An(ge)dacht zum Sonntag Palmarum am 02. April 2023

Johannes 12, 1 – 8 oder der Duft des Lebens

Diese Salbung Christi in Betanien; eine merkwürdige Begebenheit, die von dem Evangelisten Johannes überliefert wird.

Ich sage merkwürdig, denn es kommt beim Hören zu einer kontrastierenden Gegenüberstellung von Gerüchen, die der Johannes sehr klug und ein wenig versteckt ins Spiel bringt. Das Evangelium beginnt mit den Worten:

Jesus nun kam sechs Tage vor dem Passah nach Betanien, wo Lazarus war, den Jesus aus den Toten auferweckt hatte.

Es muss ja auffallen, dass der Evangelist Johannes, die Ereignisse des  Besuches Christi in Betanien in einen engen Zusammenhang mit dem Ereignis der Auferweckung des Lazarus stellt. Und es muss uns auch auffallen, dass der Tod Christi in große zeitliche Nähe rückt, denn nur noch 6 Tage wird er am Leben sein.

Diese beiden Themen, die Auferweckung des Lazarus und der bevorstehende Tod Christi, werden von dem Evangelisten Johannes auf ungewöhnliche Weise in den Blick genommen. Denn die Erinnerung an die Auferweckung des Lazarus verkündigt Christus als den Herrn über Leben und Tod, offenbart Ihn in seiner Macht und Herrlichkeit – die doch im scharfen Kontrast zu der Aussage steht, dass er selbst dem Geschick des Todes nicht ausweichen wird. An jenem Abend nun herrschte große Freude in dem Haus des Lazarus wegen dieser außergewöhnlichen und aller menschlichen Vernunft widersprechender Erfahrung.

Denn (!) Lazarus lag aber auch mit zu Tisch!

Und zwar der gestorbene und begrabene Lazarus inmitten seiner Familie. Wenn nun aber von ihm die Rede ist, und seine Gegenwart zu Anfang des Evangeliums so in den Mittelpunkt gestellt wird, dann ist es auch wichtig, sich daran zu erinnern, was sich vor seiner Auferweckung begab. Martha wies Christus, als sie am Grab standen darauf hin, dass ihr Bruder schon stinke – der Verwesungsprozess hatte schon begonnen. Diese Notiz sollte jeden Zweifel am Tode Lazarus im Keim ersticken.

Tot und begraben lag jener nun schon vier Tage im Grab. Und so kommen wir, indem Johannes uns an das Ereignis dieser Auferweckung erinnert, auch mit dem Gestank des Todes in Berührung. Der Gestank des Todes: konkreter kann man den Lauf, den alles irdisches Leben nimmt, nicht beschreiben. In diesem Zusammenhang ist es doch interessant von der Salbung der Maria zu hören. Mit ihrem Tun verbannte und verwandelte sie diesen Gestank und gab Zeugnis davon, dass er von nun an der Vergangenheit angehörte. Ihr verschwenderisches Handeln an Christus führte dazu, dass das ganze Haus erfüllt wurde von dem angenehmen Geruch des Salböls.

Und an die Stelle des Gestanks des Todes trat nun der Duft des Lebens, der von Jesu Leib ausging.Eine seltsame Umkehrung der Lebens- und Todesverhältnisse die hier am Anfang des Leidenswegs Christi zum Thema wird. Das Leben des gestorbenen Lazarus wurde gefeiert – und gleichzeitig daran erinnert, dass der Tod Christi unmittelbar bevor stand. Aber durch die verschwenderische Handlung einer Frau wird schon jetzt – man bedenke (!) verkündet, dass hier nicht der Tod das letzte Wort haben wird – sondern der Duft des Lebens.

Und deshalb sollten wir in den kommenden Wochen nicht vergessen: Noch bevor er gefangen genommen wurde, noch bevor grobe Hände sich an ihm vergreifen konnten, noch bevor ihn der Spott und der Hohn der Welt traf, noch bevor er den Tod am Kreuz erlitt, verkündet uns der Evangelist Johannes durch das Zeugnis der Maria, dass alles, was nun noch kommen wird, auch begleitet sein wird von diesem Duft des Lebens –  in dem sich doch nichts anderes offenbart als seine Herrlichkeit.

Wohl dem, der diesen Duft ihn vernimmt!

Amen

Pfarrerin Gabriele Steinmeier