An(ge)dacht am 4. Advent 2022

… zu richten unsere Füße auf den Weg des Friedens (Lukas 1,79)

Zur Adventszeit gehören die biblischen Lobgesänge. Einer von ihnen ist der von Zacharias, dem Vater von Johannes dem Täufer. So wie Maria in ihrem bekannten Lobgesang (Lukas 1,46-55) spricht auch Zacharias von den großen Taten Gottes und von den Veränderungen durch die Geburt Jesu. Und von seinem Sohn Johannes, der dann als erwachsener Prophet auf Jesus hinweisen wird. Lukas 1,67-79:

67 Zacharias wurde mit Heiligem Geist erfüllt; er weissagte und sprach: 68 Gepriesen sei der Herr, der Gott Israels, dass er sein Volk angesehen und ihm Erlösung geschafft hat. 69 Er hat uns ein Horn des Heils aufgerichtet im Hause Davids, seines Knechtes, 70 wie er geredet hat durch den Mund seiner heiligen Propheten von Ewigkeit her: 71 Rettung von unseren Feinden und von der Hand aller, die uns hassen; 72 um Barmherzigkeit zu üben an unseren Vätern und seines heiligen Bundes zu gedenken, 73 des Eides, den er Abraham, unserem Vater, geschworen hat, uns zu geben, 74 dass wir, gerettet aus der Hand unserer Feinde, ohne Furcht ihm dienen sollen 75 in Heiligkeit und Gerechtigkeit vor ihm alle unsere Tage.

76 Und du, Kindlein, wirst ein Prophet des Höchsten genannt werden; denn du wirst vor dem Angesicht des Herrn hergehen, seine Wege zu bereiten, 77 um seinem Volk Erkenntnis des Heils zu geben in Vergebung ihrer Sünden, 78 durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes, mit der uns der Aufgang aus der Höhe besucht hat, 79 um denen zu leuchten, die in Finsternis und Todesschatten sitzen, und unsere Füße zu richten auf den Weg des Friedens.          Lutherbibel

Zacharias besingt die Barmherzigkeit, mit der Gott zu den Menschen kommt. Wir hören von der Hoffnung derer, die in Finsternis und Todesschatten sitzen. Und vom biblischen Schalom, der die Füße der Menschen auf den Weg des Friedens lenkt. Lauter Hoffnungsbilder, die viele Menschen auch heute mit Advent und Weihnachten verbinden: Diese dringend benötigte Hoffnung, während wir aus den Medien täglich die vielen schlimmen Dinge mitbekommen über Krieg, Leid, Elend und wo die Welt unerlöst ist.

Ein Licht der Hoffnung soll kommen für die, die in Finsternis und Todesschatten wohnen: Das war schon in biblischen Zeiten eine verheißungsvolle Vision für die Menschen in Israel. Diese Vision tat dem Land gut, von dem Gott einst sagte, dass es ein gelobtes Land ist. Ein Land, in dem Milch und Honig fließen sollen. Ein Land, in dem Frieden und Gerechtigkeit herrschen.

Davon war das Land seinerzeit allerdings weit entfernt. Die Wirklichkeit sah so aus, dass die römische Besatzungsmacht die Menschen fest und autoritär im Griff hielt, dass ein großer Teil der Bevölkerung verarmt war und die sozial Schwachen am meisten darunter litten. Wie gut, dass es mutige Leute wie den Priester Zacharias gab, die solche Visionen klar und offen aussprachen: Um den Benachteiligten neue Perspektiven zu geben, ein Licht der Hoffnung für die, die in Finsternis und Todesschatten wohnen; ja, dass Gott selber durch seine Barmherzigkeit mithilft, im friedlosen Land die Füße auf den Weg des Friedens zu lenken. Danach sehnten sich in jener Zeit wohl die meisten Menschen.

Diese Sehnsucht und Hoffnung projiziert Zacharias nun auf das neugeborene Kind. Es geht einem das Herz auf! Das weckt Erwartungen und Hoffnungen. Damit verbindet man etwas Schönes.

Zacharias spricht Gedanken an eine gute Zukunft aus: In der alles anders ist; in der alte, unerfüllte Hoffnungen erfüllt werden: „Und du, Kindlein, wirst ein Prophet des Höchsten genannt werden; denn du wirst vor dem Angesicht des Herrn hergehen, seine Wege zu bereiten, um seinem Volk Erkenntnis des Heils zu geben in Vergebung ihrer Sünden.“ (V 76 f.)

Ein kleines Kind, das einmal die Welt verändert! Welch hohe Erwartungen, die diesem jungen Wesen zugetraut werden! Unwillkürlich denkt man: Zacharias meint Jesus. Doch er spricht von seinem Sohn, dem späteren Johannes dem Täufer. In seinem Lobgesang kündigt er ihn als Prophet des Höchsten an. Und tatsächlich: Als Erwachsener wird Johannes der Wegbereiter, der auf Jesus hinweist; der ihn tauft und mithilft, ihn bekannt zu machen. Dadurch verbreitet sich die gute Nachricht von Gottes Barmherzigkeit.

Als Priester kennt Zacharias die Psalmen. Und er weiß gut Bescheid in der religiösen Tradition seines Volkes. Er erinnert an solche prophetischen Texte, die zu seiner Zeit schon mehrere hundert Jahre alt waren.

„Gott hat uns aufgerichtet ein Horn des Heils im Hause seines Dieners David…“. (V 69) Mit „Horn des Heils“ meint Zacharias den Altarraum im Jerusalemer Tempel, wo das Allerheiligste und wo ein solches Horn des Heils aufgerichtet war. Suchte ein Verfolgter oder ein Mensch in großer Not Zuflucht, dann war er hier sicher. Hier fand er Schutz vor den Feinden, sobald er dieses Hornmit seinen Händen umfasste. Diese absolute Tabuzone musste respektiert werden. Sie war für den Verfolgten womöglich letzte Asylstätte und letzter Zufluchtsort, um sein Leben zu retten. Hier durfte ihm niemand etwas antun: Unter Androhung der Todesstrafe wurde dies streng geahndet. So wird es in den Mosebüchern erzählt.

Demgegenüber habe ich heutige Menschen vor Augen, die auf der Flucht waren, die im Kirchenasyl einen sicheren Ort und Schutz fanden vor ihrer Abschiebung. Dadurch kam für sie neue Lebenshoffnung und Zukunft zum Vorschein, erzählen sie.

Zacharias bedient sich bei seinem Lobgesang in der Tradition und erinnert an solche alten Texte und Geschichten, die man sich schon seit Jahrhunderten erzählte oder zusammen gebetet und gesungen hatte. Dort im Tempel haben diese alten Traditionen von jeher ihren Sitz im Leben und wurden von Generation zu Generation weitergegeben. Das war den Menschen vertraut.

Auch wir sind eingebunden in Traditionen. Auch wir sprechen solche Texte mit, in unseren Gottesdiensten etwa. Vieles ist uns geläufig, manches ist uns fremd. Manches verstehen wir nicht mehr, es sind auch nicht immer unsere eigenen Worte. Aber aus Gewohnheit sprechen oder singen wir trotzdem mit. Weil wir sie auswendig gelernt haben,weil sie ein Teil unserer Glaubensgeschichte sind und mit dazugehören.

Es ist gut sie zu haben! Es ist gut an ihnen festzuhalten: Als Orientierung. Als Stütze und Trost. Und dabei zu merken: Es muss nicht alles so bleiben, wie es ist. Sondern durch Gottes große Verheißungen kann sich etwas ändern für Menschen, damit es dem Leben dient. „Um allen zu leuchten, die in Finsternis und Todesschatten sitzen, um unsere Füße zu richten auf den Weg des Friedens.“

Ich wünsche Ihnen eine gesegnete 4. Adventswoche!    Ihr Andreas Smidt-Schellong