An(ge)dacht für den 21. Sonntag nach Trinitatis, den 20.10.2024

„Suchet der Stadt Bestes!“ Jeremia 29,7a oder die erste Fürbitte in der Heiligen Schrift

Im hebräischen Urtext steht in diesem Vers der Begriff Schalom. Wortwörtlich übersetzt heißt es dann: „Suchet den Frieden für die Stadt“ – ein Friede, der vom Ewigen selbst kommt.

Bittet um den Schalom, bittet darum, dass das Leben der Menschen in dieser Stadt gelingen kann und zu seiner Entfaltung kommt. Nicht in erster Linie für euch – sondern für diejenigen, die ihr als feindlich und bedrohlich erlebt. Suchet Frieden für eure Feinde!

Man sollte sich diese Empfehlung des Jeremias einmal auf der Zungen zergehen lassen. Der Jeremia forderte seine Leuten zu etwas auf, das ihnen innerlich gar nicht entsprach. Denn mal Hand auf`s Herz: wie kann man ehrlichen Herzens jemanden etwas Gutes wünschen, von dem man sich bedroht fühlt, den man als Feind erlebt und vor dem man Angst hat? Wohin soll man denn hin mit seinem Zorn und seiner Ohnmacht? Das ist doch eigentlich unmöglich!

Also: Wie kann das gehen? Wie stellte sich der Jeremia das vor? Der Jeremia stellte mit dieser Aufforderung, dieser Fürbitte beide Seiten – Israel und die Bürger von Babel – in ein Gottesverhältnis! Israel sollte Gott um den Schalom der Feinde bitten. Das Beste, nämlich der Schalom, der soll der feindlich gesinnten Bevölkerung dieser Stadt zuteil werden. Darin liegt die provozierende Erkenntnis dieses ersten Fürbittengebets in der Schrift, dass mein eigener Schalom ohne den des anderen nicht zu haben ist. Diese Einsicht ist aber ein kluger Schritt auf dem langen Weg zur einer Feindesliebe, die die Realität menschlicher Beziehungen ernst nimmt und zugleich ins Licht einer ganz neuen Möglichkeit rückt.

Das heißt aber auch: In ihrer Bitte um den Schalom für die Stadt, deren Bewohner sie als feindlich erlebten, sind sie sich selbst voraus und spielen ihre reicheren Möglichkeiten, die ihnen das Vertrauen in Gott schenkt, aus. Insofern könnte man dieses Gebet des Jeremias poetisch als einen Tanz der Zukunft betrachten, eine Zukunft die reicher und menschlicher sein sollte als der Augenblick. Durch seinen Propheten Jeremia empfahl Gott seinem Volk nun klug zu handeln, sich selbst mit aller (Gebets)Kraft einzusetzen für den Schalom dieser Stadt. Und dies soll in gläubiger – also in vertrauensvoller Zuversicht geschehen, dass Gott diesen Prozess mit seinem Segen begleiten wird.

Das heißt ja nichts anderes: Jeremia empfahl die Feinde unter die Fürsorge Gottes zu stellen – weil es für ihn eine Gewissheit war, dass dies das Leben miteinander verändert wird. Nämlich die Gewissheit, dass es auch die Feinde, bzw. die feindliche Haltung verändert wird. All das traute Jeremia seinem Gott zu.

Amen

Ihre Pfarrerin G. Steinmeier