An(ge)dacht am Sonntag Trinitatis, 30. Mai 2021

Trinitatis, das Fest der Heiligen Dreifaltigkeit: Vater, Sohn und Heiliger Geist, drei Größen, die doch eigentlich ein Größe sind. Es ist geheimnisvoll. Gott zeigt sich uns Menschen in unterschiedlicher Weise: Gott zeigt sich als Vater, als der, der die Welt gemacht hat und uns erschaffen hat, als der, der die Welt bewahrt und in dieser Welt wirkt. In Jesus Christus, dem Sohn, kam Gott auf die Erde, um zu zeigen, wie er wirklich ist und um den Menschen nah zu sein. In seinem Sohn Jesus Christus zeigte Gott uns seine Liebe, er nahm alles weg, was uns von ihm trennen könnte hier und in Ewigkeit und erlöste uns Menschen zu einem ewigen Leben in seinem Reich. Gott als Heiliger Geist ist bei den Menschen, beschenkt sie mit Glauben und einem Leben, das gelingt. Durch den Geist ist Gott erkennbar und erfahrbar.

Vater, Sohn und Geist: Drei in einem, Gott in drei Gestalten, mit drei Eigenschaften. Wie die Dreifaltigkeit zusammen wirkt, erfahren wir in der Geschichte von Nikodemus:

Es war aber ein Mensch unter den Pharisäern mit Namen Nikodemus, ein Oberster der Juden. Der kam zu Jesus bei Nacht und sprach zu ihm: „Rabbi, wir wissen, dass du ein Lehrer bist, von Gott gekommen; denn niemand kann die Zeichen tun, die du tust, es sei denn Gott mit ihm.“ Jesus antwortete und sprach zu ihm: „Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Wenn jemand nicht von Neuem geboren wird, so kann er das Reich Gottes nicht sehen.“ Nikodemus spricht zu ihm: „Wie kann ein Mensch geboren werden, wenn er alt ist? Kann er denn wieder in seiner Mutter Leib gehen und geboren werden?“ Jesus antwortete: „Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Wenn jemand nicht geboren wird aus Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen. Was aus dem Fleisch geboren ist, das ist Fleisch; und was aus dem Geist geboren ist, das ist Geist. Wundere dich nicht, dass ich dir gesagt habe: Ihr müsst von Neuem geboren werden. Der Wind bläst, wo er will, und du hörst sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er fährt. So ist ein jeder, der aus dem Geist geboren ist.“ (Johannes 3,1-8)

Der Pharisäer Nikodemus ist auf der Suche, er will Klarheit für sein Leben. Er bewundert Jesus, und er will von ihm lernen, wie er ein Leben führen kann, das Gott gefällt. Mitten in der Nacht treffen sich Jesus und Nikodemus, um diese wichtigen theologischen Themen zu besprechen. Weil es üblich ist, die Thora nachts zu studieren, ist es nicht verwunderlich, dass Nikodemus zu nachtschlafender Zeit zu Jesus kommt, weil ihm etwas auf den Nägeln brennt.

Nikodemus ist kein Dummkopf, er gehört zu den Oberen der Juden und er ist Lehrer, das heißt, er kennt sich in den heiligen Schriften aus. Gleichzeitig ist er jemand, der auf der Suche ist, auf der Suche danach, was Gott will, wie er sein Leben so gestalten kann, dass Gott mit ihm einverstanden ist, ja, er will wie alle Gläubigen wissen, was er tun muss, um Gottes Reich zu sehen. Gottes Reich ist das höchste und wunderbarste und es ist das Ziel seines Denkens und Glaubens.

Nikodemus hofft, dass Jesus ihm helfen kann, diesem Ziel näher zu kommen. So will der Lehrer bei Jesus etwas lernen. „Wir wissen, du bist ein Lehrer, von Gott gekommen; denn niemand kann die Zeichen tun, die du tust, es sei denn Gott mit ihm.“ So beginnt Nikodemus sein Gespräch mit Jesus. Noch hat er keine Frage gestellt, noch hat er gar nicht gesagt, um was es geht, doch schon sagt Jesus spontan: „Das Reich Gottes kann nur sehen, wer neu geboren wird.“ Damit sind die beiden mittendrin in der Diskussion. Aber mit dieser rätselhaften Aussage kann Nikodemus nichts anfangen, er versteht sie nicht und muss nachfragen: „Was heißt denn das, Gottes Reich kann nur sehen, wer neu geboren wird? Ein alter Mensch kann doch nicht wieder in den Leib seiner Mutter zurückehren, um noch einmal geboren zu werden?“ Jesus erklärt ihm daraufhin: „Es ist so: Man kann nicht einfach lernen und üben, was Gott will, man kann die Verbundenheit mit Gott nicht erarbeiten oder herbeizwingen. Die Verbundenheit mit Gott bekommt man geschenkt und das geschieht dem, der aus Wasser und Geist neu geboren wird.“

Wir Menschen neigen dazu, unser Leben unter Mühen selbst zu gestalten. Wir meinen, wir müssten dauernd irgendetwas leisten, damit wir anerkannt sind, damit wir allen gerecht werden. Das ist anstrengend. Im Glaubensleben ist das oftmals nicht anders: Wir wollen vor Gott gut dastehen, damit er uns liebt und annimmt. Wir wollen alles richtig machen, damit wir Gott gefallen.

Doch das funktioniert bei Gott gerade anders: Ohne, dass wir Menschen irgendetwas dazu tun müssen, ohne, dass wir irgendetwas leisten müssen, beschenkt Gott den Menschen mit seiner Liebe. Das zu erfahren und für sich anzunehmen, lässt einen zum neuen Menschen werden. Ich fühle mich wie neu geboren, sagen wir manchmal. Ich habe das Gefühl, alles fällt von mir ab und ich kann noch einmal von vorn anfangen. Dieses Gefühl ist wunderbar, es macht mich leicht und beschwingt und ich kann spüren, dass ich Gott nah bin.

Das geschieht, wenn der Mensch aus Wasser und Geist geboren wird, sagt Jesus. Das klingt kompliziert, doch eigentlich ist es nicht schwierig. Denn das, wonach wir uns sehnen, diese neue Geburt, dieser Neuanfang geschieht in der Taufe. In der Taufe handelt Gott durch den Geist an uns Menschen. Gott beschenkt uns mit seinem Geist und mit seinem Segen. Durch die Taufe bekommen wir neues Leben zugesprochen und wir bekommen Gewissheit, dass Gott uns nahe ist, dass er zu uns steht, dass er uns begleitet.

Das Wunderbare daran ist, das alles geschieht, ohne dass wir etwas dafür leisten müssten. Wir müssen uns nicht anstrengen, wir müssen uns nicht mühen, wir müssen nicht um Gottes Nähe oder um seine Gnade kämpfen, sondern wir dürfen einfach seine Nähe, seine Liebe, seine Geborgenheit annehmen. Wenn Gottes Geist uns Menschen trifft, dann haben wir es ergriffen. Und Gottes Geist weht, wo er will. Wie der Wind, der nicht greifbar, nicht lenkbar und nicht verfügbar ist, sondern der einfach weht, alles erfasst und berührt, so trifft Gottes Geist die Menschen und sie werden von diesem guten Geist erfasst und berührt und verändert.

In der Geschichte von Nikodemus wird das Zusammenwirken von Vater, Sohn und Geist sichtbar und erlebbar. Jesus, Gottes Sohn, von Gott gesandt, erklärt Nikodemus, wie Gottes Geist es schafft, den Menschen, der nach Gott sucht, Gott näher zu bringen. Nikodemus hat danach gesucht. Wir wissen nicht, ob er gefunden hat, wonach er sich gesehnt hat, davon wird uns nichts erzählt. Alle Getauften wissen davon, dass sie Gott nahe sind. Es ist ihnen bei ihrer Taufe zugesprochen worden und begleitet sie. Gott, der Vater, in dessen Namen sie getauft sind, hat es ihnen für immer zugesprochen. Darum wissen Getaufte, dass sie immer wieder neu anfangen können.

Ich wünsche uns Vertrauen und Zuversicht auf den dreieinigen Gott. Ich wünsche uns, dass wir spüren, wie der Geist uns erfasst und er uns hilft, Gott als unseren Schöpfer und Christus als unseren Erlöser zu erkennen und dass wir annehmen können, was uns damit geschenkt ist, denn dann werden wir uns immer wieder wie neu geboren fühlen. Amen.

Der dreieinige Gott behüte Sie!

Ihre Pastorin Annette Beer

(Abbildung: Norbert Beer: Matthäus 4,4, 1996)