Psalm 16
1 Bewahre mich, Gott, denn bei dir finde ich Zuflucht!
2 Ich sage zum HERRN: »Du bist mein All – Herr. Glück für mich gibt es nie jenseits von dir!
3 Ich freue mich über alle, die zu Gottes heiligem Volk gehören. An ihnen zeigt sich Gottes Herrlichkeit.
4 Die sich aber vor einem anderen Gott niederwerfen, bereiten sich selbst zahlreiche Schmerzen. Mit ihren Opfern – dem Blut, das sie ihrem Gott darbringen, will ich nichts zu tun haben. Die Namen ihrer Götzen will ich nicht in den Mund nehmen.
5 Mein Besitz und mein Erbe ist der HERR selbst. Ja, du teilst mir zu, was ich brauche!
6 Was du mir für mein Leben geschenkt hast, ist wie ein fruchtbares Stück Land, das mich glücklich macht. Ja, ein schönes Erbteil hast du mir gegeben!
7 Ich preise den HERRN, weil er mich beraten hat! Ja, in den Nächten haben mich unterwiesen meine Nieren:
8 Ich habe den HERRN stets vor Augen. Weil er mir zur Seite steht, werde ich nicht zu Fall kommen.
9 Deshalb ist mein Herz voll Freude, und ich kann aus tiefster Seele jubeln. Auch mein Körper ruht in Sicherheit.
10 Meine Seele wirst du nicht dem Totenreich überlassen, mich, deinen treuen Diener, wirst du vor dem Grab verschonen.
11 Du zeigst mir den Weg zum Leben. Dort, wo du bist, gibt es Freude in Fülle; ungetrübtes Glück hält deine Hand ewig bereit.
„Glück für mich gibt es nie jenseits von dir“
Psalm 16, 2
Das klingt wie eine Liebeserklärung – und ist es wohl auch.
Eine Liebeserklärung, die sich aber nicht auf einen Menschen bezieht sondern auf Gott, der in diesem Psalm vom Beter als „mein All-Herr“ angesprochen wird. Mit Glück meint die Heilige Schrift, was ein Leben überhaupt erst zu vollem Leben (und nicht ein Vegetieren) macht: Wohlsein und Genuss, Tätigkeit und Gemeinschaft. All das – so die Behauptung des Beters – ist ohne Gott gar nicht vorstellbar, gar nicht erlebbar, gibt es nur mit ihm und nur durch ihn.
Diese Ausschließlichkeit, die in diesem Psalm zum Ausdruck kommt, nämlich einzig in der Beziehung zu Gott das Glück des Lebens zu finden, wird wohl bei vielen Menschen Anstoß und Widerspruch erregen. Sie würden einwenden: „Ich finde mein Glück ganz woanders.“
Na, dann mal los…
Ganz anders der Beter in diesem Psalm: Für ihn ist sein Gott der Einzige, von dem er alles erwartete und wie sich dann im weiteren Verlauf zeigt, auch alles bekommen hat, was zu einem glücklichen Leben gehört. Diese beglückende Erkenntnis ist das Ergebnis nächtlicher Belehrung durch Gott selbst. Denn in den Nieren, in jenen Tiefen seines Inneren, in die sein Bewusstsein nicht hinabreicht, formte sich diese gottgegebene Erkenntnis, die dann aufstieg in sein Bewusstsein. Er gibt also unumwunden zu, dass er selbst niemals zu dieser beglückenden Einsicht gekommen wäre. So hat er es erlebt, so nah ist Gott ihm gekommen und deshalb vertraut er sein ganzes Geschick diesem Gott an. Aufgrund dieser nächtlichen Belehrung ist der Beter davon überzeugt, dass auch seine Zukunft gesichert ist. Sein Vertrauen in Gott mündet in die Gewissheit, dass der Weg des Lebens nicht im Tod an sein Ende kommt, weil die mit Gott gelebte Gemeinschaft auch durch den Tod nicht zerstört werden kann. Meine Seele wirst du nicht dem Totenreich überlassen, mich, deinen treuen Diener, wirst du vor dem Grab verschonen. Du zeigst mir den Weg zum Leben. Dort, wo du bist, gibt es Freude in Fülle; ungetrübtes Glück hält deine Hand ewig bereit. Eben: „nie jenseits von dir“ Und deswegen immer bei dir, mit dir, zu dir!
Es mag den einen oder die andere erstaunen, dass eine solche Vorstellung bereits im alten Testament zu finden ist – aber sie ist da. Einen hat es gegeben, den Gott es wissen ließ Und der bezeugt es mit diesem Psalm: Was Gott ex nihilo konnte kann er auch ex morte! Was für ein Glück!!
Amen
Ihre Pfarrerin G. Steinmeier