An(ge)dacht zum 5. Sonntag nach Trinitatis, 9. Juli 2023

zu Johannes 1,35-51

Suchen, Sehen, Erleben

Suchen, Sehen und Erleben, so finden Menschen Jesus und folgen ihm nach.

Zwei Jünger des Täufers Johannes, dem Vorläufer und Wegbereiter Jesu, haben es erlebt. Die beiden haben Johannes predigen hören, sie sahen, wie er taufte und sie glaubten sich dem Messias schon ganz nah. Sie haben aber auch begriffen, dass Johannes nicht der Messias ist, sondern, dass er genau wie sie auf ihn wartet. Nun geschieht eines Tages etwas, was ihr Leben vollständig umkrempelt.

Johannes ist mit den beiden Jüngern am Jordan unterwegs. Da kommt Jesus vorbei und Johannes sagt zu den beiden: „Siehe, das ist Gottes Lamm“. Dieser kurze, überraschende Satz berührt die beiden Männer in besonderer Weise. „Gottes Lamm“ ist ein Begriff, den sie natürlich kennen. Er weist hin auf das Lamm, das zum Passahfest geschlachtet wird. Durch das Blut eines Lammes wurden die Israeliten gerettet, weil alle Häuser, deren Türpfosten mit dem Blut gekennzeichnet waren, Gott verschonte. Will Johannes ihnen auch sagen, dass sie durch das Blut Jesu gerettet werden? Gottes Lamm steht jedenfalls für Rettung, und die beiden Jünger des Johannes assoziieren mit Jesus Rettung und gehen spontan Jesus nach.

Der eine ist Andreas, der Bruder von Simon Petrus, der andere wird nicht mit Namen genannt. Sie folgen Jesus, sie wollen wissen, was er für ein Mensch ist. Jesus bemerkt die beiden und spricht sie an: „Was sucht ihr?“ Diese Frage deckt auf, was die beiden wirklich bewegt und sie fühlen sich erkannt. Ja, sie sind auf der Suche, auf der Suche nach dem Messias.

Verwirrt antworten sie mit einer Gegenfrage: „Rabbi, wo ist deine Herberge?“ Sie nennen Jesus „Rabbi“ und sehen in ihm damit einen Lehrer Israels, der ihnen raten kann, der sie unterrichten wird. Sie wollen wissen, wo Jesus herkommt, wohin er geht, wo seine Bleibe ist. Sie wollen ihn genau kennenlernen.

Und Jesus lädt die beiden ein: „Kommt und seht!“ Er erklärt ihnen nichts, er hält ihnen keinen Vortrag, er führt sie nicht zu seiner Wohnung, nein, er fordert sie schlicht auf, ihn zu begleiten. Einen ganzen Tag gehen sie mit Jesus, und dann gehen sie ihr ganzes Leben mit ihm. Denn Jesus eröffnet den beiden Suchenden, wer er ist. Er macht ihnen klar: So lebe ich, so bin ich. Die beiden Jünger des Johannes beobachten, sehen und erkennen in Jesus den, den sie suchen. Aus den Johannesjüngern werden Jesusjünger. Dieses entscheidende Ereignis ist so wichtig, dass sogar die Uhrzeit genannt wird, in der es geschieht: Es war aber um die zehnte Stunde, heißt es, also etwa vier Uhr nachmittags.

Das erste, was Andreas danach tut, ist, seinem Bruder Simon von diesem Ereignis zu erzählen. Er ist sicherlich sehr aufgewühlt und aufgeregt, als er sagt: „Wir haben den Messias gefunden.“ Klar und fest sagt Andreas diese Worte zu Simon, als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt. Sein Herz geht über und sein Bruder soll an seiner Freude teilhaben. So bringt Andreas Simon zu Jesus, und Jesus beruft auch ihn in seinen Dienst mit den Worten: „Du bist Simon, du sollst Kephas, der Fels, heißen.“

Einen weiteren Mann ruft Jesus in seine Nachfolge, Philippus. Er ist aus dem gleichen Ort wie Andreas und Petrus. Und er folgt Jesu Aufforderung, sich ihm anzuschließen.

Philippus nun wieder spricht Nathanael an: „Wir haben den gefunden, von dem Mose im Gesetz und die Propheten geschrieben haben, Jesus, Josefs Sohn, aus Nazareth.“ Nathanael ist skeptisch: „Was kann aus Nazareth Gutes kommen!“ Philippus versteht diese Zurückhaltung nicht. Und er fordert Nathanael auf: „Komm und sieh!“ Genauso wie Jesus Andreas und den anderen Johannesjünger ermutigt hatte, lockt jetzt Philippus Nathanael. „Sieh dir das Ganze erst einmal an, bevor du ein Urteil fällst!“ Sehen und Erleben sind die Schlüssel zur Nachfolge.

Da spricht Jesus Nathanael an und zeigt ihm, wie gut er ihn kennt. Nathanael ist überrascht, und spontan legt er ein Glaubensbekenntnis ab: „Rabbi, du bist Gottes Sohn, du bist der König von Israel!“

Menschen sind auf der Suche nach dem Messias. Sie fragen, sie wollen mehr wissen, mehr kennen lernen, mehr begreifen. Sie hören etwas von Jesus, sie begegnen ihm und sehen wie Jesus ist, und sie nennen ihn Lamm Gottes oder Rabbi oder der, von dem Mose und die Propheten geschrieben haben oder Messias oder Gottes Sohn. Ungeordnet und vielfältig sind die Eindrücke. Doch diese Menschen haben sich anrühren lassen und gespürt, dass sie zu Jesus gehören möchten.

Suchen, Sehen und Erleben berühren und öffnen das Herz, und Menschen sehen in Jesus aus Nazareth den Messias, der ihnen den Himmel öffnet.

Eine gute, gesegnete Woche!
Ihre Pfarrerin Annette Beer