An(ge)dacht zum Letzten Sonntag nach Epiphanias, 30. Januar 2022

Über dir geht auf der Herr, und seine Herrlichkeit erscheint über dir.
(Jes 60,2b)

Stellen Sie sich eine Bühne im Theater vor. Alles liegt im Dunkeln. Es ist nichts genau zu erkennen. Da leuchtet auf einmal ein Scheinwerfer auf. Gespannt richten sich alle Augen auf die Stelle, die der Scheinwerfer in grelles Licht setzt. Hier spielt die Handlung. Hier ist die Stelle, an der das Geschehen seinen Lauf nimmt. Diese lichtüberflutete Stelle lässt die sonstige Bühne unwichtig, uninteressant werden. Das Licht lenkt alle Blicke auf diesen einen bestimmten Punkt der Bühne.

„Dein Licht kommt und die Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir. Denn siehe Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker; aber über dir geht auf der Herr und seine Herrlichkeit erscheint über dir.“ So schildert Jesaja den Israeliten das Erscheinen Gottes in Jerusalem. Gott erscheint wie in einem großen Scheinwerferlicht und alle Augen richten sich auf ihn. Hier geschieht das Entscheidende. Hier werden alle Blicke hingelenkt. Hier ist der Himmel offen. Gott erscheint in seiner Herrlichkeit und macht alles hell.

Jesaja verheißt den Israeliten, dass Gott erscheint. Gott kommt und wird allem Elend ein Ende bereiten. Jerusalem wird hell erstrahlen wie unter einem Scheinwerferlicht. Gerade noch lag die Welt im Dunkeln. Die Erde tappte im Finstern. Der Himmel war verschlossen. Auf der Welt herrschte eine Gottesfinsternis. Die Welt hatte sich selbst in diese Gottesfinsternis hineinmanövriert. Sie hatte sich von Gott abgewandt und stand nun unter dem verschlossenen Himmel, der nichts von Gottes Herrlichkeit sehen ließ. Gott schien nicht ansprechbar zu sein. Er hatte sich von der Welt abgewandt, weil die Welt nichts mit ihm zu tun haben wollte. So schildert Jesaja die Situation.

Doch dann darf der Prophet verkünden: „Mache dich auf, werde licht! Steh auf aus deiner Müdigkeit! Steh auf aus deiner Trauer! Lass allen Druck von dir fallen, und lass dein Gesicht vor Freude strahlen! Gott beendet die Finsternis und bietet seine Gemeinschaft an. Gott erscheint und öffnet den Himmel. Dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des Herrn leuchtet über dir wie die Sonne!“

Gott offenbart sich, er zeigt sich im vollen Licht. An diesem Licht kann niemand vorbeisehen. Dieses Licht zieht die Menschen an. Sie wollen nicht länger die Finsternis ertragen und endlich gibt es einen Lichtblick. Hier können sich die Menschen in der sonst dunklen Welt orientieren.

Jesaja verheißt weiter, dass sich Menschen auf den Weg machen diesem Licht entgegen. Sie ziehen aus dem Dunkel der Welt zu diesem hellen Licht. Sie atmen auf und schöpfen Hoffnung. Fasziniert von Gottes Herrlichkeit gehen sie diesem Licht entgegen und wollen das Wunderbare und Unfassbare sehen und erleben.

Gott erscheint und Menschen machen sich auf, um Gott zu finden. In der Weihnachtszeit hören wir davon. Menschen machen sich auf, sie suchen Gottes Herrlichkeit und finden sie in dem kleinen Kind in der Krippe und sie strahlen vor Freude.

Da sind die Hirten, die sich auf den Weg machen, um das Licht der Welt zu finden. Sie sehen den Himmel offen. Durch einen Engel vom Himmel informiert und motiviert gehen sie los und finden das Kind. Sie sind bewegt und froh, sie erkennen in dem Kind den Heiland. Beglänzt von seinem Licht strahlen sie vor Freude und sagen weiter, was sie erlebt haben.

Dann kommen die Weisen aus dem Morgenland, um nach dem Licht der Welt zu suchen. Sie orientieren sich an einem hellen Stern, den sie am Himmel entdeckt haben. Sie finden das Kind und ihnen geht der Himmel auf.

Sie alle kommen aus dem Dunkel der Welt zu diesem Kind und stehen auf einmal im hellen Licht. Sie sehen den Himmel offen. Sie sehen, wie Gott ihnen erscheint. Und es wird in ihnen hell. Sie spüren eine besondere Wärme, die von diesem Kind ausgeht. Sie fühlen sich bei diesem Kind aufgehoben, geborgen. Sie fühlen sich verstanden und spüren neue ungeahnte Kräfte in sich, die sie ermutigt, weiterzuerzählen, was sie erlebt haben. Sie können nicht für sich behalten, dass Gott ihnen erschienen ist. Sie sagen weiter, dass sie aus dem Dunkel der Welt ins Licht gegangen sind und dann von diesem Licht ergriffen wurden. Sie können gar nicht anders, als Gott dafür zu loben und vor Freude zu strahlen.

Später sind es Jesu Jünger, die dieses Licht sehen und für sich annehmen. Sie erleben, wie Gott ihnen den Himmel öffnet und ihnen in Jesus ein Stück von seiner Herrlichkeit zeigt. Sie erkennen, Jesus ist das Licht, das in die Welt kommt, um diese finstere, trostlose Welt hell und freundlich zu machen.

So entdecken immer wieder Menschen das Licht der Welt. Die Verheißung Gottes, die Jesaja damals dem Volk Israel zugesprochen hat, trägt und gilt bis heute. Das Licht des Herrn leuchtet über uns auf und seine Herrlichkeit überstrahlt uns. In dem kleinen Kind in der Krippe haben Menschen Gott kennen gelernt. Von da an stehen sie in seinem Licht und genießen es. Sie nehmen an, was ihnen mit diesem Licht an Liebe und Frieden, Geborgenheit und Glück geschenkt ist.

Wenn mit diesem letzten Sonntag in der Epiphaniaszeit Weihnachten zu Ende geht, wird uns doch das Eine begleiten: Gott hat den Himmel geöffnet. Er ist uns erschienen. Über uns leuchtet das Licht des Herrn.

Eine lichtvolle letzte Weihnachtswoche!
Ihre Pastorin Annette Beer