Tröstet, tröstet mein Volk! (Jesaja 40,1)
Liebe Leserin und lieber Leser,
der alttestamentliche Text für diesen 3. Adventssonntag steht beim Propheten Jesaja und handelt von Trost und Hoffnung.
Aus Jesaja 40:
1 Tröstet, tröstet mein Volk!, spricht euer Gott. 2 Redet mit Jerusalem freundlich und predigt ihr, dass ihre Knechtschaft ein Ende hat, dass ihre Schuld vergeben ist; denn sie hat die volle Strafe empfangen von der Hand des Herrn für alle ihre Sünden. 3 Es ruft eine Stimme: In der Wüste bereitet dem Herrn den Weg, macht in der Steppe eine ebene Bahn unserm Gott! 4 Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden, und was uneben ist, soll gerade, und was hügelig ist, soll eben werden; 5 denn die Herrlichkeit des Herrn soll offenbart werden, und alles Fleisch miteinander wird es sehen; denn des Herrn
Mund hat’s geredet. 6 Es spricht eine Stimme: Predige!, und ich sprach: Was soll ich predigen? Alles Fleisch ist Gras, und alle seine Güte ist wie eine Blume auf dem Felde. 7 Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt; denn des Herrn Odem bläst darein. Ja, Gras ist das Volk! 8 Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt, aber das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich.
Das Volk Israel ist geplagt von Leid. Es muss im 6. Jh. vor unserer Zeit lernen, im Exil zu leben.
Trostlose Zeiten brechen an. Hoffnungslosigkeit macht sich breit. Die Trauer über den Verlust von
Heimat prägt vermutlich den Alltag und das Lebensgefühl.
In dieser Zeit wird der Ruf Gottes laut: »Tröstet, tröstet mein Volk!«
Gott setzt sein Hoffnungswort gegen die erfahrene Wirklichkeit: »Redet mit Jerusalem freundlich und ruft ihr zu, dass ihre Knechtschaft ein Ende hat, dass ihre Schuld bezahlt ist.« Der Prophet hört diese Stimme. Sie kündet eine Wirklichkeit an, die nicht da ist.
Wenn jemand Stimmen hört, sagen andere schnell, er sei verrückt geworden oder nicht ganz bei Trost. Doch Jesaja war bei Trost. Trösten soll er das Volk, das wie Gras verdorrt ist, dessen Freude und Lebenskraft verblüht sind. Seine Stimme gilt den Menschen, die sich von Gott verlassen fühlen. Der Prophet soll ihnen Vergebung und Befreiung ansagen. Beides soll geschehen.
»Was soll ich rufen?«, entgegnet er ratlos. Wie kann es Trost geben in einer Welt, in der Not und
Traurigkeit herrschen? Ist es womöglich zynisch, in solchen Zeiten Trost zu verkünden?
»Tröstet, tröstet mein Volk!« – Das ist kein verharmlosendes »Passt schon irgendwie…« oder »Augen zu und durch, das Leben geht weiter.« Solche Vertröstungen und vielleicht gut gemeinte Ratschläge helfen nicht weiter.
Was kann jemandem Trost schenken, wenn es keine Sicherheit und nichts Verlässliches mehr gibt? Wahrer Trost ist nicht mit Vertröstung zu verwechseln. Echter Trost betäubt den Schmerz nicht, sondern lässt ihm Raum. Wirklicher Trost ist alles andere als ein Trostpflaster. Der Advent Gottes bietet diesen wahren Trost, weil er die Welt verändert: Finstere Täler sollen eingeebnet werden und zwischen Menschen aufgerichtete Hügel sinken in sich zusammen. „Gott setzt Himmel und Erde in Bewegung, um Menschen aus ihrer Trostlosigkeit zu befreien. […] Der Advent unseres Gottes ist ein globales Ereignis, das auch der schlimmsten Bedrohung und tiefsten Resignation gewachsen ist.“1
Darin besteht wahrer Trost: In der Begegnung mit Gott, der Befreiung und Vergebung schenkt, der die Möglichkeit eines Neuanfangs enthält.
Jesaja zieht eine nüchterne Bilanz über die Vergänglichkeit des Lebens. Zweimal klagt er: „Das Gras ist verdorrt, die Blume verwelkt.“ (Verse 7 und 8) Alles hat ein Ende. Doch dann folgt das große Aber! Trotz aller Vergänglichkeit hat eines Bestand: Gottes Wort. Gras und Blume mögen verdorren, aber das Wort Gottes bleibt in Ewigkeit! Sein Wort, die Quelle für Trost, bleibt ewig bestehen. Wer solchen Trost erfährt, kann selber zur Freudenbotin, zum Tröster für andere werden, zum „Prophet in der Wüste“.
»In der Wüste bereitet dem Herrn den Weg!« Dieser wahre Trost beginnt ausgerechnet in der
Erfahrung von Dürre und Einsamkeit. An Orten, wo keine*r es erwartet. Dort gilt es, sich dafür zu
öffnen. Niemand kann sich diesen Trost selber geben. Man findet ihn nur, wenn man ihn als Geschenk annimmt, wenn man ihn kommen lässt. So wie Paul Gerhardt es in seinem Adventslied „Wie soll ich dich empfangen“ dichtet:
Was hast du unterlassen zu meinem Trost und Freud, als Leib und Seele saßen in ihrem größten Leid? Als mir das Reich genommen, da Fried und Freude lacht, da bist du, mein Heil, kommen und hast mich froh gemacht. EG 11,3
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten 3. Advent!
Ihr Andreas Smidt-Schellong
1 Brigitte Seiffert, Wie der Trost vom Himmel auf die Erde kommt. Jes 40,1–8(9–11), in: Göttinger Predigtmeditationen 67, Heft 1, Seite 28.