An(ge)dacht zum 18. Sonntag nach Trinitatis am 8. Oktober 2023

Seht sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt, nicht als Unweise, sondern als Weise, und kauft die Zeit aus, denn die Tage sind böse. Darum werdet nicht unverständig, sondern versteht, was der Wille des Herrn ist. Und sauft euch nicht voll Wein, woraus ein unordentliches Wesen folgt, sondern lasst euch vom Geist erfüllen. Ermuntert einander mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern, singt und spielt dem Herrn in eurem Herzen und sagt Dank Gott, dem Vater, allezeit für alles, im Namen unseres Herrn Jesus Christus.
Epheser 5,15-20

Auf den ersten Blick klingt es moralisch, was der Verfasser des Briefes an die Gemeinde in Ephesus schreibt. Aber es ist ja nur ein kleiner Ausschnitt des Briefes. Grundsätzlich spricht der Briefschreiber sehr wertschätzend, denn kurz zuvor hatte er seine Leserinnen und Leser als Kinder des Lichts bezeichnet, die in Gottes Liebe leben.

Kinder des Lichts zu sein, bedeutet, wahrgenommen zu werden, im Licht zu stehen. Man schaut auf Kinder des Lichts. Und schon sind da Erwartungen und Ansprüche.

Wir als Christinnen und Christen sind Kinder des Lichts. Auch von uns wird etwas erwartet, das uns von anderen Menschen unterscheidet. Man schaut auf uns und so ist auch uns gesagt: So seht nun sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt, nicht als Unweise, sondern als Weise, und kauft die Zeit aus, denn die Tage sind böse.

Gerade also in schlimmen Zeiten, an bösen Tagen sind die Erwartungen an Christinnen und Christen besonders hoch. Das ist zurzeit des Paulus so gewesen und das gilt heute auch noch.

Damals wie heute sind die Zeiten nur schwer zu ertragen. Ich spüre, wie mir die weltpolitische Lage immer mehr zusetzt, wie ich ängstlich auf die Weltmächte sehe und bete: Lass sie alle vernünftig bleiben oder werden! Gib Einsicht und lass Frieden werden!

Ich sehe aber auch, wie Menschen sich verändert haben. Ich sehe mehr rücksichtslose Menschen, verzweifelte und überforderte Menschen. Ich sehe, wie Menschen sich abrackern und doch nicht zum Ziel kommen, was sie frustriert oder unglücklich macht. Ich sehe seelische Not, Existenzängste.

Wie kann und soll ich als Christin reagieren? Es ist doch wichtig, etwas davon spürbar zu machen, in wessen Geist ich unterwegs bin. Das Böse, das, was an einem guten und zufriedenen Leben hindert, das, was von Gott trennt, muss doch bezwingbar sein.

Der Verfasser des Epheserbriefes scheut sich nicht, deutlich zu sagen, wie unser Leben als Christ und Christin aussehen kann und soll. Dabei sind die klaren Forderungen, die an die Gemeinde in Ephesus gehen, eine Hilfe. Es sollen keine moralischen Empfehlungen sein, sondern Lebenshilfen.

Es heißt im Brief, es sei gut und richtig, weise zu leben. Weise lebe ich, wenn ich wie ein Kind des Lichts lebe. Wenn ich mir bewusst mache, dass ich zur Gemeinschaft der Heiligen und damit zu Gott gehöre. Sich auf Gott und seinen Willen auszurichten, ist klug. Es geht nicht um intellektuelles Wissen, sondern um den Glauben. Es geht um den Glauben an Christi Tod und Auferstehung. Es geht um den Glauben an meine Erlösung durch ihn.

Ich vertraue darauf, dass unsere Zeit hier abgelöst wird von einer guten Zeit, einer Zeit die Gottes Willen kennt und danach handelt. Wenn Christus wiederkommt, wenn das Reich Gottes ganz und gar angebrochen ist, dann ist auch die gute Zeit ganz und gar da.

Diese Zeit liegt allerdings in der Zukunft. Was also ist mit unserer jetzigen Zeit? Gott sei Dank ist sie ja nicht nur böse und belastend. Tatsächlich entdecke ich die gute Zeit immer wieder. Immer dann nämlich, wenn das Leben gelingt, wenn ich inneren und äußeren Frieden erfahre, wenn Menschen freundlich und verständnisvoll aufeinander zugehen, wenn einer dem anderen vergibt, dann erlebe ich ein Stück von der guten Zeit. Ich bekomme also schon eine Ahnung, wie es bei Gott aussehen könnte. Und das macht Lust auf Gottes Zeit und auf Gottes Reich, so wie ich es eines Tages ganz erlebe.

Ich höre: Kauft die Zeit aus! Nutzt die Zeit, die euch gegeben ist und macht das Beste daraus! Das heißt doch, ich darf mich nicht tatenlos zurücklehnen und abwarten, bis die böse Zeit endlich vorbei ist. Ich darf die Zeit auch nicht mit Sinnlosem totschlagen, sondern ich soll aus ihr herausholen, was möglich ist. Diese Zeit ist eine Zeit, die bewusst erlebt und durchlebt werden muss. Und in dieser Zeit habe ich alle Chancen zu zeigen, was mir mein Glaube bedeutet.

Kauft die Zeit aus! heißt dann: Füllt die Zeit sinnvoll. Begreift doch, was Gott von euch will. Füllt die Zeit so, dass Gott seine Freude daran hat.

So gehe ich mit der Weisheit eines Christenmenschen die Dinge an. Dazu gehört, dass ich nach Gottes Willen frage. Gott erwartet ja etwas von mir. Das muss ich herausbekommen. Ich möchte so leben, dass klar wird, dass ich Gott kenne und liebe. Also lasse ich andere daran teilhaben, was das für mich bedeutet. Nüchtern und wachsam soll ich dabei sein, so heißt es: Nicht vom Geist des Weines soll ich mich erfüllen lassen, sondern vom Geist Gottes. So lese ich es im Brief. Das heißt doch: Behalte einen klaren Kopf für das, was Gott will, sei offen und bereit für den Geist, den Gott schickt, der Geist, der weise und verständig macht.

Der Geist verhilft mir dazu, durch meine innere und äußere Haltung erkennbar zu machen, wie gut es mir als Christin in der augenblicklichen Zeit trotz allem geht. Die böse Zeit kann mich nicht unterkriegen. Ich will nicht an ihr zerbrechen. Ich will mich so verhalten, dass meine Mitmenschen etwas von Gottes guter Zeit sehen. Ich sehe also genau hin, wo ich gebraucht werde. Ich habe einen offenen Blick für meine Mitmenschen. Ich stehe für sie ein, so wie es in meinen Kräften steht, und ich bete für sie. Das Beten ist vielleicht oftmals das Einzige und damit Wichtigste, was ich tun kann. Gerade dann, wenn ich hilflos bin, wenn ich mit der schlimmen Zeit überfordert bin, kann ich beten.

Der Epheserbrief weiß um die Kraft von Gebeten, wenn es heißt: Ermuntert einander mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern, singt und spielt dem Herrn in eurem Herzen. Lieder und Gebete ermuntern. Sie kommen aus dem Herzen und erfüllen sie gleichzeitig. Sie sprechen von dem, was mich bewegt oder umtreibt. Lieder rühren an, Gebete bewegen. Sie machen mich unempfindlicher für die böse Zeit.

Und noch etwas ist wichtig: der Dank: Sagt Dank Gott, dem Vater, allezeit für alles, im Namen unseres Herrn Jesus Christus. Jederzeit für alles dankbar sein. Das erscheint im Angesicht der unruhigen und belastenden Zeit nicht möglich. Aber im Angesicht dessen, was Gott mir Gutes tut, dass er mich aushalten lässt, dass ich erlebe, wie ich bewahrt werde, dass ich Kraft habe, dass ich trotz allem Glück und Zufriedenheit erlebe, ist es selbstverständlich zu danken.

Christinnen und Christen sind Kinder des Lichts, sie sind Menschen, die Gott kennen und lieben, die Gott danken und ihn loben, sie sind Menschen, die die Zeit nutzen, um klar zu machen, dass die Zeit, in der sie leben, durch eine wunderbare andere Zeit abgelöst wird. Amen.

Eine zuversichtliche Zeit!
Ihre Pfarrerin Annette Beer