Ist Gott für uns, wer kann wider uns sein? Der auch seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben – wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken? Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? Gott ist hier, der gerecht macht. Wer will verdammen? Christus Jesus ist hier, der gestorben ist, ja mehr noch, der auch auferweckt ist, der zur Rechten Gottes ist und für uns eintritt.
(Römer 8,31b-34)
„Fröhlich soll mein Herze springen“
von Paul Gerhardt, ca. 1653 (EG 36)
„Die sind aus dem gleichen Holz geschnitzt!“ sagen wir manchmal und meinen, dass zwei Menschen sich im Verhalten sehr ähnlich sind. Nach einer uralten Legende gilt das auch für die Krippe und das Kreuz Jesu: Sie sollen aus dem gleichen Holz geschnitzt sein. Und zwar hat nach dieser Legende der Baum in der Mitte des Paradiesgartens nach dem Sündenfall von Adam und Eva einen dicken Ast über die Mauer wachsen lassen, die das Paradies umgab. Dieser Ast schlug, als er auf die Erde traf, wieder Wurzeln und wuchs nun ganz langsam und beständig über die Jahrhunderte hinweg. Einige Zeit vor der Geburt Jesu haben dann Menschen, die nicht mehr wussten, was das für ein Baum war, aus welchem Ast er erwachsen war, ihn gefällt und sein Holz verarbeitet. Viele unterschiedliche Dinge wurden aus diesem Holz gebaut und eben auch die Krippe, die dann in Bethlehem stand. Und schließlich wurde aus den letzten Balken das Kreuz gezimmert, an dem Jesus starb. Der Sündenfall, die Geburt Jesu und sein Tod gehören, das will uns diese Legende zeigen, ganz eng zusammen, sind gewissermaßen aus dem gleichen Holz gemacht.
So ist es vielleicht dann doch nicht so überraschend, wenn wir in der Woche des Sonntags Lätare, der ja als kleines Osterfest in der Passionszeit gilt, in der Passionsandacht über ein Weihnachtslied nachdenken, das von der Freude spricht:
1. Fröhlich soll mein Herze springen
dieser Zeit, da vor Freud
alle Engel singen.
Hört, hört, wie mit vollen Chören
alle Luft laute ruft:
Christus ist geboren!
2. Heute geht aus seiner Kammer
Gottes Held, der die Welt
reißt aus allem Jammer.
Gott wird Mensch dir, Mensch, zugute,
Gottes Kind, das verbind’t
sich mit unserm Blute.
Es ist gar nicht so lange her, dass wir dies gefeiert haben. Wir haben, wenn auch leider nicht in Gottesdiensten in der Kirche, Weihnachtslieder gesungen und die Krippe betrachtet. Wir haben uns über die Menschwerdung Gottes gefreut. Wir haben wieder einmal staunend wahrgenommen, dass Gott Mensch wurde und sich damit ganz den Bedingungen unseres Lebens unterstellte. Weihnachten haben wir ja nicht in erster Linie das süße Kind gefeiert, sondern dass Gott sich herab begibt und einer von uns wird, dass er in seinem Sohn den Weg der Niedrigkeit geht, dass Jesu Leben mit allen Höhen und Tiefen eines normalen menschlichen Lebens in der Krippe startet. Gott wird Mensch dir, Mensch, zugute, Gottes Kind, das verbind’t sich mit unserm Blute.
Gott ist eben nicht fern, sondern mitten unter uns angekommen. Und das zeigt doch seine übergroße Liebe zu uns Menschen. Wir sind ihm nicht nur nicht egal, sondern er liebt uns so sehr, dass er selbst in seinem Sohn Mensch wurde. Aber eben nicht nur das. Er will uns wieder zu sich ziehen.
3. Sollt uns Gott nun können hassen,
der uns gibt, was er liebt
über alle Maßen?
Gott gibt, unserm Leid zu wehren,
seinen Sohn aus dem Thron
seiner Macht und Ehren.
Gott liebt uns Menschen. – Aber wie sieht es mit unserer Liebe zu ihm aus? Im Sündenfall ist es ja schon deutlich geworden. Adam und Eva haben Gottes Nähe ganz direkt erfahren. Aber da gab es dieses eine Gebot, nur das eine: Die beiden sollten nicht von dem Baum in der Mitte des Gartens essen. Doch dies Verbot machte gerade diese Früchte dieses einen Baumes so verlockend. Und die Aussicht, wie Gott sein zu können, bestimmte ihre Sehnsucht. Adam und Eva hatten wahrlich Früchte anderer Pflanzen im Überfluss, aber sie erliegen dieser Verlockung, die größer war, als die Liebe zu Gott. Exemplarisch erzählt diese Geschichte, dass Menschen sich immer wieder von Gott abwenden, seine Gebote ignorieren und gegen seinen Willen verstoßen. Und dass nicht nur mit den großen Verbrechen oder dem, was das Strafgesetzbuch erfasst, sondern in vielen Kleinigkeiten in Werken, Worten und Gedanken. Gott wendet sich uns zu, aber wir wenden uns immer wieder von ihm ab.
Doch reagiert Gott nicht verärgert und wendet sich nun seinerseits von uns ab, sonder er lässt seinen Sohn Menschwerden. Er lässt ihn den Weg der Niedrigkeit gehen. Er lässt ihn die Konsequenz unseres Verhaltens tragen. Jesus stirbt am Kreuz mit dem Ruf der Gottesverlassenheit, der Gottesferne.
4. Er nimmt auf sich, was auf Erden
wir getan, gibt sich dran,
unser Lamm zu werden,
unser Lamm, das für uns stirbet
und bei Gott für den Tod
Gnad und Fried erwirbet.
Aber, und auch das gehört zu Jesu Weg, der Tod am Kreuz ist nicht das Ende von Gottes Fürsorge und Liebe. Gott zeigt, dass er von seiner Seite die Gottesferne überwunden hat und für uns überwinden will. Krippe und Kreuz sind Anfang und Ende des irdischen menschlichen Lebens seines Sohnes. Aber wenn das alles wäre, gedächten wir in dieser Zeit nur der Passion eines großen Ethikers. Nun aber hat Gott ein ganz entscheidendes Kapitel hinzugefügt. Er hat seinen Sohn auferweckt und ins ewige Leben geholt.
Am Sonntag Lätare, dem kleinen Osterfest, denken wir daran, dass Kreuz und Auferstehung untrennbar zusammengehören. Ohne das Sterben am Kreuz kann es keine Auferstehung geben und ohne Auferstehung ist das Kreuz ein Zeichen des Scheiterns. So aber durch Kreuz und Auferstehung haben wir Hoffnung und Glauben. Wir wissen, dass Jesus uns zugesagt hat, dass sein Weg auch unser Weg ist. Wir vertrauen darauf, dass Gott ein für allemal alles weggenommen hat, was uns von ihm trennt, dass Gott uns durch das tiefe Tal des Todes zu sich ins ewige Leben zieht.
Kreuz und Krippe sind aus dem gleichen Holz gemacht. Sündenfall, Weihnachten, Karfreitag und Ostern gehören untrennbar zusammen. Das eine gibt es nicht ohne das andere. So loben wir mit den Worten dieses Weihnachtsliedes singend mitten in der Passionszeit mit der Aussicht auf Ostern unsere Freude über Gottes Handeln für uns.
12. Ich will dich mit Fleiß bewahren;
ich will dir leben hier,
dir will ich hinfahren;
mit dir will ich endlich schweben
voller Freud ohne Zeit
dort im andern Leben.
Bleiben Sie hoffnungsvoll!
Ihr Pfarrer Johannes Beer