An(ge)dacht am 14. Sonntag nach Trinitatis, den 10. September 2023

Liebe Leserin und lieber Leser!
Zu diesem Sonntag gehören diese schönen und darum wohl auch berühmten Wochenpsalm-Verse: Lobe den Herrn, meine Seele, und was in mir ist, seinen heiligen Namen!
Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat. (Psalm 103, 1-2)
Psalm 103 ist ein Gebet, das sich nicht an Gott, sondern an die eigene Seele wendet. Er ist ein
betendes Selbstgespräch im Angesicht Gottes: „Lobe den Herrn, meine Seele!“
In der Bibel bezeichnet die Seele den Sitz der Gefühle, die Verbindung zwischen Körper und Geist;
das, was uns zu Menschen macht und uns leben lässt. Der menschliche Körper besteht nicht aus
Staub, wie man früher wegen der Vergänglichkeit meinte, sondern zum größten Teil aus Wasser,
Eiweiß, Fett und Mineralstoffen. Diese Substanzen wiederum sind aus den Elementen Wasserstoff, Sauerstoff, Kohlenstoff und Stickstoff zusammengesetzt. Neben der chemischen steht die seelische Zusammensetzung: Erst die Seele macht uns zu Menschen, die lieben und leiden können, sich freuen und trauern, sich erinnern und vergesslich und dankbar sein können. Zu ihr sprechen wir mit den Psalmworten: Lobe den Herrn!
Es ist bezeichnend, dass der Psalmbetende sagt: Lobe den Herrn, meine Seele. Die Seele möge den Herrn loben und nicht vergessen. Nicht der Verstand wird angeredet. Es geht hier ja nicht um
Merksätze oder Wahrheiten, die jemand in ein persönliches Notizbuch schreibt und dann hat man sie bei sich. Stattdessen fordern wir die Seele in unseren Liedern zum Gotteslob auf: „Auf, Seele, Gott zu loben“ oder „Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren, meine geliebete Seele, das ist mein Begehren.“ (EG 690 und 317) Denn „Die Güte des Herrn ist’s, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu. (…) Der Herr ist mein Teil, spricht meine Seele; darum will ich auf ihn hoffen.“ (Klagelieder Jer 3, 22f.) Durch solche biblischen Erfahrungen und Gesangbuch-Lieder danken wir Gott für jeden neuen Lebenstag wie für ein Geschenk, wie für etwas Besonderes, ein Wunder, keine Selbstverständlichkeit. Behutsam versucht Psalm 103, einer verzagten Seele Mut zu machen und ihr eine andere Perspektive zu geben: Jeden neuen Tag verdankst du Gottes Gnade und Barmherzigkeit, liebe Seele. Vergiss es nicht!
Durch die Lutherübersetzung sind wir die Ausdrucksweise „Lobe den Herrn“ gewohnt. Das
hebräische Wort für „loben“ heißt jedoch auch „segnen“. Wir müssten also sagen: „Segne den Herrn, meine Seele!“ Tue ihm etwas Gutes, gib ihm Ehre und Gewicht!
Gott segnen? Für uns protestantische Christ*innen ist das ungewohnt. Aber auch Gott braucht das
Lob. So wie uns ein Lob und ein Dank stärkt und erfreut, uns zum Strahlen bringt und anspornt, so
ist es auch bei Gott. Er sehnt sich danach, dass wir ihn segnen und damit zeigen, dass er uns etwas bedeutet. Segne ihn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat! Ein solcher Dank ist wie Balsam für die Seele.

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten, sonnigen Sonntag,
Pfarrer Andreas Smidt-Schellong

Nun lob, mein Seel, den Herren, was in mir ist, den Namen sein.
Sein Wohltat tut er mehren, vergiss es nicht, o Herze mein.
Hat dir dein Sünd vergeben und heilt dein Schwachheit groß,
er rett‘ dein armes Leben, nimmt dich in seinen Schoß,
mit reichem Trost beschüttet, verjüngt, dem Adler gleich;
der Herr schafft Recht, behütet, die leidn in seinem Reich. EG 289, 1
Anmerkung: Anregungen zu dieser Andacht verdanke ich einer Predigt von Jochen Denker und Magdalene L. Frettlöh, Theologie des Segens.