An(ge)dacht zum 5. Sonntag nach Trinitatis am 17. Juli 2022

Das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden;
uns aber, die wir selig werden, ist es Gottes Kraft.

(1. Korinther 1,18)

Nicht alles erschließt sich durch angehäuftes Wissen, durch Studien, durch fleißiges Lernen. Manches erscheint eigentümlich, widersprüchlich, nicht nachvollziehbar. Dazu gehört das Wort vom Kreuz, die Botschaft, dass durch das Kreuz die Menschen gerettet sind. Die Botschaft vom Kreuz ist sperrig und mit dem Verstand nicht zu fassen. Doch das Geschehen am Kreuz mit dem Verstand erfassen zu wollen, fordert heraus. Wie also können wir uns der Botschaft nähern?

Die Juden fordern Zeichen und die Griechen fragen nach Weisheit. (1.Kor 1,22) So schreibt Paulus und nimmt damit zwei Möglichkeiten auf, wie nach Gott und seiner Macht und seinem Wirken gefragt wird. Bei dem einen steht die Suche nach Zeichen im Vordergrund. Wie wirkt Gott in der Geschichte? Was hat er Sichtbares, Greifbares hinterlassen, das klar macht, hier ist Gott am Werk gewesen, hier hat er seine Macht bewiesen. Bei dem anderen steht die Vernunft im Vordergrund. Wenn ich alles nur immer und immer wieder durchdenke und analysiere, dann kann und darf ich Gott erkennen. Es sind intellektuelle Wege, Gott begreifen zu wollen. Dem stellt Paulus das Skandalon entgegen, nämlich den gekreuzigten Christus als den von Gott versprochenen Retter, für die Juden ein Ärgernis und eine Gotteslästerung, für die anderen barer Unsinn. (1.Kor 1,23)

Der Tod am Kreuz galt zurzeit Jesu als schimpflichste und qualvollste Strafe. Schwerverbrecher wurden so hingerichtet. Jesus wurde also wie ein Schwerverbrecher ans Kreuz gehängt. Natürlich fragen sich die Menschen: Wie kann denn durch den Tod eines Gekreuzigten jemand gerettet werden? Das ist anstößig, empörend. Gotteskraft lässt sich anders erfahren. Die Welt scheint auf den Kopf gestellt, denn das widerspricht doch allem Vertrauten und sonst Erlebtem.

Die Welt ist auf den Kopf gestellt. Gott kann nicht analysiert, Gott kann nicht erkannt werden. Gottes Weisheit erschließt sich den Menschen nicht, denn obwohl die Weisheit Gottes sich in der ganzen Schöpfung zeigt, haben die Menschen mit ihrer Weisheit Gott nicht erkannt. (1.Kor 1,21) Menschliche Weisheit ist nichts gegen Gottes Weisheit. Alles menschliche Denken kommt bei Gott nicht weiter. Alles Wissen kommt bei Gott an seine Grenze: Unser Wissen und Verstand ist mit Finsternis umhüllet, wo nicht deines Geistes Hand uns mit hellem Licht erfüllet. So dichtet Tobias Clausnitzer und bringt auf den Punkt, was auch Paulus meint. Wir selber tragen nichts dazu bei, Gott zu erkennen oder zu erfahren. Gott selber schenkt durch seinen Geist Glauben und Vertrauen. Nur Gott macht es möglich, das Geschehen am Kreuz im Glauben anzunehmen. Der Verstand spricht von Dummheit, gar von Gotteslästerung, von Unverständlichem und nicht Nachvollziehbaren. Aber Gott schenkt den Glauben an die Erlösung, die am Kreuz geschehen ist und gleichzeitig macht er frei davon, diese Botschaft mit dem Verstand erfassen zu wollen.

Dabei setzt Gott ganz unten an. Er kommt zu den Menschen auf die Welt. In seinem Sohn kommt er ganz nah zu den Menschen. Er selbst geht in seinem Sohn den Weg eines irdischen Lebens, um zu zeigen, dass ihm ein tägliches Leben mit seinen Mühen und mit dem Unbeschwerten wichtig ist.

Aber warum das Kreuz? Warum etwas, was sich so gar nicht erschließen will? Etwas so Provokantes? Was sich unserer irdischen Weisheit niemals erschließen kann und als Zeichen für etwas Positives nicht taugt?

Das Kreuz steht für Leid, für Schmerz, für Niedrigkeit. Mit Jesu drastischem Tod am Kreuz erfahren wir, dass er mituns leidet, dass er in unserer Schwachheit bei uns ist und uns auch im Sterben nicht allein lässt.

Und zum anderen steht das Kreuz für Triumph und Jubel, denn am Kreuz hat Christus alles fortgenommen, was von Gott trennt. Durch das Kreuz sind wir erlöste und geliebte Menschen, frei von Schuld und damit auch frei und gelassen für ein gutes, zufriedenes Leben.

Das erschließt sich nicht durch den Intellekt. Nur im Glauben ist diese Botschaft anzunehmen. Wer den Glauben an den Gekreuzigten und Auferstandenen geschenkt bekommt, und wer sich dann auf die Botschaft des Kreuzes einlässt, der erfährt darin Gottes Kraft. Der weiß, dass er gerettet ist und ihn nichts trennen kann von Gott. Der erfährt, wie dieser Glauben stärkt und Mut macht. Der sieht in dem Guten und Gelungenen im Leben Gottes Wirken und erlebt in schwierigen Zeiten Stärkung und Hoffnung. Wer glaubt, erlebt Zeichen Gottes im Leben und das macht weise und gelassen.

Ich wünsche Ihnen Glauben, der Sie selig und stark macht.
Ihre Pastorin Annette Beer