An(ge)dacht zum 20. Sonntag nach Trinitatis am 17. Oktober 2021

Noah baute dem Herrn einen Altar und opferte Brandopfer auf dem Altar. Und der Herr roch den lieblichen Geruch und sprach in seinem Herzen: „Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen. Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“
Und Gott sprach: „Das ist das Zeichen des Bundes, den ich geschlossen habe zwischen mir und euch und allem lebendigen Getier bei euch auf ewig: Meinen Bogen habe ich gesetzt in die Wolken; der soll das Zeichen sein des Bundes zwischen mir und der Erde. Und wenn es kommt, dass ich Wetterwolken über die Erde führe, so soll man meinen Bogen sehen in den Wolken. Alsdann will ich gedenken an meinen Bund zwischen mir und euch.“

(aus 1.Mose 8 und 9)

Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Corona-Pandemie der Sintflutgeschichte ähnelt. Wie damals sind alle, praktisch ohne Ausnahme, von dieser Katastrophe betroffen, alle können von ihr erfasst werden. Viele Menschen sind gestorben. Das ist erschreckend und erschütternd.
Damals, als die Sintflut über die Menschen hereinbrach, war klar, dass Gott die Menschen strafen wollte. Zu sehr hatten sie sich gegen ihn gewandt. Nur Noah schien der einzige zu sein, der so lebte, wie Gott es gefiel. Darum überlebten er und seine Familie und die Tiere in der Arche.
Damals wollte Gott die Menschen strafen. Doch dann änderte Gott seine Meinung und ging mit seiner Schöpfung einen neuen Weg. Die Wassermassen gingen zurück, Gott ließ die Menschen leben. Und er schloss einen Bund mit seinen geliebten Menschen und setzte den Regenbogen an den Himmel, damit die Menschen sich für immer daran erinnerten, was Gott gesagt hatte: „Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen. Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“
Befreit und erleichtert verließen Noah mit seiner Familie und die Tiere die Arche. Das Leben begann noch einmal. Sie waren davongekommen. Gott wollte die Erde nicht vernichten, er wollte den Menschen neues Leben schenken. Es war vorbei. Die schreckliche Sintflut hatte ein Ende.

Und heute? Gott hat diese Pandemie zugelassen. Wir wissen nicht warum. Aber ich spüre deutlich, dass sie mich ins Nachdenken gebracht hat. Was ist uns mit dieser Pandemie deutlich geworden? Brauchten wir Menschen so einen Anstoß, um bewusster zu leben?
So sehr wünsche ich mir, dass unser Leben wieder normal wird. Ich wünsche mir, dass wir aus unseren Häusern kommen, wie Noah und seine Familie aus der Arche, und spüren: Die schreckliche Pandemie ist vorbei. Das Leben beginnt noch einmal.
Meine Hoffnungen und Wünsche sind nicht aussichtslos, denn Gottes Versprechen, das er damals den Menschen gegeben hat, gilt noch immer. Damals nahm Gott den Fluch, den er über die Welt gesprochen hatte. Er machte der schrecklichen Sintflut ein Ende und schenkte eine neue Chance.

Die Pandemie hat uns zugesetzt, aber wir leben. In kürzester Zeit haben wir einen Impfstoff bekommen, der viele rettet. Nein, Gott will die Erde und damit uns nicht vernichten. Gott ist gnädig und liebt uns Menschen so sehr, dass er uns rettet. Trotz all unserer Fehler sind wir geliebt und angenommen. Gott will, dass wir leben, er will unsere Welt und in dieser Welt uns erhalten. Diese Gewissheit macht froh und dankbar und lässt erlöst und gelöst leben. Gottes Versprechen steht: „Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen.“ Am Ende der Sintflutgeschichte steht diese Verheißung. Und am Anfang der Pandemiegeschichte steht diese Verheißung auch.

Gott schloss mit den Menschen damals einen Bund und er gab ihnen ein Zeichen, das sie immer an diesen Bund erinnerte. Gott sagte: „Das ist das Zeichen des Bundes, den ich geschlossen habe zwischen mir und euch und allem lebendigen Getier bei euch auf ewig: Meinen Bogen habe ich gesetzt in die Wolken; der soll das Zeichen sein des Bundes zwischen mir und der Erde.“
Gott schließt mit seiner Schöpfung einen Bund und setzt als sichtbares und eindrückliches Zeichen den Regenbogen an den Himmel. Gott spricht sein Ja zu seiner Schöpfung, weil er sie so liebt. So erinnert uns der Regenbogen an Gottes Versprechen, und er ist gleichzeitig ein Symbol für Gottes Liebe zu uns.

Diese Liebe trägt uns. Auch und gerade, wenn Katastrophen über uns hereinbrechen, dann erinnern wir uns an den Bund, den Gott schloss und an sein Versprechen, niemals seine geliebte Schöpfung zu vernichten. Wie Noah und seine Familie können wir uns sicher fühlen. Noah und seine Familie entgingen der Katastrophe.

Sicherlich war das Leben in der Arche nicht angenehm, genau so wenig angenehm wie das Leben mit dem Virus. Viel mussten sie in der Arche entbehren, auf manches, was ihr Leben spannend und schön gemacht hatte, verzichten. Und doch konnten sie spüren, dass sie behütet waren. Noah wusste nicht, wie lange sie in der Arche aushalten mussten. Wir wissen nicht, wie lange wir noch mit den Einschränkungen durch die Corona-Pandemie leben müssen. Auch zur Zeit der Sintflut war es für Noah und seine Familie völlig unklar, wie lange sie noch in der Ache ausharren mussten. Irgendwann hörte der Regen auf, irgendwann waren die Wassermassen so weit zurückgegangen, dass die Arche auf dem Berg Ararat aufsetzte, aber an ein Leben auf trockenem Land war noch nicht zu denken. Noah ließ einen Raben aus der Arche fliegen, um festzustellen, ob er schon einen Platz zum Leben finden würde. Doch der Rabe kam mehrmals zurück. Noah schickte eine Taube, auch sie kam zurück. Dann brachte sie eines Tages ein Blatt von einem Olivenbaum mit und Noah merkte, dass es nun nicht mehr lange dauern konnte, bis sie die Arche verlassen würden. Schließlich kam die Taube nicht mehr wieder. Sie hatte offenbar einen Platz zum Leben gefunden. Nun wusste Noah: Es ist vorbei. Die schreckliche Sintflut hat ein Ende.

Wie Noah hoffe ich auf das Ende der Pandemie. Die Zeit wird mir lang. Aber wie Noah muss ich aushalten und ich hoffe darauf, dass alles ein Ende haben wird. Darum hat Gott seinen Bund mit uns Menschen geschlossen und seinen Bogen als Zeichen an den Himmel gesetzt. Auch uns erinnert er doch daran, dass es immer Hoffnung und eine Perspektive auf eine gute Zukunft gibt.
Später hat Gott seinen Bund erneuert. Weil wir Menschen es offensichtlich nicht begreifen, schließt Gott diesen neuen Bund, der niemals mehr erneuert werden muss, weil er allumfassend ist, weil er im Leben, im Sterben und noch darüber hinaus gilt. Durch Christi Tod am Kreuz und seine Auferstehung steht dieser neue, unverbrüchliche Bund. Dieser Bund ist der eindrücklichste Beweis der Liebe und Treue Gottes.

Die Einschränkungen, die Ängste und Sorgen, wie es mit der Pandemie weitergehen kann, sind noch lange nicht zu Ende. Und doch will ich darauf vertrauen, dass Gottes Versprechen gilt, dass wir leben dürfen.

Viel Kraft und Vertrauen!
Ihre Pastorin Annette Beer

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(Bild: Die Arche Noah am Taufstein (um 1410) in der Herforder Münsterkirche)