An(ge)dacht zum 11. Sonntag nach Trinitatis am 11.8.2024

zu Lukas 18,9-14

Zwei Menschen gehen in denselben Gottesdienst und geraten wegen ihrer großen Unterschiede in einen Vergleich. Beide sind offensichtlich fromm und gottesfürchtig.

Da ist zunächst der Pharisäer. Nach dem, was wir aus der Geschichte heraushören, ist er korrekt und tüchtig. Er lebt und arbeitet in geordneten Verhältnissen. Sein Glaubensleben ist ihm äußerst wichtig. Er betet mehrmals täglich, geht regelmäßig zum Gottesdienst und hält strengstens die Gebote. Gottes Wort gehört zu seinem Lebensfundament. Und ich kann gut verstehen, dass er sehr dankbar ist, wie sein Leben verläuft. Das Dankgebet, das er vor Gott ausspricht, kommt sicherlich aus tiefstem Herzen: „Ich danke dir, Gott, dass ich nicht bin wie die andern Leute, Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner. Ich faste zweimal in der Woche und gebe den Zehnten von allem, was ich einnehme.“ Stolz steht er vor Gott. Zufrieden schaut er auf seine Verdienste und auf seine guten Werke.

Sehen wir uns den zweiten Mann an, den Zöllner: Wir wissen, dass Zöllner damals nicht den besten Ruf hatten. Sie galten als Betrüger, da sie, um im damaligen System überhaupt überleben zu können, den Menschen an den Zollstationen viel, oft zu viel Geld abnahmen. Dieser Zöllner, von dem wir hier in der Geschichte hören, ist allerdings fromm und gottesfürchtig, denn er geht in den Tempel, um zu beten. Er steht aber mit gesenktem Kopf vor Gott, er wagt kaum seine Augen aufzuheben. Er schlägt sich an die Brust und betet: „Gott, sei mir Sünder gnädig!“ Er weiß um seine Fehler und Schwächen. Oft genug ertappt er sich schließlich dabei, dass er etwas Schlechtes gedacht oder gesagt hat. Er weiß, dass er unfreundlich und auch nicht immer korrekt gewesen ist. Er sieht, dass er mit seinem Verhalten immer wieder Schuld auf sich lädt. Er wird schuldig seinen Mitmenschen gegenüber und dabei wird er auch immer Gott gegenüber schuldig. Denn alles Versagen unseren Mitmenschen gegenüber ist auch Schuld vor Gott. Dem Zöllner ist das sehr bewusst und ihm ist auch klar, dass er mit seinen Werken nicht vor Gott bestehen kann. Er weiß, er kann sich vor Gott nicht rechtfertigen, denn wenn Gott Gerechtigkeit walten ließe, müsste er für seine Schuld verurteilt werden. So lautet sein Gebet: „Gott, sei mir Sünder gnädig!“ Er gibt sich in Gottes Hand.

Zwei Menschen stellt Jesus vor, zwei Menschen, die unterschiedlich fromm sind. Der eine, der Pharisäer, ist Gott dankbar und er ist froh, sein Leben im Griff zu haben. Er verweist auf seine guten Werke und ist mit sich zufrieden. Der andere, der Zöllner, ist bedrückt und beschämt. Er weiß um seine Schuld. Er bittet Gott um Erbarmen.

Bei wem finden wir uns wieder? Mit welchem der beiden können wir uns identifizieren?

Es ist wohl klar, dass wir vor Gott nicht sein wollen wie der Pharisäer. Er hat sich und seine guten Werke im Blick. Er baut auf sein eigenes Tun und meint, Gott damit zu überzeugen. „Bin ich nicht ein prima Kerl?“ scheint er zu fragen.

Doch der Zöllner? Wollen wir wirklich wie er sein? Er sieht, dass er vor Gott schuldig ist. Das bedrückt ihn so sehr, dass er nur mit gesenktem Kopf vor Gott tritt. Er ist der zerknirschte Sünder, der droht, in ein anderes Extrem zu verfallen. „Bin ich nicht ein armer Kerl?“ so scheint er zu fragen.

Vielleicht, so mögen Sie jetzt denken, ist es gut, dass wir uns in keinem so recht wiederfinden. Wir haben nicht das sündige Leben des Zöllners und nicht die Arroganz des Pharisäers. Und so stellen wir vielleicht mit innerer Genugtuung fest: „Gott sei Dank bin ich nicht wie jener Pharisäer und nicht wie jener Zöllner!“

Blicken wir aber doch einmal von den beiden weg und blicken darauf, was Jesus uns gesagt und vorgelebt hat. Es ist, glaube ich, gar nicht entscheidend, was wir meinen, wie wir für Gott sind, ob gut oder schlecht, sondern allein wichtig ist, was Gott für uns sein will. Es kommt nicht auf unsere Verdienste an, es kommt auch nicht darauf an, wie wir vor Gott stehen, denn auch der Frömmste kann nicht wirklich in Werken, Worten und Gedanken ganz und gar nach Gottes Willem leben.

Und dennoch ist es sinnvoll und hilfreich, sich immer wieder an Vorbildern zu orientieren und auszurichten. Ihr Beispiel kann helfen eigene Fehler zu überwinden und das eigene Leben zu verbessern. Aber auf andere herabzublicken, um festzustellen, dass man besser ist als jene anderen, hilft gar nichts.

Wenn wir mit unserem Gebet und unserer Schuld vor Gott stehen, dann helfen uns alle anderen Menschen und Vergleiche nicht. Dann sind wir ganz direkt gefragt und müssen bekennen. Dann können wir nur noch auf uns schauen und vor Scham erröten und bekennen: „Gott, sei mir Sünder gnädig!“ Dann dürfen wir auf Jesus schauen und auf seine Gnade vertrauen.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie fröhlich im Vertrauen auf Gott Ihren Glauben leben können!
Ihr Pfarrer Johannes Beer

(Abbildung: Julius Schnorr von Carolsfeld: „Das Gleichnis von dem Pharisäer und dem Zöllner“, 1852 – 1860)