An(ge)dacht am 15. Sonntag nach Trinitatis (17.9.2023)

von Pfrn. Dr. Gabi Kern

Liebe Gemeinde,

„Sorgt euch nicht!“, so lautet die biblische Aufforderung dieses Sonntags (vgl. Matthäus 6,25-34). „Sorgt euch nicht!“ Leichter gesagt als getan. Denn wer macht sich bei einem Blick auf die Schlagzeilen und Nachrichten dieser Tage keine Sorgen um die Zukunft unserer Gesellschaft, um die Zukunft der Völker, um die Zukunft unseres Planeten Erde. Hinzu kommen für viele die Sorgen des Alltags: die Sorgen um Nahrung und Kleidung, um die steigenden Kosten für Wohnen und Energie, die Sorgen um kranke Angehörige und Freunde und nicht zuletzt um das Wohlergehen und Glück unserer Kinder. „Sorgen zu haben“ oder auch „sich Sorgen zu machen“ liegt offenkundig in unserer menschlichen Natur, weil wir immer wieder erfahren, wie gefährdet und zerbrechlich unser Leben letztlich ist und bleibt – trotz aller Versuche, es so gut wie möglich abzusichern. Und weil wir ahnen, nein, weil wir wissen, dass wir letzten Endes doch nie selbst Herr oder Frau unseres Lebens sind, so gern wir das in unserer menschlichen Selbst-Herr-lichkeit auch oft gern glauben möchten.

Und noch während wir so um uns selbst kreisen, trifft uns jenes Wort Jesu aus der Bergpredigt: „Sorgt euch nicht!“ Wohlgemerkt: Gemeint ist hier nicht ein Sorgen im Sinne von „Vorsorge treffen“, ein „Sich Kümmern um etwas oder andere“, ein Sorgen, das mich in die Aktivität ruft, sondern die Umkehr jener Gedanken in ihr Gegenteil: dass ich zum Spielball meiner Sorgen werde, dass ich nicht mehr herausfinde aus dem Teufelskreis des unruhigen Grübelns, des inneren Getriebenseins, dass mich die Angst vor der Zukunft beherrscht und gefangen nimmt, so dass es am Ende nicht mehr heißt „ich habe Sorgen“, sondern: „Die Sorgen haben mich.“

Diesen Teufelskreis will Jesus zerbrechen mit seinem Aufruf zur Sorgenfreiheit. Ich sage bewusst nicht Sorglosigkeit, denn auch ein Christ, eine Christin wird nicht von Sorgen verschont bleiben. Ein sorgloses Leben wäre ein paradiesischer Zustand, ein Zustand, auf den wir im vollendeten Reich Gottes den Verheißungen gemäß auch wieder zugehen, wenn es heißt, dass Gott selbst einst abwischen wird alle Tränen, und dass all das, was uns hier ängstigt, der Tod, Leid, Geschrei und Schmerz in seinem Reich nicht mehr sein werden (vgl. Offb 21,4), aber in der Zwischenzeit leben wir eben „jenseits von Eden“, als Menschen, die sicher nicht sorglos durchs Leben gehen, die aber im Vertrauen darauf leben sollen, dass Gott für uns sorgt.

„Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch“, heißt es im Wochenspruch aus dem 1. Petrusbrief (1. Petrus 5,7). Wenn ich diesen Satz ernst nehme, wenn ich meine Sorgen loslasse, dann sind sie noch lange nicht weg, so einfach ist es leider nicht. Aber es verändert sich etwas Entscheidendes: Wenn ich Gott meine Sorgen in die Hand lege, werde ich von ihnen frei in dem Sinne, dass sie ihre Macht über mich verlieren.

Was es dazu braucht, ist Mut und Vertrauen. Denn es kann sein, dass Gottes Wege und Pläne mit mir andere sind, als die ich mir selbst erdacht und erträumt habe. Was ist, wenn ich denke: Erfolg ist gut, und Gott sagt: Du sollst Demut lernen und bescheiden sein; wenn ich mir Gesundheit vorstelle, und Gott sagt: Krankheit ist dran; wenn ich mir vorstelle, dass alles so weiter geht wie bisher, und Gott sagt: Du brauchst Veränderung; wenn ich Frieden und Ruhe wünsche, und Gott schickt mich in eine Auseinandersetzung; wenn ich mir Leben wünsche, und Gott sagt: Es ist Zeit zum Sterben; wenn ich mir Pläne für die Kinder mache, und Gott hat ganz andere Wege mit ihnen vor; wenn ich mir Sicherheit für die Zukunft wünsche, und Gott sagt: Lerne mit der Unsicherheit zu leben?

„Gott sorgt für dich!“ Das heißt nicht: Gott kümmert sich darum, dass alles so läuft, wie du es dir wünschst. Es heißt auch nicht: Ich kann mich auf die faule Haut legen, denn Gott wird’s schon richten. Gott wird uns nicht abnehmen, dass wir unser Leben mit allen seinen Höhen und Tiefen durchleben, aber er will uns die Angst nehmen, die Angst davor, dass mein Leben den Bach runtergeht, wenn es anders läuft, als ich es mir vorgestellt habe.

„Sorget nicht!“, heißt: Ich vertraue Gott, dass er es besser weiß, was gut und schlecht für mich ist, auch wenn seine Wege andere sind als ich mir ausgemalt habe; ich vertraue darauf, dass es gut ist, auf ihn zu hören und seine Wege zu gehen; ich vertraue darauf, dass er mich liebt und für mich das Beste will, wie Paulus schreibt: „Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen“ (Röm 8,28); „alle Dinge“ – „zum Besten“. Gott hat die Macht, um seine Pläne für mein Leben zu einem guten Ziel zu führen.

Wenn du das für dich annehmen und glauben kannst, wenn du darauf vertraust, dass du Gott am Herzen liegst, glaubst du, dass du dann noch Grund zur Sorge hast?

Bleiben Sie behütet,
Ihre Pfrn. Gabi Kern