An(ge)dacht für den Drittletzten Sonntag des Kirchenjahres am 10. November 2024

Geduldig auf etwas zu warten, die Hoffnung nicht aufzugeben, das fällt nicht leicht und kann einem auf die Nerven gehen. Doch immer wieder erleben wir das im Alltag. Ich sitze im Wartezimmer des Arztes und hoffe, dass ich endlich an die Reihe komme. Da stehen Menschen an der Bushaltestelle im strömenden Regen und warten sehnlichst auf den Bus. Schülerinnen und Schüler warten auf das Klingelzeichen, das endlich das Ende der Stunde ankündigt. Es gibt Situationen, da scheint die Wartezeit nicht enden zu wollen. Warten kann unerträglich lang sein.

Manchmal scheint die Zeit aber auch wie im Fluge zu vergehen, und das Warten ist gar nicht schwer gefallen. Meistens ist es eine positive und erwartungsvolle Zeit, die gern gelebt und durchlebt wird, weil am Ende etwas Gelungenes, Gutes steht. Ich warte auf lieben Besuch und mit der Vorbereitung auf ihn verfliegt die Zeit. Ich freue mich auf ein großes Fest und auf einmal ist es da und die Wartezeit war gefühlt nicht lang.

Zurzeit Jesu warten auch Menschen. Sie warten auf ein besonderes Ereignis. Sie warten auf Gottes Reich, auf Gottes Herrschaft, auf die Zeit, in der Gottes wunderbare Welt ganz und gar angebrochen ist. Sie haben gehört, dass ihnen mit diesem Reich das Paradies versprochen ist. Deshalb fragen sie Jesus eindringlich: „Wann kommt das Reich Gottes?“

Auf dieses Reich warten wir auch heute. Dein Reich komme, beten wir und bitten damit ähnlich nachdrücklich wie die Menschen damals. Jesus antwortet auf die Frage der Menschen damals und auch auf das Bitten der Menschen heute. Und seine Antwort ist überraschend: „Das Reich Gottes ist mitten unter euch.“

Das Reich Gottes ist schon da? Aber liegt es denn nicht in ferner Zukunft? Immerhin warten wir schon über 2000 Jahren darauf, dass Gottes Reich ganz und gar sichtbar und erfahrbar wird. Wir warten schon so lange, dass viele schon gar nicht mehr damit rechnen, dass es überhaupt kommt. Doch Jesus sagt klar und deutlich: „Das Reich Gottes ist da.“ Es ist verborgen da. Und es ist noch nicht ganz und gar da. Aber mit Jesus hat dieses Reich bereits begonnen. Als Jesus auf die Erde kam, brachte er schon ein Stück des Gottesreiches mit. Wenn Jesus Wunder tat, wenn er predigte, wenn er Menschen zuhörte und sie spüren ließ, wie wertvoll sie sind, erlebten die Menschen schon ein Stück von Gottes Reich. Und sie haben gespürt, wie wunderbar es ist, wenn Gott herrscht.

Und so geschieht es auch heute. Im Glauben ist Gottes Reich sichtbar und erfahrbar. Wenn Menschen gesund werden, wenn Streit geschlichtet wird, dann ist das Reich Gottes mitten unter ihnen. Wenn Frieden herrscht, wenn Menschen erfahren, dass sie geliebt und angenommen sind, wenn sich Menschen für andere Menschen mit allen Kräften einsetzen, dann ist das Reich Gottes da. Wenn ein Kind geboren wird, oder wenn eine schwere Operation gelingt, wenn ein Mensch getauft wird, wenn wir Abendmahl feiern, aber auch wenn jemand im Frieden sterben darf, immer ist das Reich Gottes unter uns, spürbar und sichtbar.

Immer wieder, täglich neu erleben wir ein Stück dieses Reiches. Das ewige Reich liegt allerdings noch in der Zukunft. Es wird ganz sichtbar, wenn Jesus wiederkommt. Wenn Jesus eines Tages zurück auf die Erde kommt, dann wird er einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen. Alles Leid und alle Krankheiten, Gewalt und Ungerechtigkeit werden für immer aufhören und paradiesische Zeiten brechen an.

Da ist diese Sehnsucht nach dem ewigen Reich, dem neuen Himmel und der neuen Erde. Wie schön und friedlich ist es, dort zu leben. Niemand weiß, wann dieses ewige Reich kommt. Aber es wird auch niemand verpassen, denn Jesus sagt dazu: „Wenn Christus wiederkommt, wird das so unübersehbar sein wie ein Blitz, der den ganzen Horizont erhellt.“ Alle müssen da hinsehen, alle werden davon erfasst. So deutlich und klar kommt Christus wieder.

Es wird plötzlich sein, vielleicht dann, wenn niemand damit gerechnet hat. Völlig unvorbereitet könnte das Reich erscheinen. Denn Jesus sagt: „Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man es an äußeren Anzeichen erkennen kann. Man wird auch nicht sagen: ›Schau her, hier ist es!‹, oder: ›Dort ist es!‹ Doch plötzlich ist es da in seiner ganzen Herrlichkeit.

Es ist sicherlich gut, damit zu rechnen und darauf vorbereitet zu sein. Und das ist nicht so schwer, denn jedes Mal, wenn ich bete „Dein Reich komme“, dann ist es doch schon präsent. Dann behalte ich im Gedächtnis, dass Christus kommt, um alles neu zu machen. Und das, was ich von diesem Reich schon kenne, macht mich neugierig und hoffnungsvoll auf das, was noch kommt. Ich möchte das Reich Gottes ganz und gar sehen.

Es gibt Dinge, auf die ich gerne warte. Das Reich Gottes gehört dazu. So warte ich gespannt, denn ich hoffe auf etwas Wunderbares und genieße dabei jetzt immer wieder ein Stückchen dieses Reiches, das wir mitten unter uns erleben. Amen.

Die Pharisäer fragten Jesus: »Wann kommt das Reich Gottes?« Jesus antwortete: »Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man es an äußeren Anzeichen erkennen kann. Man wird auch nicht sagen: ›Schau her, hier ist es!‹, oder: ›Dort ist es!‹ Nein, das Reich Gottes ist schon da –mitten unter euch.«
Dann sagte Jesus zu den Jüngern: »Die Zeit wird kommen, in der ihr euch danach sehnt, unter der Herrschaft des Menschensohns zu leben –nur einen einzigen Tag lang, aber ihr werdet ihn nicht erleben.
Die Leute werden zu euch sagen: ›Seht doch, dort!‹, oder: ›Seht doch, hier!‹ Dann geht nicht hin, lauft ihnen nicht nach. Denn, wenn der Menschensohn an seinem Tag kommt, wird es sein wie bei einem Blitz: Unübersehbar leuchtet er auf, von einem Ende des Himmels bis zum anderen.
Lukas 17,20-24

Ich wünsche Ihnen, dass Sie die Geduld nicht aufgeben und fröhlich auf Gottes Reich warten!
Ihre Pastorin Annette Beer