An(ge)dacht für den 2. Sonntag nach Trinitatis am 09.06.2024

Wer weiß…

„Wer weiß,

Er kehrt um, und es reut Gott, und Er kehrt um von seinem glühenden Zorn, und wir gehen nicht zugrunde.“ Jona 3, 9

So die Worte des Königs von Ninive.

Ninive die Stadt, die nur deswegen „die große Stadt“ genannt wurde, weil Gott selbst um sie Sorge trug. Sorge trug wegen ihrer Bosheit; war sie doch das Zentrum des Bösen der damaligen Welt. Dieser Stadt wurde durch den Propheten Jona der Untergang prophezeit. Und entgegen aller Wahrscheinlichkeiten nahmen die Menschen den Ruf dieses Fremden ernst!

Sie nahmen ernst, dass sie nun zur Verantwortung gezogen wurden für die schändlichen Taten, die sie begangen hatten. Tief in ihr Herz mussten die Worte dieses Fremden gefallen sein. Warum das so war, wissen wir nicht – es wird keine Erklärung dafür gegeben.

Aber ihre Handlungen: das Ausrufen des Fastens und das Hüllen in Sackgewänder, all das bekundete, dass sie davon überzeugt waren, dass ihre Stadt keine Zukunft hatte und dass es nun galt, Trauer zu tragen. Und in diese Trauer hinein hören wir nun das Wort des Königs:

Wer weiß…

Ein bedeutungsvolles und auch lehrreiches Wort, welches uns von diesem König überliefert wird. Denn mit diesen Worten sprach er ein Geheimnis aus, das bis dahin nur Israel bekannt war. Das Geheimnis, dass Gott sein Gericht gereuen konnte und er abließ von seinem Zorn. Was der König aber nicht wissen konnte – und darin zeigte sich auch seine tiefe Gottesfurcht – ob dieses Geheimnis auch für das boshafte Ninive galt. Soviel wusste er schon, dass zwar die totale Abkehr von dem bisherigen Lebenswandel eine unabdingbare Voraussetzung war, er wusste aber auch, dass die Schuld Ninives zu groß war, um mit diesen Maßnahmen das Gericht abzuwenden.

Wer weiß – das bedeutete ja auch:

Es war ganz und gar nicht ausgemacht, dass Gott seinen glühenden Zorn zu überwinden bereit war. Es lag einzig und allein in Gottes Freiheit und damit in seiner Barmherzigkeit gegründet. Aber eben deswegen galt es ja, sich ganz gar in das Vertrauen zu stürzen, in die Hoffnung, dass dieses Geheimnis nicht nur Israel galt sondern auch dem bösen Ninive. Mit harten Schnitt meldet sich plötzlich der Erzähler wieder zu Wort und berichtet über die Reaktion Gottes auf das Treiben der Bewohner von Ninive:

„Und der Gott sah ihre Taten, dass sie umgekehrt waren von ihrem bösen Weg, und es reute den Gott wegen des Bösen, das er geredet hatte, ihnen zu tun, und er tat es nicht.“

Liebe Gemeinde!

Dass das angedrohte Gericht nun doch nicht stattfand lag einzig und allein in Gottes Selbstbeherrschung begründet. Auch wenn Gott Vernichtung ankündigt, so hofft er doch von vornherein, sie nicht ausführen zu müssen. Gilt für Israel – gilt nun aber auch für die Völker über Israel hinaus. Allerdings darf damit nicht die Vorstellung einhergehen, dass sich aus dem Bemühen menschlicher Umkehr automatisch die Abkehr des göttlichen Zorns ergibt. Dagegen sprechen die Worte des Königs:

Wer weiß…

Was bleibt, ist einzig die aber mitnichten grundlose Hoffnung, dass Gott von seinem Vernichtungswillen ablasse. Die Erfüllung dieser Hoffnung Ninives wird uns ganz schlicht in den Worten: „und er tat es nicht!“ verkündet.

Amen

Ihre Pfarrerin G. Steinmeier