An(ge)dacht zum 20. August 2023

Zwei Menschen gehen in der Geschichte, die Jesus erzählt, in denselben Gottesdienst und geraten wegen ihrer großen Unterschiede in einen Vergleich. Beide sind offensichtlich fromm und gottesfürchtig.
Da ist zunächst ein Pharisäer. Er ist korrekt und tüchtig. Er lebt und arbeitet in geordneten Verhältnissen. Sein Glaubensleben ist ihm äußerst wichtig. Er betet mehrmals
täglich, geht regelmäßig zum Gottesdienst und hält strengstens die Gebote. Gottes
Wort gehört zu seinem Fundament. Und ich kann gut verstehen, dass er sehr dankbar
ist, wie sein Leben verläuft. Das Dankgebet, das er vor Gott ausspricht, kommt sicherlich aus tiefstem Herzen: „Ich danke dir, Gott, dass ich nicht bin wie die andern Leute,
Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner. Ich faste zweimal in der
Woche und gebe den Zehnten von allem, was ich einnehme.“ Zufrieden schaut er auf
seine Verdienste und auf seine guten Werke.
Aber da ist im Gottesdienst dieser zweite Mann. Er ist Zöllner. Diese hatten damals nicht den besten Ruf. Sie gelten als Betrüger, da sie, um im damaligen System überhaupt überleben zu können, den Leuten an den Zollstationen viel, oft zu viel Geld abnahmen.
Dieser Zöllner ist allerdings fromm, denn er geht in den Tempel, um zu beten. Er steht mit gesenktem Kopf vor Gott. Er wagt kaum seine Augen aufzuheben. Er schlägt sich an die Brust und betet: „Gott, sei mir Sünder gnädig!“
Er weiß um seine Fehler und Schwächen. Er sieht, dass er mit seinem Verhalten immer wieder Schuld auf sich lädt. Dem Zöllner ist das sehr bewusst und er weiß, dass er sich vor Gott nicht rechtfertigen kann. So lautet sein Gebet: „Gott, sei mir Sünder gnädig!“ Er gibt sich in Gottes Hand. Das würdigt Jesus in dieser Geschichte.
Zwei Menschen hat Jesus uns vorgestellt, zwei Menschen, die unterschiedlich fromm sind. Der eine ist Gott dankbar. Er ist froh, sein Leben im Griff zu haben. Er verweist auf seine guten Werke und ist zufrieden. Der andere, der Zöllner, ist bedrückt und beschämt, er weiß um seine Schuld, er bittet Gott um Erbarmen.
Bei wem finden wir uns wieder? Es ist wohl klar, dass wir nicht wie der Pharisäer sein wollen. Er baut auf seine guten Werke und meint Gott damit zu überzeugen. „Bin ich nicht ein prima Kerl?“ scheint er zu fragen.
Aber wollen wir sein wie der Zöllner? Er sieht, dass er schuldig ist. Das bedrückt ihn so sehr, dass er nur mit gesenktem Kopf vor Gott tritt. Er ist der zerknirschte Sünder, der droht in ein anderes Extrem zu verfallen. „Bin ich nicht ein armer Kerl?“ so scheint er zu fragen.
Vielleicht, so mögen wir jetzt denken, ist es gut, dass wir uns in keinem so recht wiederfinden. Wir haben nicht das sündige Leben des Zöllners und nicht die Arroganz des Pharisäers. Und so stellen wir vielleicht mit innerer Genugtuung fest: „Ich bin besser als beide!“
Blicken wir aber doch einmal von den beiden weg und blicken darauf, was Jesus uns gesagt und vorgelebt hat. Es ist gar nicht entscheidend, was wir meinen, wie wir für Gott sind, ob gut oder schlecht, sondern allein wichtig ist, was Gott für uns ist. Es kommt vor Gott nicht auf unsere Verdienste an. Und wir stellen fest, dass auch der Frömmste nicht wirklich in Werken, Worten und Gedanken ganz und gar nach Gottes
Willem leben kann.
Und dennoch ist es sinnvoll und hilfreich, sich immer wieder an Vorbildern zu orientieren und auszurichten. Ihre Beispiele können helfen, eigene Fehler zu überwinden und das eigene Leben zu verbessern. Aber auf andere herabzublicken, um festzustellen, dass man besser ist als jene anderen, hilft weder im Leben noch erst recht vor Gott gar nichts.
Wenn wir mit unserem Gebet und unserer Schuld vor Gott stehen, dann sind wir ganz direkt gefragt und müssen bekennen. Dann können wir nur noch auf uns schauen und vor Scham erröten und bekennen: „Gott, sei mir Sünder gnädig!“ Dann dürfen wir auf Jesus und auf seine Gnade hoffen.


Ich wünsche Ihnen eine gute Woche unter Gottes Segen!
Ihr Pfarrer Johannes Beer