An(ge)dacht am 15. Sonntag nach Trinitatis, den 8. September 2024

Liebe Leserin und lieber Leser!

Als alttestamentlichen Text für diesen Sonntag haben wir den zweiten Schöpfungsbericht 1. Mose 2,4b ff. Daraus möchte ich einige Verse auslegen: 4b Es war zu der Zeit, als  Gott der Herr Erde und Himmel machte. 5a Und alle die Sträucher auf dem Felde waren noch nicht auf Erden, und all das Kraut auf dem Felde war noch nicht gewachsen. (…) Und kein Mensch war da, der das Land bebaute. Kein Baum, kein Strauch, kein Kraut, kein Tropfen Wasser. Zuerst wird erzählt, was alles nicht da ist. Nicht da sein kann. 5b Denn Gott der Herr hatte noch nicht regnen lassen auf Erden.“ Nur 6 ein Strom stieg aus der Erde empor und tränkte das ganze Land. 7 Da machte Gott der Herr den Menschen aus Staub von der Erde und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase. So wurde der Mensch ein lebendiges Wesen.

In umgekehrter Reihenfolge gegenüber dem ersten Schöpfungsbericht (1. Mose 1,1 ff.) wird zuerst  der Mensch erschaffen, danach Pflanzen und Tiere. Der Mensch – Adam als Gattungsbegriff, von Eva ist erst in V 22 die Rede – ist Gottes erstes Geschöpf. Aus Staub, aus dem niedrigsten Stoff wird er gemacht. Gott bläst ihm seinen Geist, den Lebensatem in die Nase. Dadurch kann er selber atmen und leben. Einerseits ist der Mensch geformt aus Staub, was an Vergänglichkeit und Tod erinnert: Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zu Staub. Andererseits wird er wenig niedriger als Gott angesehen (Psalm 8), gekrönt mit Ehre und Herrlichkeit, mit Größe und Würde. Schon ganz am Anfang der Bibel, bei der Entstehung des Lebens, kommt das Ende in den Blick, werden Sterben und Tod angedeutet. Im biblischen Menschenbild gehört beides eng zusammen.

Jetzt geht es weiter: Gott tritt als Gärtner in Aktion. 8 Er pflanzte einen Garten in Eden gegen Osten hin und setzte den Menschen hinein, den er gemacht hatte. 9 Und Gott der Herr ließ aufwachsen aus der Erde allerlei Bäume, verlockend anzusehen und gut zu essen, und den Baum des Lebens mitten im Garten und den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen.“ Der Mensch in paradiesischen Zuständen, mitten im Paradiesgarten. Ein Detail bei der Erschaffung des Menschen ist bemerkenswert: Er wird aus Staub geformt, heißt es. Das funktioniert jedoch nur in Verbindung mit Wasser und Feuchtigkeit, sonst würde das Gebilde zerbröseln. Darum ist im vorherigen Vers von einem Strom die Rede, der aus der Erde emporsteigt und das Land tränkt. Etwas Wasser aus diesem Strom ist die Voraussetzung, damit in Verbindung mit Staub der Mensch geschaffen werden kann. Im Hebräischen ist das sprachlich schön gemacht als Wortspiel, was dann auch theologisch interessant ist: Das hebräische Wort für „Strom“ heißt „ad“, zusammengesetzt aus den Buchstaben a und d. Mit Hilfe von diesem „ad“ erschafft Gott den Menschen, den Adam. Im Hebräischen wird einfach nur ein „m“ angehängt, aus „ad“ wird „adam“. Adam bekommt seinen Lebensraum  im Paradiesgarten, auf der Erde, auf dem Acker. „Erde“ oder „Acker“ heißt im Hebräischen „adamā“. Hinter „adam“ wird also bloß ein langes „ā“ angehängt und die Reihe ist komplett: Von „ad“ zu „adam“ zu „adamā“.

Das ist die Entwicklung, das ist der Fortschritt in der Geschichte: Gott lässt Wasser hervorsprießen, aus dem zusammen mit Staub der Mensch geformt wird. Er bekommt als Lebensraum und als seinen Bestimmungsort die Erde oder den Acker zugewiesen, um sich dort zu entfalten; um die Erde zu bebauen und zu bewahren. Auf die Verbindung von Mensch und Erde konzentriert sich alles. Das wird oft wiederholt und regelrecht eingeschärft: In dieser Geschichte und der nachfolgenden Paradiesgartenerzählung mit der Schlange kommt das Wort „Erde“ insgesamt 20x vor, während das Wort „Himmel“ nur ein Mal begegnet, im Einleitungssatz bei der Bezeichnung „Vögel unter dem Himmel“. Damit ist auch geklärt, wer wo hingehört. Der Handlungsspielraum des Menschen ist der Erdboden und der Wirkungsraum Gottes ist zunächst einmal der Himmel. Obwohl der Mensch als „wenig niedriger als Gott“ deklariert wird (Psalm 8), bleibt er dennoch auf dem Boden. Denn der Mensch ist nicht Gott. Er ist auch nicht wie Gott, was die Schlange dem ersten Menschenpaar weismachen möchte. Sondern er ist ein Gegenüber von Gott und bleibt in diesem Sinne immer Gottes Geschöpf. Hier kann uns die Schöpfungsgeschichte davor bewahren, überheblich zu werden.

Gott gestaltet aus einer trockenen, unwirtlichen Wüste einen reizenden, verlockenden Garten, eine Augenweide. Das zeichnet das Paradies aus, dass es nicht in erster Linie ein Nutzgarten ist, in dem alles zweckmäßig angeordnet wird, um einen möglichst hohen Ertrag zu erzielen. Nein, der Mensch ist mehr als bloß Arbeit und Leistung. Darum schenkt Gott ihnen den Garten Eden als Heimat, in der sie frei sind; in der sie genießen dürfen; in der sich auch die Augen wohl fühlen. „Die Bäume im Garten sind verlockend, reizend, lieblich anzusehen“ heißt es zunächst; erst danach wird gesagt, dass die Früchte auch als Nahrung dienen. Die Ästhetik und das Schöne werden hier am Anfang betont.

Gott setzt den Menschen in den Garten Eden. Er schenkt ihnen Freiheit und die Fähigkeit, ihn zu bebauen und zu bewahren. Und er gibt den Menschen ein Gebot mit, eine wichtige Einschränkung. Sie heißt: 16b Du darfst essen von allen Bäumen im Garten, 17 aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst du nicht essen; denn an dem Tage, da du von ihm isst, musst du des Todes sterben.“ Dies ist ein Fingerzeig auf die nachfolgende Geschichte, wo die beiden ersten Menschen darüber in Konflikt geraten mit Gott. Sie haben alle Möglichkeiten und alle Freiheit. Fast alle, bis auf eine Ausnahme. Damit gut und verantwortlich umzugehen ist die Herausforderung für Adam und Eva.

Die Erzählung von der Erschaffung des Menschen schult unseren Blick: Für unsere Welt und ihren Zustand, für den Umgang mit der Schöpfung, mit der Natur, mit der Umwelt und ihren Ressourcen. Sie öffnet uns aber auch die Augen für die vielen Dinge, deren Schönheit unser Herz erfreut: Die Blumen und Bäume, die einem Lust machen, sie anzusehen. Denn ohne Augenweiden würde unsere Seele verdursten.

Ich gebe Paul Gerhardt das letzte Wort, der in seinem Lied „Geh aus, mein Herz“ diese Liedstrophe gedichtet hat: Mach in mir deinem Geiste Raum, dass ich dir werd ein guter Baum, und lass mich Wurzel treiben. Verleihe, dass zu deinem Ruhm ich deines Gartens schöne Blum und Pflanze möge bleiben. (EG 503, 14)

Ich wünsche Ihnen Gottes Segen, diesen Sonntag zu genießen.

Andreas Smidt-Schellong

Lied:  Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut   (EG 326, 1-3)

1. Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut, dem Vater aller Güte,
dem Gott, der alle Wunder tut, dem Gott, der mein Gemüte
mit seinem reichen Trost erfüllt, dem Gott, der allen Jammer stillt!
Gebt unserm Gott die Ehre!

2. Es danken dir die Himmelsheer, o Herrscher aller Thronen,
und die auf Erden, Luft und Meer in deinem Schatten wohnen,
die preisen deine Schöpfermacht, die alles also wohl bedacht.
Gebt unserm Gott die Ehre!

3. Was unser Gott erschaffen hat, das will er auch erhalten;
darüber will er früh und spat mit seiner Güte walten.
In seinem ganzen Königreich ist alles recht, ist alles gleich.
Gebt unserm Gott die Ehre!