An(ge)dacht zum 2. Adventssonntag am 10. Dezember 2023

(zu Offenbarung 3,7-13)

Die offene Tür

In der Adventszeit gab es in meiner Kindheit mehr geschlossene Türen als zu anderen Jahreszeiten. Hinter ihnen wurde gebastelt oder wurden Geschenke eingepackt. Aber vor allem war ab einem gewissen Zeitpunkt die Tür zum Wohnzimmer geschlossen und abgeschlossen. Wir Kinder durften da nicht hinein. Und dann am Heiligen Abend versammelte sich die Familie nach dem Gottesdienstbesuch und dem Abendessen vor dieser verschlossenen Tür und sang Weihnachtslieder. Und wenn dann erklang „Heut schleußt er wieder auf die Tür zum schönen Paradeis“, öffnete mein Vater langsam die Tür und wir traten in das Weihnachtszimmer, in dessen Mitte der Weihnachtsbaum im Glanz vieler Lichter erstrahlte.

Oft haben meine Eltern dann von der Symbolik erzählt, dass der Weihnachtsbaum mit seinen Äpfeln und roten Kugeln, die an die Äpfel erinnern sollen, für den Baum der Erkenntnis in der Mitte des Paradieses steht. Und dass, nachdem Adam und Eva aus dem Paradies vertrieben wurden, eben die Tür des Paradieses fest verschlossen wurde. Und dass durch Jesu Wirken auf der Erde, das mit seiner Geburt im Stall beginnt, eben diese Tür für uns wieder geöffnet wurde.

Darüber freuen wir uns und deswegen bereiten wir uns in der Adventszeit auf Weihnachten, auf die Geburt von Gottes Sohn in der Welt vor. Wir freuen uns auf sein Kommen und auf das Öffnen dieser Paradiesestür.

Und jetzt, am zweiten Sonntag im Advent, hören wir in dem Text aus der Offenbarung des Johannes, dass der auferstandene Jesus sagt: „Siehe, ich habe vor dir eine Tür aufgetan, die niemand zuschließen kann.“ Meint er damit diese Paradiesestür, so dass wir wieder in den Garten Eden einziehen können?

Ja und Nein. Natürlich wird durch Jesus, durch sein Handeln, durch sein Leiden, Sterben und Auferstehen alles weggenommen, was uns von Gott trennt. Die Kluft zwischen Gott und uns, die durch unser Leben, in dem wir uns nie ganz zu Gott halten und an seinem Willen ausrichten, hervorgerufen wurde, hat Gott durch seinen Sohn überwunden. Aber es wird nie wieder einen Garten Eden, wie er in der Bibel beschrieben wird, auf Erden geben. Das ist ein schönes Bild für den Anfang von Gottes Beziehung zu den Menschen und für die Sehnsucht.

Aber unsere Hoffnung ist viel größer. Die Tür, die Jesus für uns geöffnet hat und die niemand wieder vor uns verschließen kann, führt zu viel mehr als dem Garten Eden. In diesem Sendschreiben des Johannes an die Gemeinde in Philadelphia wird nur angedeutet, was in den späteren Visionen in diesem Buch der Offenbarung genauer geschildert wird.

Der Auferstandene spricht vom „Tempel meines Gottes“ und vom „neuen Jerusalem, das vom Himmel herniederkommt von meinem Gott, und meinen Namen, den neuen.“ Beides sind sprachliche Bilder für das Reich Gottes, das uns hier verheißen ist und auf das wir hoffen. Und im 21. Kapitel der Offenbarung wird dies Bild vom neuen Jerusalem ausgemalt: „Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden seine Völker sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.“ (Offenbarung 21,3+4)

Und die Tür zu diesem Reich Gottes hat Jesus Christus, der Sohn Davids, geöffnet. Er hat sie für uns durch sein Leiden, Sterben und Auferstehen geöffnet, für uns, die wir zu ihm gehören. In der Taufe haben wir bereits die Krone, beziehungsweise den Siegeskranz, wie dieses Wort aus dem Griechischen vielleicht treffender zu übersetzen ist, aufgesetzt bekommen. Seit der Taufe dürfen wir darauf vertrauen, dass die Tür zum Reich Gottes, zum himmlischen Jerusalem uns offen steht und keiner sie vor uns verschließen kann.

Aber dieser Zuspruch ist natürlich auch an einen Anspruch geknüpft. Wir sollen unseren Glauben leben. Wir sollen im Leben auf Gott vertrauen und im Glauben bleiben. Wir sollen den Versuchungen, wie auch immer die aussehen, widerstehen. Wir sollen dies nicht tun, damit wir in das Reich Gottes kommen, sondern weil wir zu Christus gehören und weil wir darum ins Reich Gottes kommen.

In der Adventszeit bereiten wir uns auf Weihnachten vor, denn da feiern wir: „Heut schleußt er wieder auf die Tür zum schönen Paradeis“. Wir erinnern uns an den Garten Eden. Wir feiern die Geburt von Gottes Sohn, der die Erlösung gebracht hat. Und wir hoffen und vertrauen auf das kommende Reich Gottes, das in Jesus Christus schon begonnen hat. Mit der Tür zum Weihnachtszimmer hat sich für mich immer auch symbolisch die Tür zum Reich Gottes geöffnet.

Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Adventszeit voller Hoffnung und Vorfreude
Ihr Pfarrer Johannes Beer