An(ge)dacht zum Taufgedächtnissonntag am 24. Juli 2022

Liebe Getaufte!

Unser Leben ist trotz aller Aufklärung über die Naturgewalten von Furcht geprägt. Manchmal sind es Kleinigkeiten, die uns zum Fürchten bringen: Da erschrickt zum Beispiel ein Kind vor einem Düsenjäger oder dem Donner eines Gewitters. Manchmal aber auch sind es Gründe, die wir nicht so leicht zur Seite schieben können, die wir nicht mit einem Lächeln übergehen können. Da sind zum Beispiel Krankheiten, Kriege und Terror. Aber auch gerade die Naturgewalten lassen uns immer wieder erzittern. Feuersbrünste und Wasserfluten haben bis heute ihre Schrecken nicht verloren.

In dieses Leben aus Angst und Furcht hinein erklingt Gottes Ruf:

„So spricht der Herr, der dich geschaffen hat: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein! Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, dass dich die Ströme nicht ersäufen sollen; und wenn du ins Feuer gehst, sollst du nicht brennen, und die Flamme soll dich nicht versengen. Denn ich bin der HERR, dein Gott, dein Heiland.“ (Jesaja 43,1-3a)

Dieses Wort, das wir immer wieder im Zusammenhang von Taufen hören, diese Aufforderung kommt von Gott. Kein Geringerer spricht da. Und Gott weiß, was er sagt. Er hat seine Gründe für die Aufforderung: „Fürchte dich nicht!“

Denn ich habe dich erlöst! So lässt es Gott bereits durch seinen Propheten sagen. Es gilt damals seinem Volk. Und wer in Israel hätte bei der Zusage, durchs Wasser gehen zu können, nicht an den Zug durchs Rote Meer gedacht? Wer hätte bei der Zusage, durchs Feuer gehen zu können, nicht an den Zug durch die Feuersglut der Wüste gedacht. Die feindlichsten Elemente dieser Welt können durch Gottes Schutz das Leben nicht gefährden.

Denn ich habe dich erlöst! So gilt es damals seinem Volk. Und auch heute überall in der Welt. Es gilt erst recht heute seinem Volk, nachdem Christus auf dieser Welt war. Christus ist auf die Welt gekommen, um uns zu erlösen. Gott hat durch ihn uns erlöst. Durch sein Leiden, Sterben und Auferstehen sind wir erlöst.

Besonders anschaulich wird das in einer großartigen Christusfigur. Der dänische Künstler Bertel Thorvaldsen hat die überlebensgroßen Statue geschaffen. Betritt man die Kirche in Kopenhagen, in der diese Christusstatue ist, steht man ihr in einiger Entfernung gegenüber. Christus geht einem entgegen. Er hat die Hände leicht ausgestreckt, als wolle er einen begrüßen oder in die Arme nehmen. Kommt man diesem Christus näher, so erkennt man die Wunden der Kreuzigung in den Händen, in den Füßen und in der Seite. Dieser Christus, der uns hier begrüßt ist der Gekreuzigte. Auch er hat sich gefürchtet. Die Evangelien berichten eindrücklich davon. Er hat gelitten und ist gestorben. Deutlich zeigen das die Nägelmale. Diesem Christus ist das Leiden, das Sterben, ja der Tod nicht fremd.

Aber die Figur zeigt eben keinen Toten, keinen, der am Kreuz gescheitert ist. Christus geht mit einem leichten Schritt den Betrachtenden entgegen. Er hat die Arme den Betrachtenden entgegengestreckt. Christus ist nicht tot. Er ist auferstanden zu neuem Leben. Gott hat seinen Sohn nicht im Tod gelassen. Christus lebt.

Und dieser Auferstandene kommt nun auf uns zu. Er hat uns die Arme entgegengestreckt. Er schaut uns an, als wenn er uns riefe. Er ruft uns bei unseren Namen. Christus hat jede und jeden von uns beim Namen gerufen. In der Taufe ist dies jeder und jedem ganz persönlich zugesprochen worden.

Christus ruft aus der Angst und der Furcht heraus. Er zeigt uns, dass da keine Macht ist, vor der wir uns fürchten müssen, denn Gott steht über allen Mächten. Er ruft und geleitet durch Wasser und durch Feuer. Daran dürfen wir uns immer wieder neu mit unserer Taufe erinnern.

Ich wünsche Ihnen eine tröstende und kraftgebende Tauferinnerung und Gottes Segen!
Ihr Pfarrer Johannes Beer