Lieber Leserinnen und Leser von An(ge)dacht,
nach etwa vier Jahren wird dieses An(ge)dacht nun das letzte sein, das Sie bekommen. Im neuen Jahr werden die Kirchengemeinde Herford-Mitte und die Gemeinden in Herford Land fusionieren, und es sind in der neuen Gemeinde Herford-Mitte-Land keine Kurzandachten dieser Art mehr geplant.
Herzlichen Dank, dass Sie uns die Treue gehalten haben! Herzlichen Dank für alle Rückmeldungen! Herzlichen Dank für die Portokosten-Spenden!
Bleiben Sie behütet und seien Sie herzlich gegrüßt!
Im Namen der Verfasser und Verfasserinnen der Andachten
Pfarrerin Annette Beer
Angedacht zum ersten Sonntag nach Weihnachten
Matthäus 2,13-18
Wer Macht hat, kann alles machen, so ist die Regel, insbesondere in einem Land in dem der Anführer ein Diktator oder ein Tyrann ist, der die Macht im Griff hat. Dieser Machthaber kontrolliert alles. Und um seine Überlegenheit zu zeigen, lässt er eine Statue von sich errichten und seine Bilder sind überall anwesend. Durch dieses Propagandamittel will er Angst erzeugen, damit seine Bürger gehorsam sind. Laut dem Matthäusevangelium zählte Herodes der Große auch zu den machtgierigen Menschen, die keinen Konkurrenten haben wollten, weil der ihre Macht gefährden könnte. In Rom hat man als Spott immer gesagt, dass es besser ist ein Schwein am Hof des Herodes zu sein, als ein Sohn, weil dieser König seine eigenen Söhne und Familienmitglieder tötete, damit er keine Thronkonkurrent hat.
Viele humanitäre Katastrophen sind wegen einer machtgierigen Person zustande gekommen, die immer auf dem Thron sitzen will. Für diesen Menschen gibt es keinen anderen wichtigen Maßstab außer der Macht, wie es der deutsche Philosoph Friedrich Nietzsche gelehrt hat: „Nur wo Leben ist, da ist auch Wille: aber nicht Wille zum Leben, sondern – so lehr ich’s dich – Wille zur Macht!“
Dem jüdischen Historiker Josephus Flavius zufolge war Herodes ein Anführer und großer Bauherr, weil er die Stadt Jerusalem nach dem Design der Stadt Rom ausbauen lassen hat. Er hat auch die Hafenstadt Cäsarea Maritima gegründet sowie die Festungen Herodion, Makerion und Masada. Die Wasserleitungen hat er erneuern und ausbauen lassen. Für römische Spiele hat er ein Theater und ein Amphitheater in Jerusalem gebaut, obwohl die Stadt das Zentrum des Judentums ist. Ohne ihn hätte das Judentum des ersten Jahrhunderts nach Christus keinen prachtvollen Tempel gehabt. Ursprünglich ist er kein Jude, aber durch seine Ehe mit Mariamne hat er diese Religion übernommen und praktiziert. Mit seiner Unterstützung konnte der prunkvolle Tempel in Jerusalem ausgeschmückt werden. Und in den Hungersnöten hat er Getreide importieren und verteilen lassen. Er war ein Mensch der Vision und zukunftsorientierter Anführer, abgesehen von seiner Grausamkeit war er bei den einfachen Menschen beliebt.
Aus Zorn, Neid und Angst hat er befohlen, ein grausames politisches Vorgehen auszuüben, indem er seinen Soldaten befahl, in Bethlehem alle Babys unter zwei Jahren umbringen zu lassen. Durch die Weisen aus dem Morgenlande, die Jesus besuchen wollten, hat er erfahren, dass dieses Baby seiner Macht widerstehen würde. Er wollte umgehend dieses Problem beseitigen, bevor es ein großes Hindernis für ihn geworden wäre. Herodes hat sich aufgeregt und wollte seine Ruhe wieder haben, obwohl das viele Leben gekostet hat. Nämlich das Blutbad und den Kindermord in Bethlehem. Im Matthäusevangelium wurde dieses Ereignis beschrieben:
16 Als Herodes nun sah, dass er von den Weisen betrogen war, wurde er sehr zornig und schickte aus und ließ alle Knaben in Bethlehem töten und in der ganzen Gegend, die zweijährig und darunter waren, nach der Zeit, die er von den Weisen genau erkundet hatte. 17 Da wurde erfüllt, was gesagt ist durch den Propheten Jeremia, der da spricht: 18 »In Rama hat man ein Geschrei gehört, viel Weinen und Wehklagen; Rahel beweinte ihre Kinder und wollte sich nicht trösten lassen, denn es war aus mit ihnen.«
19 Als aber Herodes gestorben war, siehe, da erschien der Engel des Herrn dem Josef im Traum in Ägypten 20 und sprach: Steh auf, nimm das Kindlein und seine Mutter mit dir und zieh hin in das Land Israel; sie sind gestorben, die dem Kindlein nach dem Leben getrachtet haben. 21 Da stand er auf und nahm das Kindlein und seine Mutter mit sich und kam in das Land Israel. 22 Als er aber hörte, dass Archelaus in Judäa König war anstatt seines Vaters Herodes, fürchtete er sich, dorthin zu gehen. Und im Traum empfing er einen Befehl und zog ins galiläische Land 23 und kam und wohnte in einer Stadt mit Namen Nazareth, auf dass erfüllt würde, was gesagt ist durch die Propheten: Er soll Nazaräer heißen.
Wie es immer und überall gilt, ist das Leben der Machtlosen ein Spielball der Machthaber. Die heilige Familie musste sich auf dem Weg machen, um das Baby Jesus von der Grausamkeit des verrückten Tyrannen zu erretten. Joseph und Maria konnten es noch nicht verstehen, warum ihr Leben in diese Situation geraten ist, nachdem sie die Berufung Gottes bejaht haben. Sie waren noch jung und haben sich auf ein neues Leben vorbereitet, um den neugeborenen Jesus großziehen zu können. Vielleicht hat Joseph vorgehabt, seine Tischlerei in Bethlehem zu eröffnen, damit er seine neue Familie gut versorgen kann. Mit der Gabe der morgenländischen Weisen konnten er und Maria möglicherweise ein kleines Geschäft betreiben. Die Politik aber war für sie kein guter Freund, und als einfache Menschen waren sie nur Opfer der großen politischen Interessen. Sie mussten flüchten, ohne zu wissen, was auf sie zukommen wird.
Die Geburt Jesu als Sohn Gottes hat nicht alle Probleme in der Welt beseitigt. Maria und Joseph mussten leiden und wegen der Umbrüche mussten sie auch bereit sein, immer auf dem Weg zu sein. Die Anwesenheit Gottes verstummt nicht alle Leiden, und manchmal entsteht auch das Gegenteil. Es gibt offene Fragen, die um dieses Ereignis herumstehen: Warum mussten viele Babys umgebracht werden, nachdem Jesus zur Welt gekommen ist. Warum mussten viele Mütter weinen und klagen, nur weil Gott durch Jesus in ihre Stadt gekommen ist. Für die getöteten Babys ist es doch eine Errettung, weil sie keine Leiden tragen müssen, aber für die weinende Mütter und Väter? Auch in diesem Jahr müssen wir erleben, dass Weihnachten ganz anders als sonst ist. Der Angriff auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg zeigt uns, dass die dunkle Seite unserer Existenz noch mächtig ist. Trotz aller wissenschaftlichen und philosophischen Fortschritte, die wir in dieser modernen Zeit gemacht haben, werden wir immer noch von dieser bösen und unmenschlichen Macht herausgefordert.
Wir denken an die Opfer und ihre Angehörigen, die weinen und traurig sind sowie an die anderen Betroffenen, und in unseren Gebeten erwähnen wir ihre Namen, in der Hoffnung, dass dieses Weihnachten kein unheilbarer Albtraum ist, aber ein Anhaltspunkt, von dem sie einen neuen Beginn haben können.
Mit diesem letzten Angedacht verabschieden wir uns auch von dem gleich vergehenden Jahre und schauen nach vorn, wie die neue fusionierte Gemeinde lebendig sein wird. Wir hoffen, dass diese Gemeinde Gottes frohe Botschaft weiter verkündigen kann, und die Weihnachtsgeschichte erschallt immer im Herzen der Gemeindeglieder, damit die Liebe Gottes siegt und die böse herodianische Macht, die unsere Gesellschaft und unsere Menschlichkeit missachtet und verachtet, überwunden werden kann.
Habt Glauben und Mut einen Schritt zu machen, obwohl es nicht einfach und sehr unbequem ist, aber lasst uns auf den Weg machen wie die heilige Familie, die gehorsam war, Gottes Anweisungen zu folgen. Wir glauben, dass Gott unsere Zuflucht ist, in ihm finden wir das Ziel unserer weltlichen Pilgereise. Er führt uns ins neue Jahr und inspiriert uns unsere neue Gemeinde zu gestalten und zu organisieren. Das ist unsere Zuversicht, und trotz aller schiefgelaufenen Pläne oder nicht erfüllten Erwartungen können wir noch dieses Lied singen:
Von Gott will ich nicht lassen, denn er lässt nicht von mir,
führt mich durch alle Straßen, da ich sonst irrte sehr.
Er reicht mir seine Hand; den Abend und den Morgen
tut er mich wohl versorgen, wo ich auch sei im Land
Ihr Pfarrer Albert Purba