Kinder des Lichts
Als ich noch im Studium war, gingen meine Freunde und ich manchmal ins Gefängnis, um dort eine Andacht zu halten, und danach führten wir ein seelsorgeliches Gespräch, damit die Gefangenen über ihre Probleme oder was ihnen Sorge macht sprechen können. Bevor wir den Ort verließen, haben sie uns Briefe mitgegeben, damit wir diese an ihre Familienangehörigen weiterleiten können, damit ihre Familien über ihre Situation wissen. Die Wache hat jedoch die Sicherheitskontrolle gemacht, ob ein Brief eine hassvolle oder unerwartete Nachricht beinhaltet. Es gab in der Tat so einen Brief, ein Gefangener hat geschrieben, dass er Rache nehmen will, wenn er freigelassen wird. So ein Brief darft nicht an die Familie weitergeleitet werden.
Aber es gibt auch Menschen, die unschuldig verurteilt sind, und nicht den Mut verlieren. So geschach es bei einem der größten Theologen des 20.Jahrhunderts, Dietrich Bonhoeffer. In seiner Gefangenschaft schrieb er ein Morgengebet, das seinen starken Glauben und seine Angewiesenheit auf Gott zeigt. Das Gebet lautet:
„Gott, zu dir rufe ich am frühen Morgen, hilf mir beten und meine Gedanken sammeln. Ich kann es nicht allein. In mir ist es finster, aber bei dir ist das Licht. Ich bin einsam, aber du verlässt mich nicht. Ich bin kleinmütig, aber bei dir ist die Hilfe. Ich bin unruhig, aber bei dir ist Frieden. In mir ist Bitterkeit, aber bei dir ist die Geduld. Ich verstehe deine Wege nicht, aber du weißt den rechten Weg für mich“.
Bonhoeffer wuste, dass das böse Machtsystem ihm sein Leben jede Zeit nehmen könnte, und als seine Annahme sich bewahrheitete, konnte er noch beten und sein Leben Gott anvertrauen. Er kam dem Tod mit großem Glauben entgegen, und er ließ sich nicht von der Finsternis schlagen. Sein Zeugnis ist nun uns ein Vorbild oder Leuchturm, woran wir uns orientieren können, wie wir als Christen ein christliches Leben führen sollen. Dieser Theologe wusste genau, dass wir auf Gott angewiesen sind, wenn wir diese Welt erleuchten möchten. Wir sind keine Quelle des Lichts, unsere Existenz ist wie der Mond, der strahlt aber sein Licht stammt aus der Sonne. Der Mond macht aussließlich nur seine Aufgabe, die dunkle Nacht ein wenig zu erhellen und Menschen Orientierung zu geben. Aber dadurch zeigt sich auch seine Schönheit, denn er ist mit der Quelle des Licht immer verbunden.
So heißt es, was der Verfasser des Epheserbriefes schrieb, als er die Gemeinde in Kleinasien lehrte, sodass sie eine bessondere Lebensweise üben, die sehr unterschiedlich ist, im Vergleich zu dem, was ihre Mitbürger:innen machen. Diese Morallehre steht im 5 Kapitel des Briefes, und lautet:
8 Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Wandelt als Kinder des Lichts; 9 die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit. 10 Prüft, was dem Herrn wohlgefällig ist, 11 und habt nicht Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis; deckt sie vielmehr auf. 12 Denn was von ihnen heimlich getan wird, davon auch nur zu reden ist schändlich. 13 Das alles aber wird offenbar, wenn’s vom Licht aufgedeckt wird; 14 denn alles, was offenbar wird, das ist Licht. Darum heißt es: Wach auf, der du schläfst, und steh auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten.
Dem Verfasser des Epheserbriefes zufollge haben wir durch Jesus Christus eine neue Identität, und zwar Kinder des Lichts. Wir sind nicht mehr in der Finsternis, nachdem wir Jesus als unseren Herrn bekennen. Nun sind wir teil Gottes Familie, die Kirche oder Gemeinde genannt wird. Und obwohl wir noch auf dieser Welt wohnen, heißt das nicht, dass wir deren Maßtab als unseren eigenen nehmen.
Um diese Lehre verständlich zu machen, nehme ich oft ein Beispiel, in dem ich mich als Adoptivkind eines Königs vorstelle. Der König hat uns auf der Straße sittenlos und ohne Manieren gesehen, weil sie uns von niemandem beigebracht worden sind. Dennoch liebt dieser barmherzige Herrscher uns, daher nimmt er uns als seine Kinder in sein prächtiges Schloss, wo wir wie ein Prinz oder Prinzessin wohnen. Es ist bestimmt sehr schwierig für ein ungebildetes Kind, sich in so einer Umgebung anzupassen, ich nehme an, dass manchmal eine Krise auftaucht, wobei das Kind sich nach seiner früheren Freiheit sehnt. Es möchte leben, wie es will.
Der Vefasser stellte diese Welt als Dualismus vor, und zwar als Licht und Finsternis. Es gibt keine Mischung zwischen den beiden, deshalb muss man wählen, auf welcher Seite man steht. Allerdings mahnte er, dass wir Christenmenschen der Finsternis nicht mehr gehören, da Gott durch Jesus uns davon abgeholt hat, deswegen müssen wir darauf achten, ob unsere Taten Gottes Willen entsprechen oder nicht. Wandelt als Kinder des Lichts! So ruft der Verfasser dieses Briefes auf, damit wir dadurch die Frucht des Lichtes tragen können, nämlich Güte, Gerechtigkeit, und Wahrheit. Jeder braucht das Licht, damit man sich nicht verläuft, weil er keine Wegschilderung und Orientierung hat.
Unser Christsein ist eine neue Realität und das Ergebnis unserer Bekehrung, und Gott macht uns zu einer neuen Kreatur, damit die Welt sieht und weiß, dass es eine bessere und würdigere Lebensweise gibt. Und wenn man diesen Weg einschlägt, wird man an der Quelle des Lebens ankommen. Die Sünden der Welt sind offenbar, aber der Autor ermahnt uns, dass es doch schändlich ist, über sie zu reden. Was sind die Sünden, die diese Welt begangen hat? Im dritten und vierten Vers des 3.Kapitel dieses Briefes ist der Hinweis klar geschrieben, was man als Christ vermeiden oder nicht tun soll:
Von Unzucht aber und jeder Art Unreinheit oder Habsucht soll bei euch nicht einmal die Rede sein, wie es sich für die Heiligen gehört, auch nicht von schändlichem Tun und von närrischem oder losem Reden, was sich nicht ziemt, sondern vielmehr von Danksagung.
Aber wenn wir die Realität beobachten, werden wir es sofort wissen, dass es für viele Menschen normal ist, die alle oben genannten Schanden zu praktizieren. Für sie ist Freiheit, körperliches Vergnügen und Zufriedenheit der allererste Maßtab, und sie sagen, dass wir nur einmal leben, deswegen müssen wir alles ausprobieren, bevor wir ins Nichts gehen werden. Diese Schande wird nicht nur im täglichen Leben verübt sondern auch im politischen und religiöschen sowie in allen Lebensbereichen. Für solche Menschen gibt es keinen Gott, kein Himmelreich und keine Hölle, und obwohl sie behaupten, dass sie religiös oder fromm sind, verehren sie doch Götter, die nach dem Tod viele Menschen verlangen.
Die Welt braucht das Licht, sonst würde sie sich selbst vernichten. Wo ist das Licht zu finden? Der Verfasser sagte, dass es nur in Gott durch Jesus Christus unseren Herrn zu finden ist. Diese Behauptung ist kein Überlegenheits-Anspruch, als wären Menschen, die kein Christ sind, keine echten und liebevollen Menschen. Oder es gäbe keine Güte in der unchristlichen Tradition oder Gesellschaft. Davon ist nicht die Rede, aber der Vefasser lädt uns ein, unser Christsein zu betrachten und zu prüfen, und danach richten wir unsere Taten nach Gottes Willen aus.
Wir sündigen noch, aber wir sind deswegen nicht kleinmütig geworden, da wir wissen, dass wir einen barmherzigen Vater haben, der uns weiterhin Kraft gibt, ans Licht zu kommen und die Finsternis zu verlassen. Gottes Liebe ist kein Gefängnis, das unsere Freiheit eingrenzt oder ein Urteil, das uns ausgrenzt, aber es ist ein Weg, der uns zur Bekehrung führt.
Ihr Pfr.Albert Purba
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