An(ge)dacht zum 3. Advent am 15. Dezember 2024

Als Johannes im Gefängnis von den Werken Christi hörte, sandte er seine Jünger und ließ ihn fragen: Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen andern warten? Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Geht hin und sagt Johannes wieder, was ihr hört und seht: Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf, und Armen wird das Evangelium gepredigt; und selig ist, wer sich nicht an mir ärgert. (Matthäus 11,2-6)

Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen andern warten? Johannes der Täufer lässt Jesus diese Frage stellen. Johannes, der Vorläufer Jesu, der große Prediger, der es vielleicht hätte wissen können, lässt Jesus fragen: „Wer bist du eigentlich? Bist du der Messias, auf den wir schon so lange warten? Oder bist du ein Gotteslästerer, bist du ein Wunderheiler? Wer genau bist du, Jesus?“ Ist das auch unsere Frage, oder wissen wir längst, wer Jesus ist?
Jesus antwortet Johannes auf die Frage, ob er der Messias sei. Doch er antwortet nicht mit einem klaren „Ja“ oder „Nein“. Er sagt: „Geht hin und sagt Johannes wieder, was ihr hört und seht“. Jesus weist hin auf das, was die Menschen bei ihm erleben. Er richtet die Blicke auf das, was durch ihn geschieht. Dabei zitiert er das Alte Testament mit seinen Verheißungen: „Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf, und den Armen wird das Evangelium gepredigt.“ Das erinnert an das, was der Prophet Jesaja gesagt hat. Mit fast den gleichen Worten hat er vom Reich Gottes und vom kommenden Messias gesprochen. Jesaja schildert so die Zeit, die anbrechen wird, wenn der Messias erscheint. Diese neue, gute Zeit, die er bringt, wird erfüllt und paradiesisch sein. Alle, die blind oder taub waren, werden sehen und hören, zuvor unbewegliche Menschen bewegen sich und Tote werden lebendig. Diese Zeit wird erfüllt sein von Frieden und Geborgenheit. Ungerechtigkeit und Versagen wird es nicht mehr geben und die Menschen werden endlich Frieden haben.

Menschen, die Jesus kennen lernen, bekommen davon schon einen Eindruck. Sie sehen und hören, dass sich ein Stück dieser heilen Zeit mit Jesus erfüllt. Jesus begegnet vielen Menschen und jedes Mal erlebten diese Menschen etwas Besonderes mit ihm. Es sind ganz unterschiedliche Menschen. Es sind Kranke und Schwache, Menschen, die es schwer haben, Menschen, die nicht akzeptiert sind, die versagt haben. Und es sind starke und erfolgreiche Menschen und Menschen, die auf der Suche sind. Es sind Menschen, die Sehnsucht haben und kein Ziel finden. Diese Menschen haben Fragen und Probleme, manche sind unglücklich, manche sind verzagt, manche sind traurig oder einsam, manche fühlen sich schuldig und schlecht, krank und minderwertig. All diese Menschen nimmt Jesus ernst, er hört ihnen zu, er zeigt ihnen, dass sie geliebt und angenommen sind. Er heilt, was sie krank macht. Er verzeiht ihnen, was sie falsch gemacht haben und macht ihnen Mut, noch einmal neu zu beginnen. Er tröstet und gibt ihnen zu verstehen, dass sie wunderbare, einzigartige Menschen sind.
Diese Menschen verlassen Jesus glücklich und strahlend und ziehen fröhlich ihres Weges. Sie alle erleben ein Stück von Gottes Reich, das der Prophet angekündigt hat und das in Jesus angebrochen ist. Sie erkennen in Jesus den Messias, weil sie erleben, wie sich die alten Verheißungen an ihnen erfüllen. Ihnen wird klar, dass Jesus der ist, auf den sie gewartet haben.

Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen andern warten? Johannes fragte eindringlich. Er ist noch unsicher, denn das Kommen des Messias haben sich die Menschen damals ganz anders vorgestellt. Sie stellten sich vor, dass der Messias wie ein König, überlegen und stolz kommt, so dass jeder gleich sieht, dass hier ein neuer Herrscher das Zepter übernimmt. Doch Jesus hat nicht die Zustände der Welt umgekrempelt, er hat nicht die Herrschenden gestürzt und eine Revolution angezettelt. Bescheiden ist er gekommen, ganz unauffällig. Doch alle, die ihm begegneten, hat er verändert. Er hat sie teilhaben lassen an seiner neuen und guten Zeit, er hat sie ein Stück seines Reiches sehen lassen. Er öffnete ihnen die Augen und sie erkannten: In dem, was Jesus tut und predigt, erweist er sich als Gottes Sohn, als der Messias.

Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen andern warten? Wir müssen nicht mehr auf den Messias warten, denn er ist da und lässt uns an seinem Reich teilhaben. Noch leben wir nicht in seinem endgültigen Reich, aber wir können erkennen, dass in Jesus der gekommen ist, auf den die Menschen gewartet haben. Es sind manchmal nur kleine, unscheinbar anmutenden Dinge, die wir erleben, die uns aber deutlich machen, dass der Erlöser schon lange da ist. Immer dann, wenn das Leben gelingt und Menschen inneren Frieden und Geborgenheit erfahren, erleben wir ein Stückchen von Gottes Reich. Wenn Sehnsüchte gestillt werden, wenn Ziele erreicht werden, wenn Fragen beantwortet sind, erleben Menschen Gottes Reich. Wenn alte Menschen so versorgt werden, dass sie sich wirklich wohl fühlen, wenn Kranke gesund werden, oder wenn sie ihre Krankheit annehmen können, wenn Traurige wieder lächeln, wenn ein Mensch geboren wird oder ein Mensch in Frieden sterben darf, immer dann erleben wir ein Stück von Gottes Reich und erkennen, dass der Messias bereits gekommen ist.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie dem Messias begegnen und ein Stück seines Reiches erkennen!
Ihre Pastorin Annette Beer