An(ge)dacht zum 16. Sonntag nach Trinitatis am 19. September 2021

Sprechen Sie gern über Ihren Glauben? Unser Glaube ist ja etwas sehr Persönliches, ja Intimes, darüber möchte ich nicht unbedingt mit jedem reden. Im Gottesdienst fühle ich mich sicher und dort ist es selbstverständlich, dass ich sage: „Ich glaube an Gott“. Aber es fällt nicht so leicht, im täglichen Leben, in der Öffentlichkeit diese Worte zu sagen. Und es fällt nicht leicht, die richtigen Worte zu finden, wenn ich über meinen Glauben sprechen soll. Ich möchte niemanden verletzen, der anders denkt als ich. Ich möchte nichts Falsches oder Dummes sagen, und ich möchte auch nicht mit dem kleinen Satz „Ich glaube an Gott“ gleich eine riesige Diskussion über Kirche und Christentum auslösen. So geschieht es, dass ich manchmal lieber gar nichts sage. Ich weiß, dass das nicht richtig ist und doch geschieht es, dass ich mich manchmal lieber bedeckt halte.

Diese Angst, diese Unsicherheit, kannten schon die ersten christlichen Gemeinden. Im 2. Brief des Paulus an Timotheus wird davon erzählt. Paulus hatte auf einer seiner Missionsreisen Timotheus kennen gelernt, der ihm zu einem engen Vertrauten wird. Nun sitzt Paulus im Gefängnis in Rom und schreibt Briefe an Timotheus, um ihn wenigsten aus der Ferne bei seiner Arbeit in der christlichen Gemeinde zu unterstützen. Paulus erinnert Timotheus an seinen Auftrag und gibt ihm Ratschläge, wie er die ihm anvertraute Gemeinde leiten kann. Er ermutigt ihn, sich nicht zurück zu halten, sondern frei und mutig das Evangelium zu verkünden, denn: „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit. (2.Tim 1,7). So spornt Paulus seinen treuen Freund und Mitarbeiter Timotheus an.

Weil Gott uns mit dem Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit beschenkt, kann ich über meinen Glauben sprechen. Gott beschenkt mich mit seinem besonderen Geist und dieser Geist macht mutig, mit diesem Geist brauche ich mich nicht zu verstecken oder zu fürchten. Dieser Geist, mit dem Gott uns Menschen beschenkt, gibt ungeahnte Fähigkeiten, Fähigkeiten, den Glauben an Gott zu leben und darüber zu sprechen.

Gott schenkt den Geist der Kraft, denn es erfordert Kraft, Stärke, Rückgrat über den Glauben zu reden und nach ihm zu leben. Der Inhalt unseres Glaubens ist nicht leicht zu erklären. Paulus schreibt Timotheus über den Glauben: „Gott hat uns selig gemacht, er hat uns gerettet. Er hat uns zu seinem Dienst berufen aus Gnade. Er hat uns aus Liebe seinen Sohn geschenkt, der dem Tod die Macht genommen und das Leben ans Licht gebracht hat.“ Das klingt sehr theologisch und ich fürchte, im täglichen Leben würde ich mit diesen Aussagen Menschen überfordern. Und doch sind das ja Grundaussagen über unseren Glauben, in dieser Hoffnung leben wir und das strahlt aus in unser Tun und Reden. Aber es erfordert immer wieder viel Kraft und Anstrengung, überzeugend und verständlich von diesem Glauben zu reden und ihn zu vertreten. Es erfordert viel Kraft davon zu erzählen, wie diese theologischen Wahrheiten sich in meinem Leben spiegeln. Doch der Geist der Kraft hilft dabei.

Der Geist der Kraft meint hier auch den Geist der Kompetenz. Ich brauche Kompetenz in Fragen des Glaubens und der Geist Gottes macht mich kompetent, das heißt, wir können über unseren Glauben reden und ihn leben, ganz selbstverständlich. Wir dürfen sagen, warum für uns das Evangelium wichtig ist:

Gott liebt mich so wie ich bin.
Weil Christus mich von aller Schuld befreit hat, fühle ich mich entlastet.
Mir ist zugesprochen: Du darfst immer wieder neu anfangen. Das macht mich froh und zuversichtlich.
Ich lebe auf ein Ziel zu. Eines Tages darf ich in Gottes ewigem Reich leben. Das gibt Hoffnung und Perspektive.

Diese Kompetenz, diese Kraft, die Gottes Geist gibt, macht sicher. Ich werde mutiger und souveräner über den eigenen Glauben zu erzählen. Ich finde richtige Worte, verständliche Worte, überzeugende Worte, die etwas spüren lassen von meiner Begeisterung und dabei nicht verletzend sind anderen gegenüber.

Neben dem Geist der Kraft schenkt Gott den Geist der Liebe. Ohne Liebe wäre das Leben nicht möglich, und auch für unseren Glauben ist Liebe grundlegend. Gott hat uns Menschen zuerst geliebt und er liebt uns uneingeschränkt, unvoreingenommen. Die Liebe, die wir von Gott erfahren und erspüren, geben wir weiter, denn, was uns froh macht, daran sollen auch andere teilhaben. Darum gehen wir freundlich und verständnisvoll auf unsere Mitmenschen zu.

Wer mit Liebe handelt, kann überzeugen. Wenn ich eine Aufgabe lieb- und lustlos angehe, wird sie mir kaum gelingen. Darum brauche ich den Geist der Liebe. Das gilt für die Dinge des täglichen Lebens und für meinen Glauben. Wer in und mit Liebe von seinem Glauben erzählt, der ist überzeugend, der ist authentisch und echt.

Liebe gibt aber auch Toleranz. Ich muss nicht alles besser wissen, ich kann mir Fremdes oder Widerstrebendes stehenlassen und korrigiere nicht.

Liebe ist also ungeheuer wichtig. Damit wir mit der Liebe überlegt umgehen, hat uns Gott ein weiteres Geschenk gemacht: Den Geist der Besonnenheit. Ohne Besonnenheit würde manches in einer Flut von Emotionen untergehen. So ist es gut, bei allem, was wir tun auch von uns selbst abzusehen. Der Geist der Besonnenheit weitet den Blick, er macht deutlich, wie Liebe und Kraft richtig einzusetzen sind. Der Verstand wird eingeschaltet und lenkt, den richtigen Weg einzuschlagen. Der Geist der Besonnenheit ist wie das Zünglein an der Waage zwischen Kraft und Liebe. Er gibt das richtige Maß an. Er macht auch klar, dass es nicht gilt, Wunder zu vollbringen, sondern dass es die kleinen Schritten sind, die zählen.

Wichtig ist, dass im täglichen Leben etwas von Gottes Menschenfreundlichkeit sichtbar wird. Das kann nur durch uns geschehen. Wenn wir erreichen, dass Menschen sich wohl fühlen, dass sie sich geachtet und angenommen fühlen, dann erfahren sie Gottes Menschenfreundlichkeit. Dann haben wir kompetent und mit Liebe unseren Glauben sichtbar gemacht.

Gott schenkt uns den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit. Diese drei gehören zusammen. Das eine ist ohne das andere nicht denkbar. Sie sind abhängig voneinander und ergänzen sich gegenseitig. Mit Kraft, Liebe und Besonnenheit können wir gut über den Glauben sprechen, frei und unverkrampft.

So will ich das Geschenk gerne annehmen und von meinem Glauben erzählen und mich darauf verlassen, dass Gott uns nicht den Geist der Furcht gegeben hat, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit. Amen.

Viel Kraft!
Ihre Pastorin Annette Beer