An(ge)dacht für den letzten Sonntag nach Epiphanias am 28. Januar 2024

zu Matthäus 17,1-9

Gottes Nähe spüren

Gott zu spüren, ist eine großartige Erfahrung. Gott ist ganz nah und hüllt einen Menschen in seine Gegenwart ein. Wie eine große schützende Wolke umgibt dieser Mensch Gottes Gegenwart. Unendlich geborgen und sicher fühlt sich der Mensch, der so etwas erlebt. Es ist vielleicht nur ein Augenblick. Doch er hat eine große Wirkung, denn dieser Mensch geht gestärkt und leichten, frohen Herzens zurück in den Alltag. Es ist ein wunderbares Erlebnis.

Petrus, Jakobus und Johannes machen eine solche Gotteserfahrung. Sie erleben etwas Unglaubliches, etwas Unerklärliches. Allerdings dürfen sie nicht darüber sprechen. Aber, wer hätte sie auch verstanden? Gotteserfahrungen sind sehr persönlich und im Grunde kann man sie nicht mit jemandem teilen.

Die Verklärung Jesu, die die drei Jünger miterleben, ist eine besondere Gotteserfahrung. Sie galt diesen drei Jüngern und doch haben wir alle heute noch daran Anteil. Auf unzähligen Bildern ist die Verklärung Jesu abgebildet worden, auf Kupferstichen, in alten Bilderbibeln, als Mosaik und auf Ikonen.

Lassen wir ein Bild vor uns entstehen: Ein hoher Berg ist zu erkennen. In der Mitte des Bildes ist leicht erhöht Jesus zu sehen. Alle Blicke werden sofort auf ihn gelenkt. Jesus ist verklärt, sein Aussehen ist verwandelt. Ein Strahlenkranz umgibt ihn. Hell strahlt seine Gestalt, sein Gesicht leuchtet. Rechts und links neben Jesus stehen Mose und Elia. Moses ist an den Gesetzestafeln zu erkennen, die er in der Hand hält. Auf seinem Kopf sind zwei Strahlen sichtbar, es sieht aus, als wäre Mose gehörnt. Die beiden Hörner oder Strahlen erinnern daran, dass Moses Gesicht strahlte und glänzte, wenn Gott mit ihm sprach. Sein Gesicht leuchtete so sehr, dass er eine Decke auf den Kopf legen musste, um niemanden zu blenden. Strahlen umgaben sein Gesicht, und diese Strahlen waren ein Abglanz von der Herrlichkeit Gottes.

Im unteren Teil des Bildes sehen wir die drei Jünger, die Jesus mit sich auf den Berg nahm: Petrus, Jakobus und Johannes. Voller Furcht sind sie dargestellt. Der Schreck über das, was sie erleben und mit ansehen, hat sie zu Boden geworfen. Das helle Licht, das von Jesus ausgeht, blendet sie und sie schützen ihre Augen. Und doch können sie nicht wegsehen. Das, was da geschieht, fasziniert sie und nimmt sie gefangen.

Petrus fasst sich als erster und sagt: „Herr, hier gefällt es uns. Wenn du willst, werden wir drei Hütten bauen, eine für dich, eine für Mose und eine für Elia.“ Petrus erkennt, dass hier etwas ganz besonderes geschieht. Er erkennt Mose und Elia und er will den dreien Häuser bauen, einen Ort, wo man sie verehren kann.

Elia, der Prophet war ein besonderer Mensch, weil er nicht gestorben ist wie andere Menschen. Er wurde entrückt. In einem Wagen aus Feuer, gezogen von feurigen Pferden, wurde Elia in einem Wirbelsturm zum Himmel hinaufgetragen. Außerdem sah man in Elia den Vorläufer des Messias und wenn Elia erscheint, bedeutet das: Der Messias kommt, eine neue Zeit bricht an.

Mose vertritt das Gesetz. Er hat von Gott die Gesetze offenbart bekommt, er ist mit den Gesetzestafeln dargestellt. In der neuen Zeit, die anbricht, wird dieses Gesetz erfüllt und überwunden. So ist es verheißen.

Das alles weiß Petrus, als Mose und Elia erscheinen. Und er begreift, dass die beiden eine neue Zeit ankündigen. Diesen Augenblick will Petrus festhalten: „Wenn du willst, werden wir hier drei Hütten bauen.“

Doch noch während er redet, geschieht etwas zweites Wunderbares. Eine leuchtende Wolke überschattet sie. Die Wolke ist immer ein Zeichen, das Gott selbst da ist. Gott offenbart sich den drei Jüngern Petrus, Jakobus und Johannes. Gott spricht aus der Wolke: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören.“

Als Jesus getauft wurde, da sprach Gott vom Himmel herab die gleichen Worte. Gott bekennt sich zu seinem Sohn und offenbart, dass Jesus der Messias ist. Gott sagt: „Den sollt ihr hören! Ihm sollt ihr folgen.“ Das bekräftigt noch einmal, wie wichtig es Gott ist, dass die Menschen begreifen, wer Jesus ist: Jesus ist ein Mensch aus Fleisch und Blut. Er ist ganz Mensch mit allem, was dazu gehört: mit Freude und Kummer, mit Schmerz und Anfechtung. Aber zugleich ist er auch Gottes Sohn und damit Gott selbst, mit allem was dazu gehört: er hat Vollmacht, er kann das Gesetz erfüllen, er kann Sünden vergeben, er kann Wunder tun und von den Toten auferwecken.

Hört auf ihn! sagt Gott. Das, was Jesus sagt, sind Gottes Worte. Das, was Jesus tut, ist von Gott gewollt. Wer Gottes Herrlichkeit erfahren will, muss auf Jesus sehen und ihm folgen.

Petrus, Jakobus und Johannes hören die Stimme Gottes, sie sehen in Jesus Gottes Sohn und sie fallen vor Angst und Schrecken zu Boden. Das, was sie erleben, wirft sie um. Gott zu begegnen, wirft einen um.

Doch da tritt Jesus zu ihnen und berührt sie. Jesus rührt sie an, wie er Kranke und Tote anrührt, so wie er Kranke gesund macht und Tote auferstehen lässt. Und er spricht zu seinen Jüngern wie in einer Heilungsgeschichte: „Steht auf! Fürchtet euch nicht!“ Jesus tritt aus der Welt Gottes hinaus zurück in die irdische Welt. Er nimmt seinen Jüngern die Furcht und richtet sie auf. Petrus, Jakobus und Johannes wagen aufzublicken und sie sehen niemanden außer Jesus. Alles ist wie vorher. Die Erscheinung, die Vision, die Gotteserfahrung ist vorbei.

Sie gehen mit Jesus zurück den Berg hinab. Wie aufgeregt sie wohl gewesen sind! Sie haben Wunderbares, Unglaubliches erlebt und sie werden darüber gesprochen haben. Ich kann mir vorstellen, wie ihre Herzen geklopft haben und sie durcheinander gesprochen haben. Jeder will das Erlebte loswerden. Die Gefühle sind so stark, dass sie sie nicht für sich behalten können und sie brennen darauf, den anderen davon zu erzählen. Doch Jesus sagt ihnen: „Ihr sollt von dieser Erscheinung niemandem sagen, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden ist.“ Noch ist das Unglaubliche auch unbegreiflich. Noch ist die Stunde nicht da, dass alle begreifen, wer Jesus wirklich ist. Diese sehr persönliche Erfahrung ist anderen nicht so ohne weiteres glaubhaft zu machen.

Petrus, Jakobus und Johannes gehen zurück in die Wirklichkeit, in den Alltag mit all seinen Mühen und Plagen. Doch sie nehmen etwas mit. Sie haben Gottes Herrlichkeit gesehen. Das verändert ihren Alltag. Auch wenn niemand versteht, was sie erlebt haben, ist es doch für sie ungeheuer wichtig zu wissen, dass in Jesus Gottes Sohn mit ihnen geht.

Gott zu spüren, ist eine großartige Erfahrung. Es ist sehr persönlich und für Außenstehende vielleicht unverständlich und unakzeptabel. Aber das macht nichts. Wichtig ist, was ich erlebt und erspürt habe. Es ist etwas, was nur mir gehört und was mich gestärkt an Leib und Seele sicherer in die irdische Welt zurückgehen lässt.

Möge Ihnen die Herrlichkeit Gottes erscheinen!
Ihre Pfarrerin Annette Beer

(Abbildung: Julius Schnorr von Carolsfeld: Die Verklärung Jesu, 1852-1860)