An(ge)dacht für die Weihnachtstage 2021

Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns und wir sahen seine Herrlichkeit.

Johannes 1,14a

Weihnachten: Gott kommt auf die Erde. Er kommt zu den Menschen und will bei ihnen wohnen. Er will ihnen nahe sein, und die Menschen sollen ihn besser kennenlernen.

Weihnachten: Gott kommt auf die Erde und wird Mensch. Wie ist das möglich? Gott, der so mächtig ist, der oftmals so fern und unnahbar scheint, der rätselhaft bleibt und geheimnisvoll ist, der nur ein Wort sprechen muss und die Welt entsteht, der seine Liebe und Güte auf die vielfältigste Weise zeigen kann, der sich aber auch für einen kleinen Augenblick abwenden kann: Dieser Gott beschließt, Mensch zu werden. Denn nur so kann er den Menschen nahe kommen, nur so können sie ihn wirklich kennen lernen.

Im Johannesevangelium klingt die Weihnachtsbotschaft so: Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns und wir sahen seine Herrlichkeit. Da findet sich keine lange Geschichte so wie beim Evangelisten Lukas. Hier wird das ganze wunderbare Geschehen in einem Satz ausgedrückt.
Das Wort Gottes, damit meint der Evangelist Johannes Jesus, Gottes Sohn. Jesus bringt nicht nur die Nachricht von Gottes Liebe in die Welt, er zeigt den Menschen nicht nur ein Stück von Gottes Reich, sondern er selbst ist Inhalt dieser Botschaft, in ihm wird Gottes Reich sichtbar und erfahrbar. In Jesus kommt Gott selbst auf die Welt und will unter den Menschen wohnen.

Gott wohnt bei den Menschen. Wie sieht das aus? Er wird als kleines hilfloses Kind in diese Welt hineingeboren und bekommt den Namen Jesus. Seine erste Bleibe teilt Jesus mit Tieren, er schläft in einer Futterkrippe. Seine Mutter Maria hat die gleichen Mühen mit ihm wie alle jungen Mütter mit ihren neugeborenen Kindern. Später, als Heranwachsender, wird sich Jesus mit den gleichen Problemen herumgeschlagen haben wie alle Jugendlichen dieser Welt. Er hat Gleiches erlebt und durchlitten. Er hat gelernt und gearbeitet. Er kannte Freizeit und Ruhe. Er war traurig und fröhlich. Er kannte Ärger und Freude. Jesus hatte als wahrer Mensch ein ganz normales menschliches Leben.

Gott wurde zwar ein wahrer und richtiger Mensch, aber er gab seine Gottheit damit nicht auf. Gott bleibt Gott, auch wenn er auf die Erde kommt. So war Jesus wahrer Mensch und wahrer Gott. Und sein Gott-Sein, wurde ja auch an vielen Stellen seines Erdenlebens sichtbar und spürbar. In dem, was er tat, wie er zuhörte, wie er heilte und Menschen froh machte und sie von allem entlastete, was sie beschwerte, sahen sie, dass hier Gott am Werk ist und kein Mensch. Sie sahen Gottes Herrlichkeit. Sie sahen etwas davon, wie groß Gottes Macht ist.
Gott, der doch zuvor viel zu oft fern und unnahbar schien, zeigte sich als Mensch unter Menschen und die Menschen begriffen: Wer unser Leben so genau kennt, wem nichts Menschliches fremd ist, dem können wir vertrauen, dem können wir von unseren Sorgen erzählen, denn er versteht, was wir meinen, er kann sich mit uns freuen und mit uns weinen, dem können wir von all dem, was im Leben misslungen ist, erzählen, und auch das versteht er, denn er hat ja all das kennengelernt. Ihm können wir uns anvertrauen, er weiß, was uns bewegt.

Doch Gott wollte noch mehr. Er wollte nicht nur unter den Menschen wohnen, sie kennen lernen und sie begleiten. Er wollte auch, dass nichts mehr zwischen ihm und den Menschen steht. Die Menschen werden immer wieder schuldig, sie versagen, sie machen Fehler und all das steht nicht nur zwischen den Menschen untereinander, all das steht auch zwischen ihnen und Gott. Doch Gott wollte aus der Welt schaffen, was trennt.
Deswegen ging Jesus für uns Menschen in den Tod. Als wahrer Mensch ging Jesus in den Tod, doch als wahrer Gott hat er uns von aller Schuld befreit. Und schließlich hat Jesus den Tod überwunden. Jesus, Gottes Sohn, ist auferstanden und hat damit dem Tod für immer die Macht genommen. Damit ist uns Menschen das größte Geschenk gemacht worden: Weil Jesus auferstanden ist, bleiben auch wir nicht im Tod, sondern haben ein neues, ewiges Leben bei Gott.

Gott wurde Mensch wie wir. Und: Gott ist da. Niemals hat er hat die Welt verlassen und uns unserem Schicksal überlassen. Gott ist da in jedem Augenblick unseres Lebens. Er wohnt mitten unter uns, um uns nah zu sein, um zuzuhören, mitzutragen, mitzugehen und um uns letztlich ans Ziel zu bringen. Dieses Ziel ist das Leben in Gottes Herrlichkeit. Dann werden wir Menschen für immer bei Gott wohnen und Gott ganz genau kennen lernen.

Wie sieht es aus, bei Gott zu wohnen? Als Jesus kam, brachte er ein Stück von Gottes Herrlichkeit mit. All das, was Menschen an Gutem erleben, alle Fürsorge, alle Liebe, alle Hilfe sind Zeichen seiner Herrlichkeit. Im täglichen Leben erfahren wir also immer wieder ein Stück von Gottes Herrlichkeit: Wenn Schuld verziehen wird, wenn sich Menschen vertragen und sie noch einmal neu beginnen, dann entdecken sie Gottes Herrlichkeit. Wenn Streit geschlichtet wird und Menschen aufeinander zugehen, wenn Menschen sich gegenseitig ernst nehmen und annehmen, wenn Menschen gesund werden oder wenn sie ihre Krankheit annehmen können, auch dann erleben sie Gottes Herrlichkeit. Wenn ein Mensch geboren wird, aber auch wenn ein Mensch in Frieden sterben darf, immer ist Gottes Herrlichkeit spürbar. Wenn das Leben gelingt, stehen Menschen im Glanz Gottes und erfahren, wie herrlich es bei Gott ist.
So entdecken wir im täglichen Leben kleine Zeichen von Gottes Zuhause, das uns nach unserem Tod in seiner ganzen Herrlichkeit erwartet.

Weihnachten: Gott kommt auf die Erde, um unter uns zu wohnen. Nehmen wir ihn auf, in unsere Herzen, in unser Leben, lassen wir uns immer wieder ein Stück von seiner Herrlichkeit zeigen, auch dann, wenn Weihnachten schon lange vorbei ist. Amen.

Gesegnete und frohe Weihnachtstage!
Ihre Pastorin Annette Beer

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Abbildung: „Maria im Wöchnerinnenstuhl“ Emporenbild in der Herforder Jakobikirche, 17. Jahrhundert