wird, und das Heil wird erfahrbar hier in dieser Zeit. Um das erleben zu können, müssen wir aber mitwirken, dadurch dass wir Liebe üben. Stellen wir vor, dass wir jede Minute von dem Thron Gottes stehen, mit der Vorstellung und dem Bewüsstein im Kopf, geben wir uns Mühe, den geringsten Brüder und Schwestern zu helfen. 

Ihr Pfr.Albert Purba

Abbildung: https://pixabay.com/de/photos/hammer-waage-gericht-justiz-recht-802296/