Geduld
„Herr gib mir Geduld, aber sofort.“ Ein Satz, der oftmals über meinem Leben stehen könnte. Ich bin sehr ungeduldig. Meine Mutter hat ihn damals öfter mit einem Lächeln auf den Lippen zu mir gesagt, wenn ich wieder einmal nicht abwarten konnte. Besonders für Kinder ist die Geduld eine harte Probe. Die Wahrnehmung von Zeit ist einfach eine ganz andere, als die von Erwachsenen. Ich hatte jedenfalls keine Geduld, wenn ich auf meinen Geburtstag gewartet habe.
Nur noch dreimal Schlafen, dann ist es soweit. Oh weh dreimal noch!…. Für mich damals eine Ewigkeit, der ich in freudiger Erwartung war. Auch heute noch fällt es mir noch schwer, mich zu gedulden. Die Zeit zieht sich, wenn man sehnlichst den Urlaub oder den Besuch eines guten Freundes erwartet.
Besonders schwer und existenziell ist das Abwarten bei einer Krankheit oder in der Angst vor einer OP. Heilung braucht sehr viel Geduld und Zeit; die kann manchmal unerträglich werden. Das ein oder andere Mal kann der sprichwörtliche Geduldsfaden auch reißen. Besonders in unserer Textilstadt Herford ist dieses Bild, von dem bereits Goethe und die Gebrüder Grimm Gebrauch machten, ein sehr passendes, wie ich finde. Wie lang ist mein Geduldsfaden, bis er abgelaufen ist? Wie belastbar ist er, bis das er reißt? Kurz: Wo ist meine Grenze der Belastbarkeit? Auch für uns als Christ:innen gehört Geduld dazu. Wir sind in der Erwartung der Wiederkunft Christ. Doch wann wird das sein? Wann erfüllt sich das, was uns verheißen ist? Wann wird die gerechtere Welt endlich Wirklichkeit?
Diese Frage stellt sich auch die Gemeinde an die sich der Hebräerbrief richtet. Eine Ungeduld macht sich unter den Gemeindegliedern breit. Sie werden verfolgt und verlacht. Wie schwer ist es in solch schweren Zeiten da, die Geduld zu behalten? Der Brief jedoch will den Menschen Mut machen und auch wir Heute können uns die Art dieses Textes als Geduldshilfe zu eigen machen.
Überraschend wirft er zunächst einen Blick zurück; nimmt das in den Blick, was schon geschafft und überstanden ist. Schmerzen, Leid, Schmähungen und Bedrängnis: ganz vieles liegt schon hinter der Gemeinde und einige Probleme sind schon jetzt bewältigt. Schau auf das, was du schon geschafft und überstanden hast.
„Darum werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat. Geduld aber habt ihr nötig, damit ihr den Willen Gottes tut und das Verheißene empfangen.“, ruft der Verfasser des Hebräerbriefes darauf der Gemeinde zu. Da ist sie wieder, die Geduld. An ihr kommen wir nicht vorbei. Doch das Vertrauen auf Gott, das Durchhalten in schweren Zeiten, wird eine Belohnung haben. Das versichert uns der Text. „Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und eine unbedingte Gewissheit dessen, was man nicht sieht.“
Der Glaube ist eine große Herausforderung, das erleben wir immer wieder. Glaube bedeutet nicht, dass ich nicht auch ungeduldig, manchmal auch verzweifelt oder wütend sein darf. Auch das gehört leider dazu. Und dennoch ist da Gottes große Zusage. Hinter dem Versprechen Gottes an uns nicht ein wages: „Mal sehen, vielleicht wird es sich erfüllen.“ Gottes Zusage steht fest und auf sie ist Verlass, wie groß die Anfechtung auch sein mag.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie einen Blick zurückwerfen können auf das, was Sie bereits geschafft haben und einen vertrauensvollen Blick auf das, was uns versprochen ist. Denn so schließt der Abschnitt des Hebräerbriefes: „Wir aber sind nicht von denen die zurückweichen und verdammt werden, sondern von denen die Glauben und die Seele erretten.“
Gottes Segen wünscht Ihnen
Ihr Vikar Lars-Manuel Stötzel