An(ge)dacht zum 17. Sonntag nach Trinitatis am 26. September 2021

Denn wenn du mit deinem Munde bekennst, dass Jesus der Herr ist, und glaubst in deinem Herzen, dass ihn Gott von den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet. Denn wer mit dem Herzen glaubt, wird gerecht; und wer mit dem Munde bekennt, wird selig. Denn die Schrift spricht: »Wer an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden.« Es ist hier

kein Unterschied zwischen Juden und Griechen; es ist über alle derselbe Herr, reich für alle, die ihn anrufen. Denn »wer den Namen des Herrn anruft, wird selig werden«.

Wie sollen sie aber den anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie aber an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie aber hören ohne Prediger? Wie sollen sie aber predigen, wenn sie nicht gesandt werden? Wie denn geschrieben steht: »Wie lieblich sind die Füße der Freudenboten, die das Gute verkündigen!

– Römerbrief 10, 9-17

In der Kirche geht es immer darum, etwas sichtbar zu machen. In einem Kurs für Prediger erklärt die Leiterin: „Wenn ihr vom Himmel predigt, muss euer Gesicht strahlen. Wenn ihr von der Hölle redet, reicht euer normales Gesicht.“

Etwas gemein, aber da steckt leider eine tiefe Wahrheit darin: Das, was wir als Christinnen und Christen glauben, ist etwas unfassbar Gutes, Befreiendes, Tröstliches, Frohmachendes. Wir müssten also eigentlich die glücklichsten Menschen der Welt sein – aber strahlen wir das wirklich aus?

Viel zu selten. Was erleben wir denn, wenn wir in der Kirche unterwegs sind? Viele, viele Menschen voller Sorgen: Über schrumpfende Gemeinden, über Ebbe in den Kassen.  Junge Leute treten aus, wenn sie das erste Geld verdienen. Berechtigte Sorgen. Aber darf es sein, dass diese Sorgen größer sind als unser Glaube, unsere Liebe, unsere Hoffnung?

Besser nicht – denn das sind sie nicht, und das ganz nüchtern betrachtet.

Dennoch – die Frage bleibt trotzdem: Wie bringen wir das, was uns am Glauben so begeistert, unter die Leute? Oder genauer: Wie bringen wir das so unter die Leute, dass man uns die Begeisterung auch wirklich glaubt? Dass sie ansteckend wird? Paulus erklärt in diesem Text, wie das klappen kann, und zwar in nur drei Schritten.

Schritt eins: Glauben.

Wer mit dem Herzen glaubt, wird gerecht, schreibt der Apostel. Damit will er sagen: Wer an Gott glaubt, wird im Gericht Gottes bestehen. Viele glauben nicht mehr daran, dass es ein wirkliches Gericht geben wird, und auch mir selbst ist diese Vorstellung etwas fremd. Aber auch wenn dieses Gericht „nur“ ein Bild dafür ist, dass Gott unser Leben nicht egal ist, ist der Satz bedeutsam. Denn er sagt uns, dass wir uns annehmen dürfen, weil Gott uns annimmt. Dass wir in Gottes Augen gut sind – weil mit dem Glauben etwas göttliches in uns ist, und uns verändert. Glauben heißt, diesem Urteil Gottes mehr zu vertrauen als dem Urteil, das die Chefin, der Nachbar oder der Mann auf der Straße über mich gesprochen hat. Glaube macht uns stark. Und er gibt Hoffnung. Wir, jede und jeder von uns, muss nicht in diesem Leben alles Mögliche schaffen. Manches geht einfach schief. Und selbst wenn wir viel leisten im Leben – es bleibt immer etwas unvollendet. Aber das ist egal, denn Gott bekommt das hin. Gott bekommt uns hin. Er nimmt uns am Ende zu sich und wir leben ewig bei ihm. Und das gibt unendlich viel Kraft und Gelassenheit.

Schritt zwei: Glauben weitergeben

Warum eigentlich? Die erste Antwort: Weil Gott das von uns will und weil das gut für uns ist. Wer mit dem Mund bekennt, wird selig, schreibt Paulus. Mit dem Mund bekennen, das heißt, von seinem Glauben sprechen. Sagen: „Ich glaube an Gott“ Wer das tut, wird selig – „glücklich“, wie das altertümliche Wort verspricht. 

Diese Dankbarkeit, dieses Getragenwerden, diese Hoffnung, die möchte, dass das auch andere so erfahren. Und das ist die zweite Antwort auf die Frage, warum wir unseren Glauben weitergeben sollen: Wer glaubt, liebt die anderen Menschen – und will, dass auch sie davon erfahren. Diese Sehnsucht, dass der Glaube an den bedingungslos liebenden Gott sich ausbreitet, hat Paulus sein Leben lang umgetrieben. Man spürt diese Sehnsucht in jeder Zeile. Ich wünsche mir, dass auch wir hier von dieser Sehnsucht nach der Ausbreitung des Glaubens ergriffen werden und alles dafür tun.

Wie das konkret gehen kann? Tja, hier wirds schwierig – die einfache Antwort ist: Wir müssen zu den Menschen gehen, die „nicht da“ sind, die nicht in der Gemeinde auftauchen.

Aber wir dürfen ihnen nicht sagen: „Kommt in die Kirche, kommt ins Gemeindehaus“, sondern wir müssen dahin gehen, wo sie sind. Sie müssen spüren, dass uns wirklich etwas an ihnen liegt. Dass wir sie vermissen. Dass ohne sie jemand fehlt. Und wir müssen sie fragen: Was können wir für euch tun? Was interessiert euch? Was bewegt euch? Was sind eure Fragen? – Nicht, weil wir die „richtigen“ Antworten hätten, das dürfen wir uns nicht einbilden. Sondern weil wir vielleicht ähnliche Fragen haben.

Das sollten wir wirklich tun: Rausgehen und mit den Menschen reden, von Gott. Und wir sollten damit nicht mehr lange warten.

Schritt drei: Vertrauen

Klingt gut – warum machen wir das dann nicht? Was hindert uns?

Zum einen vielleicht die Unsicherheit: Will Gott das wirklich von mir? Von mir?

Zum zweiten hindert mich vielleicht die Angst: Kann ich das? Ich habe doch nicht studiert, weiß nicht auf alles eine Antwort. Und blamiere mich womöglich und ernte Gelächter, wenn ich anfange, von meinem Glauben zu sprechen. Ich kann das gut verstehen, und tatsächlich geht es mir selbst manchmal auch noch so – Bevor ich rede, höre ich erst einmal zu. Aber wenn ich spüre, dass ich als Christ gefragt bin, dann scheue ich mich auch nicht, von mir und meinem Glauben zu sprechen. Nicht im Ton der Belehrung, nicht durch herumgeworfene Bibelzitate, sondern im Ton der Erfahrung und der Begeisterung. Ich

erzähle ganz einfach, offen und ehrlich, wie mir der Glaube hilft und was mir der Glaube im Leben bedeutet.

Zum dritten hindert uns vielleicht etwas ganz Äußerliches: Dass jemand krank ist oder gar nicht mehr aus dem Haus kann. Aber können wir noch beten? Na bitte. Dann tun wir das doch einfach. Auch das hilft – wir haben Gottes Zuspruch. Der letzte Vers des Predigttextes

sagt: Wie lieblich sind die Füße der Freudenboten, die Gutes verkündigen. Das soll uns Mut machen und Kraft geben. Und wir dürfen darauf vertrauen, dass uns die Kraft, die wir bei unserer Taufe geschenkt bekommen haben, auch hier hilft und trägt.

Nach einer Predigt von Prof. Dr. Klaus Grünwaldt

Einen gesegneten Herbst!

Ihr Pfarrer Simon Hillebrecht